Business Application Research Center testet Lösungen

Finanzplanungs-Tools statt Wahrsagerei

27.09.2002
MÜNCHEN (ls) - Der Vergleich verschiedener Kennzahlen und unternehmerische Erfahrung reichen für eine Aufstellung der Geschäftsziele nicht mehr aus. Gesetzliche Rahmenbedingungen verlangen eine präzise kalkulierte Finanzplanung. Das Business Application Research Center (Barc) hat entsprechende Software-Tools getestet.

Den Computern sei Dank. In allen Bereichen von Unternehmen fallen gewaltige Mengen von immer aktuellen Kennzahlen an, die Informationen über den Verlauf von Produktion und Geschäft geben. Seit langem werden sie in regelmäßigen Abständen zusammengetragen und liefern eine Beschreibung der Ist-Situation. Viele Firmen verlassen sich jedoch nur auf den Vergleich einiger weniger aktueller Zahlen mit den entsprechenden historischen Werten, um dann gestützt auf die Erfahrung langjähriger Management-Praxis die Ziele vorzugeben.

Doch damit ist nun Schluss. Zu oft hat das Versagen hausinterner Berichtsstrukturen Unternehmen in Schieflagen gebracht. Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz (KonTraG) verlangt für ein genaueres Controlling die Erschließung einer größeren Informationsbasis. Die neue Eigenkapitalrichtlinie "Basel II" schreibt Banken vor, Kredite erst nach einem Rating des Kreditrisikos zu vergeben. Banken und speziellen Agenturen gegenüber muss also die Perspektive für die künftigen Geschäftsaktivitäten begründet werden, und dazu braucht es Planungsdaten.

Bisher war es gang und gäbe, operative und Budgetpläne mit Eigenentwicklungen unter Microsoft Excel zu erstellen. Künftig sind mehr Planungsdaten erforderlich, und das verlangt die Einbeziehung von mehr Personen als bisher. Deshalb kommen Einzelplatzlösungen hier nicht länger in Betracht.

17 Mehrplatz-Softwarelösungen hat das Business Application Research Center (Barc), hervorgegangen aus Aktivitäten am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik der Universität Würzburg, in der Studie "Planungswerkzeuge" verglichen. Sechs davon sind Standard-Tools, die sich eher für kleinere Unternehmen anbieten und oft auf die weitgehend ähnlichen Anforderungen in einzelnen Branchensegmenten zugeschnitten sind. (Sie werden in diesem Beitrag nur am Rande erwähnt; siehe Kasten "Standardwerkzeuge".)

Größere Unternehmen benötigen hingegen Tools, die sich zum einen für komplexe verteilte Planungsvorgänge eignen, und zum anderen flexibel an die durchweg einmaligen Sturkturen und betriebswirtschaftlichen Prozesse dieser Firmen anpassen lassen. Das Leistungsvermögen solcher Systeme hat seinen Preis. Darüber hinaus ist eine den Produktpreis weit übersteigende Summe für Beratung, Implementierung und ständige Pflege des Systems zu veranschlagen. Die Kosten können durchaus in einen sechsstelligen Bereich wachsen.

Frühere Lösungen enttäuschten

Der Kostenaspekt ist nicht der einzige Grund, warum bislang relativ wenige Unternehmen entsprechende Systeme verwenden. In den 90er Jahren enttäuschten schon Lösungen, die als Management Information Systems, Decision Support Systems oder Executive Information Systems vollmundig propagiert wurden. Doch inzwischen haben sich in größeren Firmen Online Analytical Processing (Olap), Data-Warehouse- und Data-Mining-Lösungen sowie Business-Intelligence-Tools etabliert. Mit diesen hielten auch Techniken zur Analyse von Daten und zur Aufbereitung der Befunde Einzug in den Firmen.

Um in größeren Unternehmen verwendbar zu sein, sollten Planungswerkzeuge auf möglichst vielen Plattformen und Betriebssystemen laufen können sowie gut skalierbar sein. Flexibilität der Software zur Anpassung an neue Marktsituationen ist ebenso erforderlich wie eine intuitive Verwendbarkeit. Außerdem müssen sie gegen Zugriffe Unbefugter gesichert sein. Es ist von Vorteil, wenn die Tools ihre Daten aus möglichst vielen unterschiedlichen Quellen importieren und zu mehreren Systemen exportieren können. Ebenso sollte es sich mit der Speicherung der Plandaten verhalten.

Planungsinstrumente machen es möglich, modellhaft vereinfacht das System Unternehmen mit seinen betrieblichen Abläufen, internen Abhängigkeiten und Entscheidungsparametern nachzubilden. Gute Programme machen den Aufbau solcher Modelle einfach - am besten, indem sie Standardmodelle anbieten, die sich leicht aktualisieren und anpassen lassen.

Hohen Anforderungen gerecht werden

Die Tools müssen die bevorzugte Methode der Planungserstellung (Top-down, Buttom-up, Gegenstrom) unterstützen, im Idealfall koordinieren sie direkt die Beteiligten. Darüber hinaus sind verschiedene betriebswirtschaftliche Intrumente notwendig. Die Erfassung von Plandaten sollte einfach sein. Für die Präsentation und Analyse sind Navigationstechniken durch die Plansichten und grafische Funktionen erforderlich. Ein integriertes Berichtswesen ist Voraussetzung für eine (wünschenswerte) Analyse der späteren Abweichungen vom Plan samt Alarmfunktionen. Damit Reisen der Entscheider nicht zu Verzögerungen von Korrekturmaßnahmen führen, dürfte die Verwendbarkeit der Tools via Internet an Bedeutung gewinnen.

Nach diesen Ansprüchen hat Barc im Testlabor elf anspruchsvollere Planungsplattformen getestet und bewertet. Die Autoren der Studie warnen ausdrücklich davor, die in den Einzeldisziplinen vergebenen Punkte für die Produkte jeweils zu summieren. "Das Produkt mit der insgesamt höheren Punktzahl muss nicht zwangsläufig ein geeignetes Werkzeug für ein Unternehmen sein. In einem konkreten Auswahlprozess ist deshalb immer eine Abstimmung und Gewichtung der Bewertung notwendig."

Gesamtkosten sind schwer zu kalkulieren

Die Barc-Studie hat sich auch der Kostenaspekte angenommen. Dazu wurden in vier Szenarien mit unterschiedlichen Anwenderzahlen die Anschaffungspreise und die durchschnittlichen jährlichen Lizenz- und Wartungsgebühren, bezogen über eine drei bis fünfjährige Nutzungszeit kalkuliert. Wegen dieser Ungenauigkeit und anderer Intransparenzen ging der Kostenaspekt nicht in die Bewertung ein. Im Folgenden werden die von Barc genannten besonderen Stärken und beachtenswerte Beschränkungen einzelner Produkte erläutert.

Das Produkt "Management Planning & Control" (MPC), Version 4.5, vom US-amerikanischen Softwarehaus Comshare kann fast durchweg gute Noten in allen Bewertungskriterien vorweisen. Das hierzulande von der Kölner Codec GmbH vertriebene Werkzeug besitzt besondere Stärken in der Unterstützung verschiedener relationaler und multidimensionaler Datenbanken. Es bietet umfangreiche Möglichkeiten zur grafischen Aufbereitung und gestattet eine flexible Navigation. Allerdings ist es auf Windows-basierende Server und Microsoft-Browser beschränkt.

Von der Cubus AG im schwäbischen Herrenberg kommt "ABC für OLAP". Das in der Version 2.4 getestete Produkt erhält in einigen Aspekten durchwachsene Noten. So könnte es sich als kritisch erweisen, dass Datenspeicherung und -import über den OLAP-Server "Essbase" (von Hyperion) laufen sowie die Modellierung teilweise auf Datenbankebene erfolgen muss. Positive Seiten dieses Produkts sind unter anderem die Zuweisung von Planungsmappen an einzelne Anwender und seine umfangreichen Funktionen zur grafischen Aufbereitung der Ergebnisse.

Den Planungsprozess unterstützen

Vom US-amerikanischen Unternehmen SRC-Software kommt das Planungsinstrument "Advisor" (getestet in Version 9.0), das hierzulande von der Liederbacher Niederlassung der schwedischen Firma Frango vertrieben wird. Auch hier sind in vielen Punkten Einschränkungen festzustellen. Seine Stärken liegen in der Verteilung immer wieder gebrauchter Daten und einem Prozesskontroll-Management zur Planungsüberwachung. Dass Excel als Frontend dient, dürfte die Anwendung des Produkts leicht machen, muss aber nicht jedermanns Sache sein.

Das kalifornische Unternehmen Hyperion vertreibt seine Lösung "Hyperion Planning", getestet im Versionsstand 2.1, über eine Tochtergesellschaft in Frankfurt/Main. Der Barc-Test ergab in vielen Kategorien hohe Punktzahlen. Besonderes Lob der Tester bekam die Steuerung des Planungsablaufs, die auch E-Mail-Benachrichtigungen vorsieht. "Business-Rules" helfen bei der Plandateneingabe. Die Speicherung dieser Daten erfolgt aber ausschließlich in Essbase. Und wem Excel zur grafischen Aufbereitung nicht genügt, der benötigt die Zusatzkomponente "Hyperion Analyzer".

Ein Spinoff des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen, die Züricher Information Factory AG, hat "Integration Planning Environment" (IPE, getestet in Version 4.0) entwickelt. Das noch recht junge Produkt weist in puncto Datenimport, Berichtswesen und grafischer Aufbereitung der Daten Defizite auf. Die Tester loben aber die grafische Darstellung der Objektbeziehungen im Modell und die Möglichkeit, in der Planung Wahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass die Daten in der objektorientierten Datenbank von IPE gespeichert werden.

Recht gut etabliert hat sich die Darmstädter MIS AG mit "Enterprise Planning". An diesem Tool sind die ereignisorientierte Steuerung des Planungsablaufs über Push-Rule-Server und die Mehrsprachigkeit hervorzuheben. Allerdings erfolgt die Speicherung der Planungsdaten ausschließlich in "MIS Alea". Zu beachten ist insbesondere, dass Enterprise Planning nur einen groben Rahmen für die Planung schafft. Zu einer Komplettlösung kommt man erst mit dem MIS-Angebot "Decisionware".

In- und Export von Daten ist kritisch

Wer von Oracle schon die Datenbank oder das Rechnungswesen-System "General Ledger" hat, dürfte zum Planungssystem "Financial Analyser 11i" aus gleichem Hause neigen. Das Produkt erhielt in den meisten Testkriterien hohe Punktzahlen, wobei die Barc-Prüfer insbesondere die umfangreiche Unterstützung für das Verteilen von Daten und die flexiblen Navigations- und Auswertungsmöglichkeiten hervorheben. Zu beachten ist, dass das Tool "Oracle Express Server" für die Plandatenspeicherung nutzt. Zu bemängeln sind kaum vorhandene Standardmodelle, Schwächen im Berichtswesen und die geringe Möglichkeit für Abweichungsanalysen.

Web-basierende Planung wird wichtig

Die aus Lugano stammende, in Bad Homburg vertretene Softwareschmiede Orenburg bezeichnet "Board MIT" als "Management Information Toolkit". Die Lösung kommt nur in Sachen Grafikfunktionalität über durchwachsene Noten hinaus: Die getestete Version 4.1 fällt auch durch Prozeduren zur einfachen Planungskoordination und Dateneingabe auf. Web-basierende Planung funktioniert vorerst nur mit einem Microsoft-Browser.

Die SAP AG bietet in der Produktgruppe "Strategic Enterprise Management" (SEM) das Modul "Business Planning and Simulation" (BPS) an. Ein herausragendes Kennzeichen ist wie zu erwarten die enge Verknüpfung mit anderen SAP-Applikationen, insbesondere "Business Warehouse" (BW) und SEM-Anwendungen. Allerdings setzt BPS auch BW voraus. Und die tiefe Integration macht die Administration teilweise komplex. Mängel im Berichtswesen und bei der Abweichungsanalyse trüben die im Allgemeinen guten Noten.

Das Münchener Unternehmen Software 4 U ist seit 1999 mit "4Plan MD" auf dem Markt. Es gestattet die Speicherung der Planungsdaten in verschiedenen Datenbanken und die Berichtserstellung über Business Objects. Hervorzuheben sind nach Ansicht der Tester von Version 2.6 neben der guten Benutzeroberfläche die Templates und vorgefertigten Modelle für Personal- und Investitionsplanung. Die Einzelnoten könnten das Produkt als guter Durchschnitt erscheinen lassen, wäre da nicht ein Punkt: Für komplexe Planungsabläufe ist die Prozessverwaltung nach Barc-Ansicht kaum geeignet.

Von der Aachener Thinking Networks AG kommt schließlich das Planungswerkzeug "B2brain". Nach Test der Version 2.0 hebt das Barc die breite Unterstützung von Plattformen und die Möglichkeit zur Kombination verschiedener Abweichungsgrenzen hervor. Für den Datenimport sind keine Vorkehrungen getroffen, vielmehr wird dieser Aspekt erst im konkreten Projekt realisiert. Das Produkt hat in Sachen Prozessunterstützung und Grafikfunktionalität deutliche Schwächen.

Standardwerkzeuge

Sechs vom Barc getestete Produkte folgen einem standardisierten Ansatz. Sie sind weniger flexibel, aber preislich günstiger.

"Business-Planner" ist eine Anwendung, welche die Bank Austria Creditanstalt ursprünglich für die eigene Kreditrisikoprüfung geschaffen hat.

"Co-Planner" von der Grazer BFB zielt vorwiegend auf mittelständische Industrie-, Handels- und Dienstleistungsfirmen.

Die CP Corporate Planning AG, Hamburg, vertreibt "Corporate Planner" vor allem in mittelständischen Unternehmen aller Branchen.

"Planning Consultant" von der Radolfzeller MFB AG wird vor allen Dingen im Vertriebsnetz von Automobilherstellern verwendet.

Die STP Informationstechnologie AG, Karlsruhe, richtet sich mit "Max-Consult" vor allem an Unternehmens- und Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Kreditinstitute.

"Professional Planner" von der Grazer Winterheller Software GmbH ist branchenunabhängig vor allem bei mittelständischen bis großen Unternehmen sowie bei Beratern im Einsatz.

Kriterienbewertung der Planungsplattformen

Comshare MPC / Cubus ABC für OLAP / Frango Advisor / Hyperion Planning / Information Factory IPE / MIS Enterprise Planning / Oracle Financial Analyzer / Orenburg Board M.I.T. / SAP SEM BPS / Software4you 4PLAN MD / Thinking Networks b2brain

Allgemeine Produkteigenschaften

Plattformen und Betriebssysteme / 2 / 2 / 2 / 4 / 2 / 2 / 4 / 2 / 5 / 2 / 5

Skalierbarkeit / 3 / 3 / 2 / 4 / 2 / 3 / 3 / 2 / 4 / 2 / 4

Anwenderfreundlichkeit / 4 / 3 / 3 / 4 / 3 / 3 / 3 / 3 / 3 / 4 / 3

Anpassungsfähigkeit / 3 / 2 / 2 / 3 / 2 / 3 / 3 / 3 / 3 / 3 / 3

Berechtigungskonzept / 4 / 3 / 3 / 3 / 2 / 3 / 3 / 2 / 4 / 2 / 3

Datenanbindung

Datenspeicherung / 3 / 1 / 2 / 1 / 1 / 1 / 1 / 1 / 1 / 1 / 1

Datenimport / 3 / - / 3 / 4 / 1 / 3 / 4 / 2 / 4 / 3 / n.b.

Datenexport / 2 / 2 / 2 / 2 / 2 / 2 / 3 / 3 / 1 / 2 / 2

Aufbau des Planungsmodells

Modellaufbau / 3 / 2 / 2 / 4 / 3 / 2 / 3 / 3 / 4 / 3 / 3

Angebotene Standardmodelle / 2 / 3 / 2 / 2 / 3 / 3 / 1 / 2 / 3 / 4 / 2

Modellaktualisierung/-anpassung / 3 / 2 / 3 / 4 / 3 / 3 / 4 / 3 / 4 / 3 / 2

Währungsumrechnung / 4 / 3 / 3 / 4 / 2 / 3 / 3 / 2 / 3 / 2 / 3

Planungsprozess

Koordination / 3 / 3 / 3 / 3 / 3 / 3 / 4 / 3 / 3 / 3 / 3

Prozessunterstützung / 3 / 2 / 3 / 4 / n.b. / 3 / 1 / 2 / 3 / 1 / 1

Planungsinstrumente / 3 / 3 / 2 / 2 / 2 / 2 / 3 / 2 / 2 / 3 / 2

Plandatenerfassung / 4 / 3 / 3 / 4 / 3 / 3 / 4 / 3 / 4 / 3 / 3

Präsentation und Analyse

Navigationstechniken / 4 / 3 / 2 / 2 / 2 / 3 / 4 / 3 / 4 / 3 / 3

Grafikfunktionalität / 4 / 4 / 3 / 3 / 2 / 3 / 3 / 4 / 3 / 3 / 2

Berichtswesen / 4 / 3 / 3 / 3 / 1 / 2 / 2 / 2 / 1 / 4 / 3

Abweichungsanalyse / 4 / 3 / 2 / 2 / 2 / 2 / 2 / 2 / 1 / 3 / 3

Einbindung in weitergehende Ansätze / 2 / 1 / 1 / 3 / 1 / 3 / 4 / 1 / 5 / 1 / 2

Web-Funktionalität / 3 / 3 / 2 / 3 / n.b. / n.b. / 3 / 2 / 3 / - / 3

n.b. = nicht bewertet; - = nicht vorhanden

Die Benotungsskala von Barc reicht von 1 für "sehr geringe Unterstützung dieses Kriteriums" bis 5 für "sehr umfangreiche Unterstützung dieses Kriteriums". Die Autoren der Studie warnen ausdrücklich vor Gesamtbenotungen, weil in jedem Unternehmen eine andere Gewichtung der Bewertung notwendig sein wird. Quelle: Barc; "Planungswerkzeuge"