Open-Source-Cluster ersetzt Solaris-Server

Finanzminister Eichel rechnet mit Linux

02.05.2003
MÜNCHEN (wh) - Das Bundesfinanzministerium fährt seine Kernanwendungen künftig auf einem Linux-gesteuerten Rechner-Cluster. Ausschlaggebend für die Ablösung des zentralen Solaris-Servers waren Kostenvorteile und die flexible Skalierbarkeit der Open-Source-Lösung.

Vor ziemlich genau einem Jahr standen die IT-Verantwortlichen im Bundesministerium der Finanzen (BMF) vor einem Dilemma: "Die laufenden Fixkosten drohten die für Neuinvestitionen verfügbaren Haushaltsmittel zu übersteigen", berichtet Armin Buchholz, Referatsleiter Informationstechnik. Gleichzeitig stiegen die Anforderungen an Verfügbarkeit und Betriebssicherheit der Kernanwendungen.

Was etwa in großen Banken seit jeher unter dem Begriff Disaster Recovery (Katastrophenschutz) ganz oben auf der Prioritätenliste steht, sollte schnellstmöglich auch für das Eichel-Ressort sichergestellt werden. Dazu entwickelte die IT-Mannschaft zwei alternative Szenarien: Einerseits die Erweiterung des zentralen Risc-Servers unter Solaris zu einem Verbund aus zwei räumlich getrennten Mehrprozessor-Systemen. Andererseits ein Cluster aus horizontal skalierenden Intel-Servern unter Linux.

"Ausschlaggebend für die Open-Source-Lösung war der Kostenaspekt", sagt Buchholz, der mit seinen rund 20 IT-Mitarbeitern Haushaltsmittel für die Bundesfinanzverwaltung in Höhe von zirka 150 Millionen Euro verwaltet.

So hätten allein die Anschaffungskosten für Hardware und Software mit Intel-Servern "von der Stange" und Linux als Betriebssystem um gut 70 Prozent niedriger gelegen. Günstiger komme auch der IT-Betrieb. Buchholz rechnet im Unix-Umfeld mit einem Erfahrungswert von 17 Prozent Wartungskosten gemessen an den Anschaffungsausgaben. Diesen Anteil könne man mit dem Open-Source-System durch Wegfall der Hardwarewartungs- und Softwarepflegekosten des Betriebssystems deutlich reduzieren.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die flexible Skalierbarkeit der Intel-Serverfarm gewesen. Gerade in IT-Projekten mit einer Laufzeit von mehreren Jahren, wie sie das BMF verfolgt, komme dieses Argument zum Tragen: "Ein neuer Multiprozessor-Server wäre frühestens in zwei bis drei Jahren voll ausgelastet gewesen", so der IT-Chef, "die Kosten aber sofort fällig geworden." Mit dem Linux-Cluster könne man klein beginnen und je nach Bedarf durch Hinzufügen weiterer Rechnerknoten die Kapazität steigern.

Hochverfügbare Cluster

In zwei getrennten Rechenzentren im Raum Berlin betreibt das BMF heute Intel-basierende Serverfarmen mit jeweils über 20 Rechnerknoten in einem Rack-Server von Fujitsu-Siemens. Gesteuert werden die Verbände vom Suse Linux Enterprise Server, einer speziell für den Unternehmenseinsatz ausgelegten Linux-Distribution der Nürnberger Suse Linux AG. Auf den Servern laufen die rund zwanzig Kernanwendungen des Ministeriums; neben Fachanwendungen für die Haushaltsplanung oder die EU-Finanzanalyse gehört dazu auch ein Dokumenten-Management- und Workflow-System der Firma SER Solutions, das sich noch in der Pilotphase befindet. Die Datenhaltung übernehmen Oracle-Systeme (Oracle 9i), wobei auch die Hochverfügbarkeitslösung Oracle Real Application Cluster (RAC) zum Einsatz kommt.

Eine Besonderheit der Installation ist laut Buchholz der Einsatz von Servern ohne lokale Festplatte. Als so genannte Diskless-Clients booten die Intel-Rechner von einer speziellen Partition im angeschlossenen Speichernetz. Dadurch ließen sich zusätzliche Server besonders einfach in den Verbund einklinken, der Administrationsaufwand reduziere sich.

Für die Verwaltung der IT-Ressourcen implementierten die Berliner den Open-Source-Verzeichnisdienst Open LDAP. Als Metaverzeichnis verbindet er die diversen Fachanwendungen und Datenbanken auch mit der Client-Verwaltung unter Microsofts Active Directory (AD).

Im Bereich der lokalen Arbeitsplatzrechner steht Buchholz dennoch viel Arbeit ins Haus, denn die rund 2000 Clients sollen von Windows NT auf XP migriert werden. Auf lange Sicht kann sich der IT-Chef zwar auch Linux auf dem Desktop vorstellen - vor allem mit Blick auf Microsofts häufig kostentreibende Lizenzpolitik. Ein Problem dabei stellten jedoch noch die zahlreichen Spezialanwendungen auf den PCs dar. Buchholz: "Wenn es um eine Anwendung für die Bürokommunikation im Ministerbüro geht, überlegt man sich eine Migration dreimal. Deshalb prüfen wir auch verstärkt die Option, Applikationen auf Web-Basis zur Verfügung zu stellen."