CW-Gespräch: Auch 2004 zahlen Freiberufler keine Gewerbesteuer

Finanzgerichte urteilen großzügiger

06.02.2004
MÜNCHEN (hk) - Zum Jahreswechsel stand die Einführung der Gewerbesteuer für Freiberufler zur Diskussion. Nun ist sie vom Tisch. Die beiden Experten Benno Grunewald und Peter Brenner* erläutern, was auf die IT-Selbständigen in diesem Jahr zukommt.

CW: Die Gemeindewirtschaftsteuer kommt nun doch nicht. Was bedeutet dies für Selbständige in der IT?

GRUNEWALD: Auch in Zukunft wird zwischen freiberuflichen und gewerblichen Einnahmen unterschieden. Die als gewerblich eingestuften Selbständigen müssen Gewerbesteuer zahlen, sind Zwangsmitglied in der IHK sowie buchführungs- und bilanzierungspflichtig. Die Freiberufler sind von alledem nicht betroffen.

CW: Wie kann der Selbständige seinen Freiberuflerstatus sichern?

BRENNER: Durch eine fehlerfreie und überzeugende Eigendarstellung gegenüber den Finanzbehörden. Damit sind Rechnungs-, Vertragsinhalte, Homepage, Geschäftsausstattung, kurz alle Dokumente gemeint, die das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung einsehen darf. Das Gestalten beginnt mit dem ersten Tag der Selbständigkeit und unterliegt einem fortlaufenden Update.

CW: Was ist zu tun, wenn das Finanzamt den Freiberuflerstatus aberkennen will?

BRENNER: Das hängt von dem Stand der bis dahin erfolgten Argumentationen und Beweise ab. Oft hilft die Vorlage eines Gutachtens, welches die strittigen Punkte Ausbildung und Tätigkeit analysiert und abschließend bewertet. Aber es gibt keinen Königsweg, sondern im Einzelfall ist zu entscheiden, welche Strategie die erfolgreichste sein kann.

CW: Lohnt sich dieser Aufwand, zumal die Gewerbesteuer seit 2001 mit der Einkommensteuer verrechenbar ist?

BRENNER: Auf jeden Fall. Hier geht es nicht nur um die Verhinderung der monetären Nachteile, sondern auch um andere wie bereits oben genannte Benachteiligungen der Gewerbetreibenden. Außerdem sollte mit dem Gerücht Schluss gemacht werden, nach einer Verrechnung verbleibt keine zu zahlende Gewerbesteuer mehr übrig. Bei hohen Hebesätzen und Gewinnen stellt die Gewerbesteuer eine zusätzliche finanzielle Belastung dar.

CW: Was empfehlen Sie selbständigen Informatikern?

BRENNER: Staatliche Fördergelder helfen bei der Finanzierung einer in Anspruch genommenen Beratung zum Absichern des Freiberuflerstatus. Aber auch für alle anderen gilt: Je früher und besser die persönlichen Parameter auf Freiberuflichkeit gestellt werden, um so sicherer ist dieser Status und wird auch jede Betriebsprüfung überstehen.

CW: Welche Entwicklungen zeichnen sich in der Rechtsprechung in Sachen Gewerbesteuer ab?

GRUNEWALD: Wir beobachten in den letzten Jahren eine zwar zaghafte, aber positive Entwicklung bei den Finanzgerichten. So haben mehrere Gerichte entschieden, dass es auf die Differenzierung zwischen Anwender- und Systemsoftware nicht mehr ankommen soll, wenn die Kenntnisse des Selbständigen einem Diplominformatiker oder Ingenieur vergleichbar sind und die ausgeübte Tätigkeit ein gewisses Niveau hat.

CW: Kann sich ein Selbständiger auf diese Urteile berufen?

GRUNEWALD: Selbstverständlich kann sich der Freiberufler auf diese Entscheidungen beziehen - jedoch sind diese Urteile weder für die Finanzämter noch für andere Finanzgerichte bindend. Meine Erfahrung ist, dass die Finanzämter diese Entscheidungen totschweigen oder mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) negieren.

CW: Wie verhält sich denn aktuell der Bundesfinanzhof zu dieser Frage?

GRUNEWALD: Bislang ausgesprochen passiv. Der BFH hat bis heute seine, aus dem Jahr 1989 stammende Unterscheidung zwischen Anwender- und Systemsoftware nicht aufgegeben. Allerdings liegt momentan ein Revisionsverfahren beim BFH, das diese Frage zum Gegenstand hat. Da aber nicht vorauszusehen ist, wann und wie der BFH entscheidet, sollte man nicht darauf warten, es sei denn, es bestehen unüberwindliche Probleme der Darstellung der Tätigkeit im Systembereich. Dies ist jedoch gerade unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des BFH erfahrungsgemäß nur sehr selten der Fall.

CW: Kann denn ein Selbständiger rückwirkend seinen Status von gewerblich auf freiberuflich ändern?

GRUNEWALD: Unter bestimmten Bedingungen ist dies möglich. So sind alle Steuerbescheide änderbar - hier kommt es auf die Gewerbesteuermessbescheide an, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen. Auch Bescheide, gegen die fristgemäß Einspruch eingelegt wurde, lassen sich ändern oder aufheben. Und selbst Bescheide, die bestandskräftig sind, können angegriffen werden, wenn "neue Tatsachen vorgetragen werden. Also ein vergessener Einspruch oder auch die ursprüngliche Akzeptanz der Gewerblichkeit sind unter Umständen korrigierbar.

BRENNER: Auch hier hilft die Vorlage eines Gutachtens. Der Sachverständige untersucht neben den vom BFH definierten Anforderungen das ingenieurmäßige Vorgehen des Informatikers und sein wissenschaftlich orientiertes Arbeiten. Mit Synopsen werden eine ausführliche Ausbildungsanalyse vorgenommen und Tätigkeiten, Verträge sowie Rechnungen bewertet. Ist das Ergebnis des Gutachtens positiv, steht einer Anerkennung als Freiberufler nichts mehr im Weg.

CW: Gibt es gesetzliche Änderungen, auf die sich die Freiberufler 2004 einstellen müssen?

BRENNER: Die Anforderungen an die Rechnungsstellung werden erweitert: Künftig muss jede Rechnung zusätzlich zwingend die Steuernummer des Rechnungsausstellers oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und eine fortlaufende Rechnungsnummer enthalten. Um Säumniszuschläge zu verhindern, ist die Abschaffung der fünftägigen Abgabeschonfrist zu beachten.

*Peter Brenner ist Unternehmensberater in Köln.

Dr. Benno Grunewald ist Rechtsanwalt in Bremen. Beide sind Vorstandsmitglieder im Berufsverband Selbständige in der Informatik (www.bvsi.de).