Finanzdaten mit XBRL austauschen

06.04.2005
Von Claus Hoffmann
Mit XBRL kristallisiert sich ein Standard für Finanzdaten heraus. Er erlaubt den Austausch von digitalen Geschäftsberichten zwischen Banken, Unternehmen, Finanzämtern und Steuerberatern.

Die Verarbeitung von Finanzinformationen zwischen Unternehmen, Wirtschaftsprüfern, Behörden und Banken hat bisher nur einen geringen Automatisierungsgrad erreicht. Während beispielsweise der beleglose Zahlungsverkehr heute vollständig automatisiert ist und internationale Überweisungen ohne manuelle Eingriffe innerhalb von wenigen Sekunden ermöglicht, funktioniert die Übermittlung von Jahresabschlüssen eines Unternehmens an die eigene Bank im Prinzip immer noch wie vor 100 Jahren. Der Abschluss wird auf Papier erstellt, unterschrieben und der Bank übermittelt. Dort wird er geprüft und manuell in die Systeme der Bank eingegeben. Ein Vorgang, der je nach Institut zwischen ein paar Tagen und mehreren Wochen benötigt. Alle weiteren am Abschluss beteiligten Personen, wie der Geschäftsführer, der Steuerberater und der Wirtschaftsprüfer nutzen ebenfalls den gedruckten Jahresabschluss zu ihrer Kommunikation. Eine Reihe kostspieliger und zeitraubender Medienbrüche wird unnötigerweise in Kauf genommen. Denn sowohl der Steuerberater, als auch das Geldinstitut benötigen und besitzen die Informationen in elektronischer Form.

Vorteile für alle Beteiligten

Das Problem existiert nicht nur für Banken und Unternehmen, sondern für alle Institutionen, die Finanzinformationen verarbeiten müssen, also Teil der so genannten Financial-Information-Supply-Chain sind. Dazu zählen die Finanzämter, die jedes Jahr eine Vielzahl von Steuerbilanzen prüfen müssen, Investoren, die anhand der Handelsbilanz versuchen, die Chancen eines Unternehmens zu bewerten, Handelsgerichte, die zur Aufbewahrung und Bereitstellung von Unternehmensbilanzen verpflichtet sind, der Bundesanzeiger, der alle Pflichtveröffentlichungen von deutschen Unternehmen vornimmt, und viele weitere Interessenten.

Die Anforderung, Finanzinformationen maschinell austauschen zu können, existiert prinzipiell, seit es EDV gibt. Warum existierte bisher keine Lösung für dieses Problem? Zur Antwort ist ein kleiner Exkurs in das Bilanzrecht erforderlich. Weltweit gibt es zahlreiche gesetzliche Bilanzierungsstandards, die in verschiedenen Ländern als Pflichtstandard anzuwenden sind. Die bekanntesten sind US-GAAP (United States Generally Accecpted Accounting Principles) die in den USA weit verbreitet sind, und IAS (International Accounting Standards). Eine in sich abgeschlossene Vorschrift für einen deutschen Bilanzierungsstandard, analog zu US-GAAP, gibt es in dieser Form nicht. Deutsche Bilanzen richten sich nach den Vorgaben des Handelsgesetzbuches (HGB) und je nach Gesellschaftsform weiteren Gesetzen wie etwa dem Deutschen Aktiengesetz (AktG) sowie diversen steuerlichen Vorschriften.

Langer Weg zum Standard

Bis 2002 war es nicht gelungen, ein Standardformat zu definieren, das es ermöglicht, Finanzinformationen elektronisch auszutauschen und dabei alle Vorgaben des HGB und der diversen anderen Gesetze umzusetzen. Vor drei Jahren wurde das gesuchte Standardformat endlich fertig gestellt und in Ausprägungen für das deutsche Bilanzrecht verabschiedet. Der Standard heißt Extensible Business Reporting Language (XBRL), was frei übersetzt "erweiterbare Sprache für Geschäftsberichte" bedeutet.

In XBRL sind alle Angaben vorgesehen, die deutsche Unternehmen (zumindest für den Einzelabschluss) zu berücksichtigen haben, und zusätzlich auch solche, die über die Pflichtangaben hinaus Verwendung finden können. Die Inhalte eines solchen XBRL-Geschäftsberichtes reichen somit für alle Beteiligten, also Steuerberater, Wirtschaftsprüfer aber auch Banken und Behörden, vollkommen aus. Damit stellt XBRL ein Datenaustauschformat dar, das die im ersten Abschnitt beschriebene Verarbeitung von Bilanzinformationen unter Vermeidung jeglicher Medienbrüche ermöglicht. XBRL ist ein offener Standard und kann damit von jedem Unternehmen ohne Lizenzkosten genutzt werden.

Wer steht hinter XBRL?

Im August 1999 wurde die Organisation XBRL in den USA gegründet. Ziel war (und ist) es, XBRL als Standard für den Austausch von Finanzinformationen zu positionieren. Die Gründungsmitglieder waren die AICPA (American Institute of Certified Public Accountants), Arthur Andersen, Deloitte & Touche, Ernst & Young, Edgar Online, FRx Software, Great Plains, KPMG, Cohen Computer Consulting, Microsoft, PriceWaterhouseCoopers und The Woodburn Group. Im Juli 2000 wurde die erste XBRL-Spezifikation der Öffentlichkeit vorgestellt.

Der deutsche Ableger, XBRL Deutschland e.V., wurde im Juli 2001 gegründet und hat zurzeit 32 Mitglieder. Dazu zählen die Deutsche Bundesbank, die Deutsche Börse, die Bayerische Hypo- und Vereinsbank, die Deutsche Bank, die Datev, Ernst & Young, KPMG, SAP, die S&N AG sowie Vertreter der Bundesministerien für Justiz und Finanzen. In über 15 Ländern gibt es zurzeit XBRL-Organisationen, die an der Umsetzung von XBRL-Standards für das jeweilige nationale Bilanzierungsrecht arbeiten. Dabei wurden bereits viele Erfolge erzielt.

XBRL-Pflicht in Holland

So ist für börsennotierte niederländische Unternehmen die Übergabe der Bilanzen im XBRL-Format seit Anfang 2005 Pflicht. Die Deutsche Bundesbank stellt Banken einen Datenpool zur Verfügung, der über 900 000 Jahresabschlüsse von deutschen Unternehmen im XBRL-Format beinhaltet. Die Datev unterstützt ebenfalls XBRL. Datev-Kunden können sich damit auf Wunsch ihren Jahresabschluss in dem Standard erstellen lassen. Auch die SAP hat bereits XBRL-Lösungen im Portfolio.

Die Deutsche Börse hat zusammen mit der S&N AG ein Portal realisiert, das es Unternehmen, die dem Prime Standard der Deutschen Börse unterliegen, erlaubt, ihre Quartalsberichte in XBRL zu veröffentlichen. Die Anwendung zeigt das Potenzial, das in diesem neuen Standard steckt. Die XBRL-Daten können automatisch in HTML, PDF und Excel konvertiert und dargestellt werden. Peer-Gruppen-Vergleiche und historische Analysten der Daten sind ebenso möglich wie die Berechnung und grafische Darstellung verschiedener wichtiger Bilanzkennzahlen.

Die Deutsche Börse möchte mit ihrer XBRL-Initiative besonders kleineren Unternehmen eine Plattform bieten, die es ihnen erlaubt, ihre Zahlen in einheitlicher Form vielen Analysten und Investoren zur Verfügung zu stellen. Das Portal ist ohne Anmeldung kostenlos nutzbar.

Die Vorteile von XBRL

Die vollautomatische Übernahme der Finanzdaten in die Systeme der Abnehmer bietet eine Reihe von Vorteilen. Der Wegfall der manuellen Neuerfassung spart nicht nur Zeit und Kosten ein. Eine wesentliche Fehlerquelle wird ebenfalls eliminiert. Bilanzanalysten können sich ihrer eigentlichen Tätigkeit widmen und Daten analysieren, anstatt ihre Zeit mit der erneuten Erfassung zu vergeuden. Neben der genauen Beschreibung der Informationen bietet XBRL zahlreiche Prüfmöglichkeiten, die auf die Daten angewandt werden können. Somit kann auf einfache Weise die Vollständigkeit und Konsistenz der erhaltenen Informationen überprüft werden. In Anbetracht der Tatsache, dass etwa der Geschäftbericht 2004 von Daimler Chrysler 182 Seiten umfasst, ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber einer manuellen Prüfung.

Nicht jedes System ist in der Lage, XBRL zu verarbeiten. Da XBRL auf XML basiert sind Konvertierungen der Daten in die gewünschten Endformate problemlos möglich. Die meisten gängigen Programmiersprachen haben entsprechende Werkzeuge zur XML-Verarbeitung bereits in der Basisversion an Bord. In Anbetracht des mit Basel II zu erwartenden höheren Informationsbedarfs der Banken ist man mit der Nutzung von XBRL auf der sicheren Seite. (ws)