Finanzaemter entscheiden nicht einheitlich Weg in die Selbstaendigkeit ist mit Ueberraschungen gepflastert

01.07.1994

MUENCHEN (CW) - Freiberufler oder Gewerbetreibender? Datenverarbeiter, die sich oft nicht ganz freiwillig fuer ihr Dasein als Selbstaendige entschieden haben, muessen feststellen, dass selbst diese einfache Frage ihre Tuecken hat. Ein Beispiel soll dies belegen.

Thomas Becker* aus Koeln ist Diplominformatiker und arbeitet seit drei Jahren selbstaendig in der DV. Er holte sich gleich nach Beginn seiner neuen Karriere einen Gewerbeschein vom Finanzamt.

Schon beim ersten Projekt fuer ein Softwarehaus stellte er fest, dass einer seiner freiberuflichen Kollegen, ein Diplommathematiker, fuer vergleichbare Arbeit zwar denselben Stundenlohn erhielt, aber keine Gewerbesteuer zahlte. Sein Finanzamt hatte ihn anstandslos als Freiberufler anerkannt.

Das Einkommensteuergesetz (EStG) klingt zwar sehr einleuchtend, laesst aber Interpretationen zu, so dass es vom Freiberufler abhaengt, wie er seine Taetigkeit der Behoerde verkauft.

Im Paragraph 18 EStG, heisst es, dass der Freiberufler ein staatliches Diplom benoetige und eine selbstaendige wissenschaftliche Taetigkeit ausueben muesse. Nicht darunter faellt aber die Entwicklung von Anwendersoftware und die Beratung zur Verwendung bereits vorhandener DV-Anlagen.

Im Paragraph 15, Absatz 4 heisst es dazu unter anderem:

"Nach der Rechtsprechung des BFH (Bundesfinanzhofes) sind unter Abgrenzung gegenueber der selbstaendigen Arbeit im Sinne des n 18 EStG gewerblich taetig:

- Berater fuer Datenverabeitung; bei Beratung zur Verwendung bereits vorhandener Anlagen;

- DV-Berater bei der Entwicklung von Computeranwendungsprogrammen."

Die Taetigkeit des freiberuflichen Computerprofis muss dem Ingenieurberuf aehnlich sein. Im Paragraph 15, EStG steht:

"Dagegen uebt ein selbstaendig taetiger Diplominformatiker oder Diplommathematiker, falls seine Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, eine dem Ingenieurberuf aehnliche freiberufliche Taetigkeit aus, wenn er sogenannte Systemanalysen erarbeitet, aus denen sich ergibt, ob gewisse betriebliche Prozesse mit Hilfe von EDV-Anlagen vollziehbar sind; ... die Herstellung von Software ist dagegen nicht ausreichend."

In der Praxis sieht es aber oft so aus, dass sich die Arbeit des Selbstaendigen aus einer Mischung von freiberuflicher und gewerblicher Taetigkeit zusammensetzt. In diesem Fall muessen die jeweiligen Anteile getrennt aufgezeichnet werden.

Paragraph 18 formuliert diplomatisch:

"Uebt ein Steuerpflichtiger Taetigkeiten aus, die ihrer Arbeit nach teils als freiberufliche, teils als gewerbliche Taetigkeiten angesehen werden muessten, so sind die aus jeder dieser Taetigkeiten entspringenden Einkuenfte nach Moeglichkeit getrennt zu erfassen. Lassen sich die einzelnen Taetigkeiten nicht trennen, so ist aufgrund einer Wuerdigung aller Umstaende des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Gesamttaetigkeit eine freiberufliche oder eine gewerbliche ist."

Wenn also der Freiberufler sowohl Anwendersoftware als auch Betriebssysteme entwickelt, faellt die Software-Entwicklung unter die gewerblichen Taetigkeiten und unterliegt der Gewerbesteuer, die Betriebssystem-Entwicklung zaehlt dagegen als freiberufliche Taetigkeit.

Liegen die Voraussetzungen fuer eine freiberufliche Taetigkeit vor, so ist eine Gewerbeanmeldung bei der Stadtverwaltung beziehungsweise dem Gewerbeamt nicht notwendig, da sonst automatisch Gewerbesteuer erhoben wird. Lediglich dem Finanzamt muss der Freiberufler die entsprechende Diplomurkunde vorlegen.

*Name und Ort von der Redaktion geaendert.