Filmbosse zittern

23.02.2001
Die Filmindustrie zittert: Ein zwei Stunden langer Kinofilm auf DVD kann in Heimarbeit so bearbeitet werden, dass er auf einen einzigen, handelsüblichen CD-Rohling passt - und so komprimiert im Internet zum Download angeboten werden.

Bis vor einigen Monaten wähnte sich die Filmbranche noch einigermaßen in Sicherheit: Vor einem Raubkopierer-Boom in großem Stil glaubte man sich geschützt, da ein kompletter Kopiervorgang von Videos auf DVD zu zeitaufwändig ist, der Inhalt einer Scheibe viel Speicherplatz auf der Festplatte benötigt und der Streifen auf mindestens zehn Video-CDs verteilt werden muss.

Keeanu Reeves in Matrix
Keeanu Reeves in Matrix

Das hat sich geändert. Trendsetter unter den neuen Codecs (Software zur Komprimierung/Dekomprimierung) ist Divx. Die Macher der Software, Ex-Hacker und Gründer des Unternehmens "The Project Mayo", knackten eigenen Angaben zufolge Microsofts Videokompressions-Verfahren MPEG 4 und aktivierten die AVI-Schreibfunktionen. Sie schufen damit ein Tool, das für die Komprimierung von Videodateien ähnlich bedeutend werden kann wie MP3 für Audiofiles. Divx verkleinert die Files um den Faktor zehn bis zwölf, und das ohne merklichen Qualitätsverlust. Ein zweistündiger Kinofilm mit fast 6 GB Speicherplatz benötigt damit unter 700 MB - und passt so locker auf die Festplatte und auf eine handelsübliche CD-R.

Das Vorgehen beim Kopieren in aller Kürze: Der Film wird zunächst von DVD auf Festplatte "gerippt", das heißt, der Kopierschutz wird entfernt und der Inhalt auf der Festplatte gespeichert. Danach wird das Divx-Video erstellt, und am Schluss muss derzeit noch der Ton komprimiert und synchronisiert werden. Das klingt einfacher, als es für Otto Normalanwender ist. Es erfordert etwas technisches Geschick, einen schnellen Rechner (500 Megahertz) und vor allem Zeit: sowohl für die Abrufzeit aus dem Internet als auch beim Kopieren einer DVD auf CD. Noch sind für eine akzeptable Downloadzeit von Divx-Filmen aus dem Internet Hochgeschwindigkeits-Zugänge wie DSL oder Kabel nötig - und auch dann dauert das Herunterladen noch zwischen einer und zwei Stunden. Für die nächsten Schritte braucht es einige Handarbeit, da geeignete Tools noch Mangelware sind. Den Spezialisten des Webzines "Tecchannel" zufolge muss für das Kopieren einer DVD auf CD ein Zeitaufwand von fünf bis 13 Stunden veranschlagt werden - je nach Rechnerausstattung.

Technik-Freaks stört der Aufwand indes nicht. Und so stehen zahlreiche Streifen, die in Deutschland noch gar nicht in den Kinos sind, in den USA schon als DVD in den Läden und wenig später zum Download im Internet. So geschehen beispielsweise bei "Meine Braut, ihr Vater und ich", der in den USA unter dem Titel "Meet the Parents" erschien. Die Anwälte der Filmindustrie beobachten die Szene mit Argusaugen: Denn die Kopierwerkzeuge lassen sich immer einfacher handhaben, und die Qualität wird immer besser. Und Project Mayo macht mobil: Die Betreiber veröffentlichten den Quellcode des Divx-Codecs ("Open Divx") und wollen in Kooperation mit den einzelnen Entwicklern einen optimierten, vielseitigen Video-Codec ("Divx Deux") auf den Weg bringen. Ein Alptraum für Hollywood: Werden doch jetzt schon laut Motion Picture Association of America (MPAA), einer Lobbygruppe der US-Medienindustrie, pro Tag weltweit rund 300000 Raubkopien heruntergeladen. Die rechtliche Situation Deutschen Rechtsexperten zufolge darf von einer rechtmäßig gekauften DVD eine Kopie für den privaten Gebrauch erstellt werden - auch wenn dazu der Kopierschutz entfernt werden muss. Eindeutig illegal ist es aber, diese Kopien zu verkaufen oder zu tauschen.