Filenet-CEO Roberts: „Wir haben alles für den Erfolg getan“

02.09.2002
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Gegensatz zu vielen anderen Softwarefirmen trotzt der US-amerikanische DMS-Spezialist Filenet mit vergleichsweise guten Umsatz- und Gewinnzahlen der Krise im IT-Markt. CEO und Chairman Lee Roberts erläuterte im Gespräch mit CW-Redakteur Gerhard Holzwart seine Strategie.

CW: Das Geschäft mit Dokumenten-Management-Systemen (DMS) läuft derzeit für die einschlägigen Anbieter alles andere als gut. Zumindest drängt sich dieser Eindruck auf, wenn man die jüngsten Ereignisse um die deutschen Softwarehäuser SER Systems und Ceyoniq in Betracht zieht. Ist dies allein mit der Krise im Softwaremarkt zu erklären oder spielen auch andere Einflüsse eine Rolle? ROBERTS: Ich denke, dass Sie mit Ihrer Frage gleich einen Teil der Antwort geliefert haben. Bei den von Ihnen genannten Firmen kamen strategische Management-Fehler und vielleicht auch kriminelle Machenschaften zum Tragen; letzteres möchte ich aber nicht weiter kommentieren. Insofern sind dies jeweils individuell zu betrachtende Vorgänge. Ich stimme mit Ihnen nicht darin überein, dass der DMS-Markt - wenn man ihn noch so bezeichnen möchte - schlechte Perspektiven hat, sieht man einmal von der derzeit allgemein zu beobachtenden Investitionszurückhaltung vieler Kunden ab.

CW: Was verstehen Sie unter strategischen Management-Fehlern, die Sie ihren beiden gescheiterten deutschen Wettbewerbern ankreiden? ROBERTS: Lassen Sie mich darauf diplomatisch antworten, indem ich Ihnen die Gründe für den Erfolg unserer Company nenne. Filenet ist bekanntlich mit am längsten im DMS-Markt aktiv und hat sich über die Jahre von einem reinen Imaging- und Archiv-Spezialisten zu einem Lösungsanbieter im Bereich Enterprise-Content- und Business-Process-Management gewandelt. Dabei haben wir mit unserer Produktstrategie den Anforderungen Rechnung getragen, die heute den Markt prägen: Die Kunden wollen eine geringere Total Cost of Ownership, sie wollen nach Möglichkeit alles aus einer Hand - und sie benötigen eine einheitliche Infrastruktur für die Verwaltung immer größerer Bestände an Daten und Dokumenten.

CW: Tut mir Leid, aber auch SER und Ceyoniq hatten sich die Themen Enterprise-Content-Management oder Knowledge-Management auf ihre Fahnen geschrieben. ROBERTS: Aber offensichtlich für ihre Kunden nicht überzeugend genug dargestellt und gelebt. Ich sage noch einmal: Es reicht heute nicht mehr, ein Archivsystem als Insellösung zu verkaufen. Sie müssen Dokumente in die jeweilige Legacy-Umgebung, also in den Workflow integrieren können. Und dafür benötigen Sie die entsprechenden neuen Produkte - etwa im Bereich Web-Content-Management oder Enterprise-Application-Integration (EAI). Hinzu kommt: Wir arbeiten stärker denn je mit den großen Systemintegratoren zusammen, um unsere Systeme beispielsweise an die SAP- oder Siebel-Welt anzupassen.

CW: Was die Integration von Archivsystemen in SAP angeht, bietet dies schon seit Jahren die Ixos AG an. Was ist daran so neu? ROBERTS: Ich kann mich nur erneut wiederholen: Das Entscheidende ist, dass wir heute nicht mehr nur von Archivlösungen reden, sondern von Enterprise-Content-Management.

CW: Und was steckt hinter dieser Marketing-Formel? ROBERTS: Das ist keine Marketing-Formel, sondern die Beschreibung der Realität bei den Kunden. Nehmen Sie nur eine große Bank oder eine öffentliche Behörde. Wenn Sie es konkreter haben wollen, dann reden wir hier von der digitalen Kontoführung oder vom elektronischen Krankenschein, der Passverlängerung oder was auch immer. Oder nehmen Sie den Außendienst eines großen Versicherers. Immer mehr Internet-basierte Prozesse erfordern ein völlig neues Verständnis der digitalen Pflege und Verwaltung von Dokumenten.

CW: Würde das Hohelied, dass Sie da auf den DMS-Markt neuer Prägung singen, zutreffend sein, müssten die Umsätze von Filenet und die anderer DMS-Anbieter geradezu explodieren.ROBERTS: Ich denke, dass wir uns - bezogen auf die letzten drei Quartale - in puncto Wachstum und Ertrag nicht verstecken müssen. Ansonsten hatte ich ja eben betont, wie wichtig für uns die Zusammenarbeit mit großen Partnern im Systemintegrationsbereich ist. Der Bedarf im Markt ist in der Tat so groß, dass Sie ihn als verhältnismäßig kleines Softwarehaus heute nicht mehr alleine befriedigen können. Und, das sollte man auch noch einmal unterstreichen, Sie können heutzutage keine Technologie mehr verkaufen, sondern ausschließlich Lösungen.

CW: Was macht Sie so sicher, dass Sie in diesem Geschäft auch künftig zu den Gewinnern zählen? ROBERTS: Sicherheit gibt es im Business nie. Aber wir haben alles für den Erfolg getan. Wir haben unsere Kostenstruktur angepasst, als andere noch nichts von der Krise wissen wollten. Jedoch haben wir nicht dort gespart, wo viele Softwarefirmen dann, als der Markt richtig eingebrochen ist, um so stärker die Axt anlegen mussten: bei der Entwicklung und im Vertrieb. Wenn wir heute immer noch 20 Prozent des Umsatzes in die Weiterentwicklung unserer Produkte investieren, spricht dies doch Bände. Und was noch wichtiger ist: Unsere Kunden honorieren das.