Festpreisregelungen sind nicht immer das Richtige Erfolgsbeteiligungen zwingen Anbieter zu optimaler Leistung

11.02.1994

IT-Dienstleister, die fuer Kunden die Datenverarbeitung betreuen, tragen eine grosse Verantwortung. Warum also, fragt Horst Graeber*, soll der Kunde seinen Serviceanbieter nicht auch in die Verantwortung nehmen? Festpreisregelungen helfen da nicht weiter. Vielmehr sollten Vertraege geschlossen werden, die den Dienstleister an Erfolg oder Misserfolg des Kunden beteiligen.

Eine Wettbewerbsposition langfristig zu sichern ist eine Herausforderung, die sich nicht nur der Unternehmensleitung, sondern auch dem Management der Informationstechnologie (IT) stellt. Vor dem Hintergrund der gegenwaertigen Marktsituation, die von konjunktureller Krise, Saettigung in vielen Bereichen, neuen Konkurrenzverhaeltnissen und veraenderten Kooperationsformen gepraegt ist, muss die IT einen Beitrag leisten, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und neue Prozesse gezielt zu gestalten.

Es stehen Entscheidungen an, deren Tragweite dem Management veraenderungsbereiter Unternehmen bewusst ist. Ihnen reichen IT- Partner, die eine DV-Leistung "aus der Steckdose" liefern, nicht mehr aus. Professionelles System-Management ist nur eine Seite der Medaille; das sogenannte Cosourcing, eine Fortschreibung unternehmerischer Kooperation ueber die bisher bekannten Grenzen hinaus, ist die andere.

Das Neue an dieser Variante ist die variable Preisgestaltung bestimmter Komponenten. Sie richtet sich nach dem Beitrag des Dienstleisters zur Wertschoepfung des Kunden. Es geht also um eine neue Form der Zusammenarbeit, deren Ziel es ist, Investitionen und Risiken in Kundenprojekten zu teilen. Gleichzeitig kann Cosourcing als gezielte Reaktion auf die zunehmend diffuseren Verhaeltnisse im IT-Servicemarkt betrachtet werden.

Zahllose neue Player suchen ihre Chance im Wachstumssegment Outsourcing. Dabei machen ungeklaerte Definitionen eine Abgrenzung der Angebote nahezu unmoeglich. Dadurch wird Outsourcing- Interessenten die Wahl eines geeigneten Dienstleistungspartners nahezu unmoeglich gemacht. Dieser Missstand wiegt um so schwerer, als sich das pauschal propagierte Kostensenkungsversprechen laengst ad absurdum gefuehrt hat (siehe auch CW Nr. 1 vom 7. Januar 1994, Seite 1: "Outsourcing-Kunden ueber Abhaengigkeit beunruhigt").

Um zur Wertschoepfung des Kunden beizutragen, muss der IT-Anbieter ein Dienstleistungsspektrum aufbringen, das umfassend und variabel auf die Kundenbeduerfnisse ausgerichtet werden kann. Neben das klassische Leistungsportfolio, zu dem IT-Consulting, Systementwicklung, Systemintegration und System-Management gehoeren, treten neue Aktivitaeten zur Optimierung der Wertschoepfungskette des Kunden.

Dazu zaehlen Business Consulting, Prozessdesign, Re-Engineering und das Management von Geschaeftsprozessen. Dieser ganzheitliche Consulting-Ansatz schafft die Plattform fuer ein Cosourcing. Ausgehend von einer klassischen Strategie- und Organisationsberatung, ermittelt der IT-Partner Schwachstellen und Erfolgspotentiale des Kunden. Ueber Re-Engineering-Massnahmen, den strategisch gezielten IT-Einsatz und die Verantwortung fuer definierte Geschaeftsprozesse leistet der externe Partner einen signifikanten Beitrag zum Unternehmenserfolg.

Damit wird die eigentliche Intention des Kunden umfassend unterstuetzt: die gezielte, qualitative Verbesserung des Kerngeschaefts. Verantwortung zu uebernehmen bedeutet aber auch, Risiken zu tragen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, die Verguetung in einem Cosourcing-Vertrag an den Erfolg des Kunden zu koppeln.

Anstelle der beim System-Management ueblichen Festpreisvereinbarung tritt ein neues Vertragskonzept. Neben einem garantierten Fixum ist die Verguetung von messbaren Indikatoren abhaengig. Der jeweilige Einzelfall bestimmt die Parameter: Geeignet sind Messgroessen wie verkuerzte Auftragsdurchlaufzeit, erhoehte Lagerumschlagshaeufigkeit, reduzierte Fehlerquote in der Versandabwicklung oder verbessertes Inkasso.

In jedem Fall hat der Kunde die Wahlfreiheit. Er entscheidet aufgrund seiner Zielsetzung, ob er die klassische Festpreisvariante oder das variable Cosourcing-Modell bevorzugt. Beispiele fuer eine Cosourcing-Entscheidung gibt es aus unterschiedlichen Branchen und Aufgabengebieten. So hat etwa ein in Frankfurt ansaessiges Kreditinstitut seine Scheckverarbeitung ueber einen solchen Beteiligungsvertrag geregelt.

Die Einnahmen des Dienstleisters sind hier an die Zinsgewinne gekoppelt, die aus der schnellen Verarbeitung der Schecks resultieren. Fuer die spanische Stadt Sevilla betreut EDS ebenso wie fuer Chikago und London das System der Strafmandat-Abwicklung. Der variable Teil der Verguetung ist vom erfolgreichen Inkasso bei den Verkehrssuendern abhaengig.

Fuer Memorex Telex betreiben wir weltweit die Distributionslogistik inklusive Lagerhaltung und Versandabwicklung. Dabei konnte das Intervall zwischen Bestelleingang und Auslieferung von durchschnittlich zwei Wochen auf zwei Tage verkuerzt werden. EDS teilt Gewinn und Verlust nach einem differenzierten Schluessel mit der Vertriebsorganisation des Kunden.

Bei der Vertragsgestaltung gibt es keine allgemeingueltigen Standards. Gemeinsam ist den Cosourcing-Vertraegen die spezifische Ausrichtung an Branche und Kunde. Deshalb schwankt der Anteil der variablen Komponente je nach Auftrag in Abhaengigkeit von der konkreten Aufgabenstellung, vom Risiko, der gemeinsam prognostizierten Geschaeftsentwicklung sowie individuellen Einflussgroessen. Die Bewertungskriterien fuer die Verguetung orientieren sich an nachweisbaren Wertmassstaeben fuer den Kunden.