Festpreis für Software Projekte: Persilschein oder Rohrkrepierer?

21.08.1981

Keine Seltenheit sind Software-Macher und DV-Berater, die bei der Frage nach dem Festpreis von DV-Projekten unsicher mit den Achseln zucken. Preisofferten, weiß auch Frank P. Sempert (Gesma, Frankfurt), die in Form von Kurzbeschreibungen seitens des Anwenders und Festangeboten der Anbieter losgelassen werden, können sich für beide Parteien als "Rohrkrepierer" erweisen. Zu viele, für den Anwender bisweilen recht kostspielige Erfahrungen sprächen dagegen, daß sich Preis und Dauer im avisierten Rahmen hielten. Insbesondere bei komplexen Neuentwicklungen ließen sich die zu erwartenden Projekt-Kosten kaum eingrenzen. "Hände weg von Festpreisvereinbarungen mit Erwartungsspielraum", warnt denn auch CSG-Chef Joachim Brettschneider. Mangelnde Sorgfalt und Übersicht bei der Festlegung einer Aufgabe würden allzu häufig in einer permanenten gegenläufigen Beweisführung münden.

Frank P. Sempert Geschäftsführer, Gesma Gesellschaft für Software und Marketing GmbH, Frankfurt

Festpreisofferten in der immer noch häufig anzutreffenden Form, daß der Anwender kurz beschreibt, was er will, und der Software-Anbieter darauf ein Angebot mit festen Terminen und Preisen macht, können sich unter Umständen als ein böses Abenteuer für beide Seiten erweisen. Das gilt insbesondere bei Neuentwicklungen komplexer oder integrierter Systeme.

Sieht man einmal von Ergänzungen bestehender Programme oder der Entwicklung einfacher Programme in einer kalkulierbaren Größenordnung von etwa 10 bis 15 000 Mark Gestehungskosten ab, so lassen sich mit solchen Offerten die zu erwartenden Kosten kaum eingrenzen. Zu viele, die den Anwender bisweilen recht kostspielige Erfahrungen sprechen dagegen, daß solche Erwartungen sich erfüllen.

Ein Anwender, der für ihn klar definierte Software-Probleme gelöst sehen will, sollte sein Augenmerk zunächst auf fertig angebotene Produkte lenken. Nur so, wenn auch vielleicht mit einigen Kompromissen, kann sein Bedarf an kurzfristig entscheidbaren Software-Investitionen auf realistischer Grundlage erfüllt werden.

Kommt ein fertiges Produkt im konkreten Fall nicht in Betracht so sollte man im beiderseitigen Interesse schrittweise vorgehen. Im Normalfall steht am Anfang eine Durchführbarkeits-Analyse, es folgen der Entwurf und schließlich die Realisierung. Jede dieser Phasen ist in Abhängigkeit von den Ergebnissen der vorherigen auf Festpreis kalkulierbar, wobei die Durchführbarkeits-Analyse in aller Regel geringe Kosten verursachen dürfte.

Eine solche Durchführbarkeits-Analyse bietet dem Anwender die Gewähr, daß sein Softwareproblem sich überhaupt realisieren läßt. Der Anbieter andererseits kann auf dieser Grundlage die Kosten des Entwurfs besser kalkulieren. Der Entwurf wiederum entsprechend verifiziert und genehmigt - bietet eine verläßliche Basis, auch die Realisierungsphase kostenmäßig in den Griff zu bekommen.

Der Vorteil für die Vertragspartner liegt auf der Hand: Beide Seiten erhalten vor Aufnahme der Produktion verläßliche Termin- und Kostenvorgaben. Unter Umständen können sie das Projekt aufgrund der Stufenergebnisse sogar vorzeitig abbrechen, was immer noch billiger sein kann, als es um jeden Preis durchzuziehen.

Werner Ludewig Geschäftsführer, BCD Beratung- und Computerdienst GmbH, Frankfurt

Wenn die Frage nach der Form der Berechnung von Dienstleistungen gestellt wird, nämlich: Abrechnung auf der Grundlage geleisteter Stunden oder Abrechnung auf der Grundlage eines Festpreises, ist die Antwort zwiespältig. Aus der Sicht des Auftraggebers liegt eindeutig das Bestreben nach Abrechnung zu Festpreisen vor. Dieses hat mehrere Gründe: Einerseits sind die Auftragskosten von vornherein bekannt. Andererseits verspricht sich der Auftraggeber eine Sicherheit in der terminlichen Abwicklung des Auftrages. Außerdem wird das Risiko der Ergebnisdarstellung weitgehend auf den Auftragnehmer verlagert.

Dagegen steht die Meinung des Auftragnehmers. Er ist bestrebt, für die tatsächlich geleisteten Aufwendungen das entsprechende Entgelt zu erhalten. Diese Aufwendungen sind sehr schwer von vornherein abzuschätzen, vor allem dann, wenn der Auftrag nicht ausreichend formuliert oder noch eine umfassendere Lösung der Probleme angestrebt wird. Hinzu kommt, daß der Berater weitgehend abhängig ist von den Informationen, die der Auftraggeber ihm zur Durchführung seines Auftrages schuldet. Dieses sowohl hinsichtlich des Umfanges, der Tiefe, der Aktualität und der Qualität, wie auch bezüglich der Präzisierung des Auftragszieles und Auftragsinhaltes.

Um trotzdem dem Auftraggeber entgegenzukommen, können von Seiten des Beraters gewisse Voraussetzungen geschaffen werden.

- Kritisch-analytische Darstellung der Problematik und damit des Auftragsinhaltes auf der Grundlage eines ausgereiften Erfahrungswissens seitens des Beraters. Damit ist die Grundlage geschaffen für eine präzise und inhaltlich ausgewogene Darstellung des Auftrages, mit Zielsetzung und Ergebnisbeschreibung.

- Sinnvolle Gliederung des Gesamtkonzeptes in überschaubare Teilprojekte. Danach kann ein Terminplan erstellt werden, der unter anderem auch Auskunft gibt über die vom Auftraggeber unbeeinflußbaren und beeinflußbaren Phasen des Projektes.

- Weitgehende Verwendung erprobter Formen wie Fragenkatalog, Formulare, Gestaltungsprämissen oder Pflichtenhefte, um einmal die Informationsbeschaffung zielgerichtet, ausreichend und prüfbar zu gestalten und um den Gestaltungsprozeß zu beschleunigen.

Diese Prämissen gelten gleichfalls in vollem Umfang auch für partielle Beratungsaufträge wie etwa Gutachten, Unternehmensanalysen, Anlagen- und Software-Auswahl und dergleichen. Selbst wenn die aufgezeigten Voraussetzungen gegeben sind, beinhalten die Festpreise dennoch ihre besondere Problematik. Erst wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und dem Mandanten so gefestigt ist, daß das zweifelsfrei beim Berater liegende größere Risiko durch gegenseitige Vereinbarungen gemildert werden kann, sollte an eine durchgehende Festpreisabrechnung gedacht werden. Dies jedoch stets auf der Grundlage eines präzise formulierten Vertrages.

Horst Böhm Geschäftsführer der Böhm & Salaske Unternehmensberatung GmbH, Gummersbach

In einer Vielzahl von Klein- und Großprojekten haben wir die Erfahrung gemacht, daß entstehende Problematiken weniger mit den Konditionen von Festpreisaufträgen zusammenhängen. Vor allem sind Festpreisaufträge nicht ganz unproblematisch, wenn die Ressourcen im organisatorischen Umfeld des Unternehmens nicht eindeutig definiert werden können.

Bei Festpreisaufträgen ist es wichtig, daß der Auftrag in mehrere, eindeutig voneinander abgegrenzte Phasen und überschaubare Aktivitätsabschnitte gegliedert wird. Der Auftraggeber sollte verlangen, daß bereits in den Vorgesprächen die für den Auftrag zweckmäßigen Methoden, Techniken, Werkzeuge sowie die Ergebnisdarstellung anhand eines Projekt-Phasenkonzeptes festgelegt werden. Die vereinbarten Leistungen und Ergebnisse sollte ein Softwarehaus oder Beratungsunternehmen nach Möglichkeit computerunterstützt dokumentieren. Hier liegen Grundlage und Voraussetzung für weitere Phasen oder Aktivitäten innerhalb eines Auftrages. Im Sinne eines Planungs-, Arbeits- und Kontrollinstruments mit den entsprechenden Checkpoints und anhand von Review-Checklisten können einzelne Tätigkeiten vom Auftraggeber laufend überprüft werden. Somit besteht für ihn die Möglichkeit, hinsichtlich Termine, Qualität und Risiko kontrollierend und steuernd einzugreifen. Außerdem werden die in jedem Projekt entstehenden Abweichungen oder Änderungen (zum Beispiel aufgrund von Benutzerwünschen, Planungsfehlern, internen Verbesserungen, Markt und Umfeld) von beiden Partnern schneller erkannt.

Positive Erfahrungen haben wir bei Aufträgen gesammelt, die in einzelne Teilaufträge gegliedert sind und bei denen der Auftraggeber jeden Teilauftrag einzeln vergibt.

Bezogen auf die Imponderabilien, die mit Realisierungsprojekten immer verbunden sind, ist die stufenweise Auftragsvergabe in überschaubaren Phasen für alle Beteiligten von echtem Vorteil.

Joachim Brettschneider, Geschäftsführer, CSG Costing Software GmbH, München

Das Dilemma ist allgemein und betrifft EDV-Abteilungen in ihren Beziehungen zum Auftraggeber genauso wie Softwarehäuser und Beratungsgesellschaften:

Die Vereinbarung von Festpreisen für EDV-Projekte (Software, Modularprogramme, Beratung) ist grundsätzlich machbar, wenn zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer alle technischen Details eines Projektes vor Vertragsabschluß geklärt sind und gemeinschaftlich zu erbringende Leistungen auf den zeitlichen und inhaltlichen Ablauf der Arbeit keinen bestimmenden Einfluß ausüben.

Leider sieht die Praxis häufig anders aus. Da werden "schludrig" ausgearbeitete Konzeptionen angeboten und akzeptiert, Projektteams gebildet, die aus Mitarbeitern des Auftraggebers und der Beratungsgesellschaft bestehen - in ihrer Leistung also abhängig sind. Es werden fehlende Sachverhalte oder Detailinterpretationen nachgeschoben, die vom Standpunkt einer Fachabteilung zweifelsohne Kleinigkeiten darstellen, in ihrer Realisierung aber oft erhebliche Schwierigkeiten bereiten.

Der Tip für den Auftraggeber: Ja, bei Festpreisen für einen festen Lieferumfang. Hände weg von Festpreisvereinbarungen bei EDV-Projekten mit Erwartungsspielräumen.

Mangelnde Sorgfalt und Übersicht bei der Festlegung der Aufgabe vor einer Festpreisvereinbarung endet allzu oft in einer permanenten gegenläufigen Beweisführung; wer für was, wann verantwortlich war und deshalb "schuld" hat. Welch eine Vergeudung von Zeit, Energie und Geld.

Der Auftraggeber sollte sich eine klar definierte Aufgabe sowohl zum Festpreis, wie auch auf Tagesbasis mit Zeitschätzung anbieten lassen. Die Differenz enthält - neben dem notwendigen Risikozuschlag - den Erwartungsspielraum in Geld ausgedrückt, den es noch zu klären gilt, vorausgesetzt man hat einen leistungsfähigen Partner.

Dr. Dietbert Ehresmann Geschäftsführer, D. O. M. Datenverarbeitung GmbH, Nürnberg

Grundsätzlich stellt die Entwicklung von Individual-Software zu festen Preisen und Terminen keine gravierende Problematik dar. Hierbei sind lediglich bestimmte Bedingungen, sowohl von Seiten des Auftraggebers, als auch des Auftragnehmers, zu erfüllen:

Alle Voraussetzungen müssen vor Abgabe einer Schätzung verbindlich festliegen. Wünscht der Anwender konkrete Vorgaben, sollten diese schrittweise fixiert werden, wobei jede Phase Schätzung und Angebot für die darauffolgende umfassen sollten. Bei Projekten bis zu einem Mannjahr kommt ein Beratungsunternehmen oder Softwarehaus in der Regel mit den Phasen

- Grobkonzept

- Feinkonzept

- Realisierung und Einführung aus. Größere Projekte oder solche von höherer Komplexität sollten jedoch in Teilprojekte aufgelöst werden. Vor allem dann, wenn eine verbindliche Schätzung abgegeben werden soll.

Der Auftraggeber muß eine gleichwertige Herausforderung annehmen, indem er verbindliche Vorgaben vorlegt oder gegenzeichnet. Er muß akzeptieren, daß die einem Angebot zugrundeliegenden Vorlagen eingehalten werden oder daß Mehrungen entstehen können. In der Praxis sollte er im Zeitplan mitwirken: Beim Erstellen oder Abnehmen der Vorgaben, beim Abnehmen von Teilen wie auch des ganzen Systems. Mit dem rechtzeitigen Liefern aller benötigten Informationen, und durch das rechtzeitige Bereitstellen von Testzeit muß er in ausreichendem Maße dem Zeitplan entsprechen.

Der Auftraggeber sollte darauf achten, daß das Softwarehaus einen kompetenten Mann als Projektleiter benennt, der die gesamte Entwicklung eines Projektes begleitet und alle wichtigen Entscheidungen treffen kann.

Werden die genannten Voraussetzungen eingehalten, sind alle Chancen gegeben, ein DV-Projekt zu einen festen Preis und einem exakten Termin abzuwickeln.