Interview

"Festplatte in jedem Schlafzimmer"

10.03.2000
Mit Matthew Massengill, CEO bei Western Digital, sprach CW-Mitarbeiter Wolfgang Miedl

CW: Western Digital zieht sich aus dem Markt für Server-Festplatten zurück und konzentriert sich auf den Endanwendermarkt. Ist mit Festplatten im Business-Bereich kein Geld mehr zu verdienen?

Massengill: Richtig, wir fertigen zwar derzeit noch SCSI-Festplatten, lassen diese Produktlinien aber auslaufen. IBM und Seagate leisten hier großartige Arbeit, für uns sehen wir bessere Möglichkeiten im Endanwendermarkt. Wir wenden uns aber keinesfalls vom Enterprise-Markt ab, wir ändern nur unsere Ausrichtung - weg vom Festplatten-, hin zum Systemgeschäft. In Zukunft werden wir verstärkt NAS- und SAN-Lösungen anbieten. Software spielt in diesem Bereich zukünftig eine ebenso große Rolle wie Hardware.

CW: Mit diesem Geschäft betreten Sie aber völliges Neuland.

Massengill: Nicht ganz. Wir haben vor 14 Monaten das Unternehmen Connex von Adaptec übernommen, um SAN- und NAS-Produkte zu entwickeln. Im Januar haben wir unser erstes Gerät vorgestellt, einen NAS-Server für kleine und mittlere Netzwerke. Außerdem bringen wir im Sommer eine SAN-Management-Software.

CW: Wollen Sie im SAN/NAS-Bereich in Zukunft mit Branchenriesen wie EMC konkurrieren?

Massengill: Nein, wir konzentrieren uns auf Lowcost-Speichersysteme, EMC bietet in diesem Segment keine Produkte an. Unsere NAS-Server liegen im Bereich zwischen 2500 und 25000 Dollar. Derzeit gibt es kaum Anbieter, die im unteren Storage-Segment hochwertige und zuverlässige Produkte offerieren. Und die starke Zunahme von kleineren und mittleren Unternehmensnetzwerken verspricht einen immensen Bedarf an NAS-Produkten.

CW: Festplattenhersteller tun sich zunehmend schwerer, sich von der Konkurrenz abzuheben. Die Unterschiede bei der Leistung und der Kapazität sind heutzutage marginal. Wie wollen Sie sich in Zukunft auf diesem Markt behaupten?

Massengill: Wir sind dabei, unser Geschäft stark zu diversifizieren. So werden wir in Zukunft vermehrt Storage-Management-Lösungen, Internet-Dienste und Plug-and-Play-Festplatten für die IEEE-1394-Schnittstelle anbieten. Um uns im Festplattenmarkt von der Konkurrenz abzuheben, werden wir beispielsweise in Zusammenarbeit mit einem Softwaredistributor Software auf unseren Disks vorinstallieren. Die Anwender können diese Software ohne Installationsprozess testen und nach Bezahlung mit einem Code freischalten. In Zukunft werden wir auch Data-Management-Lösungen anbieten, die es den Anwendern erleichtern sollen, die immer größer werdenden Datenmengen zu organisieren.

CW: Magnetische Speichermedien bekommen zunehmend Konkurrenz durch die viel kleineren und robusteren chipbasierten Produkte wie etwa Compact Flash. Zeichnet sich hier nicht der Tod der deutlich empfindlicheren magnetisch-mechanischen Technologien ab?

Massengill: Schon vor Jahren wurde prophezeit, dass chipbasierte Lösungen die Magnetspeicher ablösen werden. Ich kann mir das aber für die nähere Zukunft nicht vorstellen. Die Speicherdichte pro Platter steigt Jahr für Jahr um etwa 40 Prozent. Mit dem rapiden Kapazitätszuwachs bei gleichzeitig sinkenden Preisen können Flash-Speicher nicht mithalten.

CW: Im Endkundenmarkt herrscht ein regelrechtes Gigabyte-Rennen. Müssen Anwender sich da auf Dauer überhaupt noch Gedanken über Festplatten machen?

Massengill: Es mag paradox klingen, aber mit der ständig wachsenden Bandbreite des Internet wächst auch kontinuierlich der Bedarf an Massenspeicher. In der Vergangenheit kursierte immer wieder die These, dass breitbandige Netze die Bedeutung lokaler Speichermedien schwinden lassen und alle Daten auf Server ausgelagert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Leute laden sich Unmengen von Daten auf ihre Rechner - und die müssen irgendwo gespeichert werden. Die Vorstellung, dass sich schon bald jedes Individuum in unserem Universum mit plattenlosen Surfstations im Web herumtreiben wird, halte ich für absurd. Großer und schneller lokaler Speicher wird auch in Zukunft wichtig sein. Außerdem werden immer mehr Daten digitalisiert - mit digitalem Video und Audio steigt der Speicherbedarf enorm. Ich kann mir gut vorstellen, dass man Festplatten schon bald in jedem Auto, in jedem Flugzeug, in jedem Schlafzimmer, finden wird.