Nutzen der PPS-Systeme hängen vom organisatorischen Stand des Betriebes ab:

Fertigungssteuerung per EDV sehr komplex

08.03.1985

MÜNCHEN (CW) - Kosten- und Nutzenrichtwerte im Bereich der Planung und Steuerung von Fertigungsbetrieben zeigt ein Unternehmen auf, das sich zur Anschaffung eines PPS-Systems entschieden hat. Geltung hätten diese Werte allerdings nur dann, wenn der Anwender vor einer entsprechenden Systeminstallation das Innenleben seines Betriebes mittels einer Checkliste durchleuchtete.

Erst ein verschwindend geringer Teil der mittleren und kleinen Unternehmen nutzt das Werkzeug "EDV" im Fertigungsbereich. Im Durchschnitt sind dies gerade 52 Prozent der Betriebe mit bis zu 1000 Mitarbeitern. Dies ist um so erstaunlicher, da hinsichtlich der Flexibilität der Auftragsabwicklung Klein- und Mittelbetriebe traditionell einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber Großbetrieben haben. Der Grund liegt vielfach in der Tatsache, daß in diesen Betrieben die Auftragsabwicklung mit einer - im positiven Sinne zu interpretierenden - Meisterwirtschaft, welche aufgrund überschaubarer Abwicklungsverhältnisse noch einen bereichsübergreifenden Charakter hat, bewältigt werden kann. Eine Meisterwirtschaft wird zwar in den seltensten Fällen optimale Ergebnisse im Sinne der klassischen Betriebswirtschaft erbringen, sie hat jedoch den unbestreitbaren Vorteil, sich jeder Art von Änderungen im betrieblichen Ablauf kurzfristig anzupassen.

Während in den meisten Betrieben in technischer Hinsicht viel investiert wurde, blieb bei der Ablauforganisation meist alles beim alten. Hier sind die Betriebe vielfach auf dem Stand der Gründerjahre stehengeblieben. Dem Tempo der Expansion hielt die Organisation nicht stand.

Daß diese Entwicklung für jedes Unternehmen gefährlich ist, zeigt der rapide Anstieg an Insolvenzen in den letzten Jahren. Sie stiegen in der Bundesrepublik Deutschland von 3000 im Jahre 1960 auf über 10000 im Jahre 1978. Eine leistungsfähige Organisation ist heute also mehr denn je vonnöten. Der Planung und Steuerung der Betriebsfaktoren

kommt dabei besondere Bedeutung zu, denn sie stellt nach wie vor das Herzstück der Organisation dar.

Die Betriebsdiagnose als Basis

Um zunächst einmal einen Überblick über das "Innenleben" eines Betriebes zu bekommen, wurde mit Hilfe einer umfangreichen Checkliste eine Bestandsaufnahme gemacht.

Dabei wurde der Betrieb mit einem durchdachten System von Fragen durchleuchtet. Ziel war es, Antworten auf die folgenden Kernfragen zu finden:

- Wo steht der Betrieb heute?

- Wo liegen Stärken und Schwächen?

Diese Art der Schwachstellenanalyse wurde mit Interviewtechnik und Selbstaufschreibungen durchgeführt. Dabei sind die Fragen so aufgebaut, daß sich die Antworten abteilungsüberregional selbst kontrollieren.

In den Fertigungsbereichen wurde zur Untermauerung dieser Aussagen eine Multimomentstudie über sechs Wochen durchgeführt.

Die Ergebnisse der Analyse zeigten, daß die Betriebsmittel teilweise lediglich zu 48 Prozent effektiv genutzt waren. Daten für Lohn-, Material- und Auftragsdisposition wurden mehrfach (bis zu 80 Prozent) erfaßt. Aufträge und Material wurden recht intensiv geplant, die Steuerung von Kosten, Terminen und Qualität überließ man jedoch weitestgehend dem Betrieb (Meisterbereiche). Rückmeldungen über den Auftragsfortschritt konnten nur aufgrund von Lagerzugangsmeldungen registriert werden. Die Fertigung selbst war also wie ein "schwarzes Loch" zu sehen. Die zusammenfassende Kritik sah nun wie folgt aus:

1. Unwirtschaftliche Losgrößen

2. Ständige Auftragsstart-/stop-Situation

3. Hohe Bestände an Halb- und Fertigfabrikaten.

Da innerhalb der Ablauforganisation bereits eine DV-Anlage von

Sperry eingesetzt war, lag die Entscheidung nahe, das PPS-Paket

"Unis" einzusetzen. Dieses Paket setzt sich aus den drei Hauptmodulen

Stammdatenverwaltung, Materialwirtschaft und Zeitwirtschaft zusammen. Im Unternehmen selbst wird zum PPS-Paket und zur Unterstützung der Fertigungsplanung ein DV-gesteuertes Arbeitsplanerstellungssystem programmiert. Dieses System besteht aus einem großen Komplex von Fertigungsdateien und ist mit einem. Zeitstudien- und Planzeitsystem gekoppelt.

Wie allgemein bekannt, ist jede Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Im vorliegenden Fall stellt dieses "schwache Glied" die Erfassung der Betriebsdaten dar. Es lag nahe, ein solches DV-gesteuertes System in das PPS zu integrieren, so daß man nun erst überhaupt von einem "System" sprechen konnte.

Wegen der Vielfalt der einbezogenen Funktionen und Informationen sowie teilweise aufgrund der verwendeten Methoden und Modelle ist die Fertigungssteuerung mittels EDV sehr komplex. Die Realisierung integrierter DV-gestützter PPS/BDE-Systeme erfordert deshalb einen großen Kapitaleinsatz und bedingt darüber hinaus die langfristige Festlegung auf eine bestimmte Organisationslösung mit hohen Fixkosten und Folgeinvestitionen.

Wegen der Höhe und der mangelnden nachträglichen Beeinflußbarkeit der Aufwendungen sind die beim Einsatz der EDV für die Fertigungssteuerung zu fällenden Investitionsentscheidungen von großer Tragweite. Diese Tatsache rechtfertigt eine Entscheidungsvorbereitung, in deren Mittelpunkt eine integrierte Betrachtungsweise und eine umfassende vorausschauende Investitionsbeurteilung stehen muß.

Die Aussagen aus einem PPS-System basieren in den überwiegenden Fallen auf Rückmeldungen. Erfolgen diese Meldungen konventionell, das heißt, wenn Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt erfaßt werden, so sind diese Aussagen analog aktuell. Es ist deshalb erforderlich, Daten aktueller zu erfassen, um die richtige Entscheidung treffen zu können. Die Kosten für ein PPS-System sind von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Es lassen sich jedoch aus der Praxis durchschnittliche Kostenfaktoren ableiten, mit deren Hilfe man dann Überschlagsrechnungen anstellen kann.

Für einen Mittelbetrieb bis 1000 Mitarbeiter liegen die meisten PPS-Systeme als Standard-Software in einer Größenordnung von 90000 bis 160000 Mark vor. Für die Hardware wird je nach Ausstattung und Verarbeitung eine Investition von 500000 bis 700000 Mark notwendig sein.

Dazu addieren sich Kosten in Prozent der Hardware-Kosten für

- Wartung 0,5 - 1,2

- Software-Anpassung 12 - 25,0

- Installation 1 - 2,0

- Schulung 0,2 - 4

Die Betriebsdatenerfassung war bislang in der Regel eine teure Angelegenheit. Durch den Preisverfall bei der Hardware und durch die Schaffung von fast als "Standardpakete" zu bezeichnender Software haben sich die Investitionen reduziert. Im Schnitt fallen Kosten an, wie sie die Tabelle zeigt.

Ideal ist der konventionelle Betrieb

Der Nutzen von PPS/BDE-Systemen hängt natürlich vom organisatorischen Stand des Betriebes ab. Ideal ist der hinsichtlich DV-Organisation konventionell arbeitende Betrieb. Jede weitere Entwicklungsstufe bringt zwangsläufig Restriktionen! In der Praxis haben sich folgende Fakten bewahrheitet:

1. Eine Verkürzung der Durchlaufzeiten bringt eine Senkung der Kapitalbindungskosten für Halbfabrikate um mindestens 40 Prozent.

2. Die Erhöhung der Kapazitätsauslastung hat eine Senkung der Fertigungskosten um mindestens 10 Prozent zur Folge.

3. Der Wegfall vieler Routinearbeiten bringt eine Reduzierung des Personalaufwandes um mindestens 50 Prozent.

Im vorliegenden Fall sind zur Realisierung des Systems PPS/BDE folgende Investitionen notwendig geworden:

PPS

- Hardware DM 400000,-

- Software DM 160000,-

- lnstallation DM 30000,-

- Anpassung DM 20000,-

BDE

- Hardware DM 751000,-

- Software DM 355000,-

- Interne Leistungen DM 36000,-

- Investreserve DM 160000,-

Die Einsparungen für solche Systeme sind naturgemäß schwer quantifizierbar. Sie gestalten sich wie folgt:

- Personalreduzierung in Datenerfassung, Wareneingang, Lager,

Arbeitsvorbereitung, Werkstätten: 415 000 Mark

- Senkung des Fertigwarenbestandes durch Verkürzung der Anlieferungszeiten, das heißt, Erhöhung der Lieferbereitschaft und dadurch Reduzierung der Bestände: 36000 Mark

- Senkung der Fertigungskosten durch Erhöhung der Kapazitätsausnutzung: 780 000 Mark

- Durchlaufzeitverkürzungen per Reduzierung der Übergangszeiten von 20 AT auf 16 AT: 125 700 Mark. Das gesamte Paket soll in einem Zeitraum von fünf Jahren realisiert werden. Eine Rentabilitätsrechnung mit einer Betrachtungsweise "nach Steuern" brachte folgende Ergebnisse:

Brutto Einsparungen 3 700 000 Mark

Investitionen 1 912 000 Mark

Cash-flow (fünf Jahre) 2 708 000 Mark

Amortisation 3,5 Jahre

Rendite 10 Prozent

Kein EDV-System löst organisatorische Probleme. Es kann eine Situation lediglich transparenter gestalten. Wenn auch die Investitionen im vorliegenden Fall hoch erscheinen so sind sie trotzdem durch die Nutzungsfaktoren und die Tatsache, daß sie an der untersten Grenze der Erwartungen liegen, gerechtfertigt.