Mobile ISDN-Lösung bei der Leonberger Bausparkasse

Fernzugriff auf Zentralrechner senkt Kosten und verbessert den Service

27.02.1998

Optimierungsbestrebungen im Bankgewerbe: Bislang profitierte der Außendienst der Leonberger Bausparkasse bereits von einer kundenfreundlichen Beratungssoftware und multimedia-gerecht ausgestatteten Notebooks (mit Soundkarte, Lautsprechern und CD-ROM-Laufwerk). Seit einiger Zeit können sie jedoch auch modernste ISDN/GSM-Kommunikations- und Informationstechnologie für den Kundenservice vor Ort nutzen.

Möglich macht dies "Mobile ISDN", eine Kommunikationslösung des Berliner ISDN-Spezialisten AVM, die es den mit Notebook und Handy ausgestatteten Außendienstmitarbeitern erlaubt, direkt beim Kunden über das digitale GSM-Mobilfunknetz und das digitale ISDN-Netz auf den zentralen Unternehmens-Server in Leonberg zuzugreifen. Jürgen Hagen, Leiter Dezentrale Systeme und Kommunikation bei der Leonberger Bausparkasse, kam die Neuentwicklung von AVM gerade recht, weil sie den bei der Leonberger definierten strategischen Zielen entsprach: "Wir wollten die Außendienstaktivitäten von der Zentrale aus besser unterstützen und den Mitarbeitern vor Ort beim Bausparer schnellere Zugriffsmöglichkeiten auf zentral gespeicherte Informationen ermöglichen", erläutert der DV-Profi seine Vorgaben an AVM. "Außerdem sollten sämtliche außendienstlichen Abläufe beschleunigt werden. Das bedeutet, daß die externen Mitarbeiter nicht nur die im Großrechner gespeicherten Informationen abrufen, sondern auch die beim Kunden erfaßten Daten wie Bausparverträge und Vertragsänderungen schnell, sicher und kostengünstig direkt in der Leonberger DV-Zentrale ablegen können."

Dort arbeitet ein IBM-kompatibler Comparex-Mainframe. Die Eingangsstation für die Außendienstdaten ist der auf einem Novell-Server installierte "AVM Netware Multiprotocol Router for ISDN V3.1" (MPR for ISDN), eine Router-Software zur Vernetzung von LANs, Einwahl zum Internet sowie zur Einbindung von Einzelkomponenten (im vorliegenden Fall Mobile-ISDN-Intergration). Über den MPR for ISDN gelangen die Außendienstler per 3270-Emulation auf den Großrechner, um dort Daten abzurufen oder zu speichern.

Als Hardwareplattform für den Zugriff der Außendienstmitarbeiter auf die Host-Ressourcen in der EDV-Zentrale der Bausparkasse dient der ISDN-Controller "T1-B" von AVM.

Es handelt sich hierbei um eine Systemlösung in 19-Zoll-Technik für den Primärmultiplexanschluß (S2M). Sie unterstützt 30 B-Kanäle simultan und ist mit Treibern nach dem internationalen Standard Common-ISDN-API, Version 2.0 (CAPI 2.0) ausgestattet. Der Controller ist unter anderem mit den Protokollen X.75, High-Level Data Link Control (HDLC) transparent, X.25 (ISO 8208) und Bit transparent einsetzbar. Zusätzlich bietet der T1-B auch die Protokolle V.110 (Bitratenadaption) und ISO 3309 für das GSM-Umfeld. Da die Systemlösung Datenkompression auf allen B-Kanälen gleichzeitig zur Verfügung stellt und die Hardwareleistung durch zusätzliche Booster-Boards gesteigert werden kann, eignet sie sich für den Einsatz in der mobilen ISDN-Kommunikation.

Die Leonberger nutzt die Möglichkeit, bis zu vier T1-B-Einheiten in den MPR for ISDN zu intregrieren, so daß derzeit insgesamt 120 der über 1000 mit Mobile ISDN ausgestatteten Bausparkassen-Vertreter gleichzeitig auf die DV-Zentrale in Leonberg zugreifen können. "Mehr als genug, da sich ja nicht alle Außendienstler gleichzeitig in den Mainframe einloggen", wie Jürgen Hagen versichert.

Die Außendienstmitarbeiter der Leonberger Bausparkasse sind mit einem Panasonic-Pentium-Notebook vom Typ "CF 41" oder "CF 61" sowie dem datenfähigen Mobiltelefon "S4" von Siemens ausgestattet. Als Interface wird AVMs "Mobile ISDN-Controller M1" eingesetzt. Der Außendienstmitarbeiter muß den ins Notebook gesteckten PCMCIA-Typ-II-Adapter lediglich per Kabel an das Handy anschließen. Mit 1 MB Arbeitsspeicher und einem 20-MIPS-RISC-Transputer bildet die aktive ISDN-Karte die Grundlage für den mobilen Zugriff der Vertreter auf die Daten der DV-Zentrale in Leonberg.

Die Basis der Mobile-ISDN-Technologie von AVM bildet der sogenannte Unrestricted-Digital-Information - (UDI-)Service in den GSM-Vermittlungsstellen. Der Controller aktiviert im Non-Transparent-Modus an der Luftschnittstelle zwischen Handy und GSM-Netz das Radio Link Protocol (RLP). Die HDLC-Frames des RLP-Protokolls wirken fehlerkorrigierend und sichern die Datenübertragung auf Ebene 1 des M1-Protokoll-Stacks zwischen dem Außendienstmitarbeiter vor Ort und dem Mobile Switching Center (MSC). Zwischen dem MSC und der DV-Zentrale in Leonberg wiederum kommt das Protokoll V.110 auf Ebene 1 zum Einsatz. Zwischen Ebene 1 und 2 erzeugt die ISO 3306 ein Framing, das Voraussetzung für das Funktionieren des X.75 Single Line Protocol (SLP) auf Ebene 2 ist.

Das SLP ist für die Sicherung der End-to-end-Verbindung zuständig und kommt heute bei allen CAPI-konformen ISDN-PC-Karten zum Einsatz. Die Luftschnittstelle sichert die M1-PCMCIA-Karte demnach durch doppeltes Framing. Daher rührt die hohe Datensicherheit bei der Übertragung beziehungsweise Abrufung der für die Bausparkassenkunden relevanten Vertrags- oder Änderungsdaten.

Der Protokoll-Stack schließt zur Anwendung hin mit der CAPI ab. Durch deren Implementierung in den M1-Controller wird der Übergang der digitalen ISDN-Applikation zur mobilen GSM-Applikation gewährleistet. Dies bedeutet auch, daß sich jede gängige ISDN-Anwendung mit dem Mobile-ISDN-Controller sofort ausführen läßt. Das System unterstützt darüber hinaus auch die analogen Modi "Daten 9600" und "Fax G3", so daß die Außendienstler neben dem digitalen mobilen Fernzugriff und den PC-Host-Sessions auch selbst Faxe der Gruppe 3 empfangen und senden sowie mit Modems kommunizieren können.

Grundsätzlich gewährleistet Mobile ISDN den Datentransfer beim Übergang der zwei digitalen Netze ISDN und GSM. Diese sind letztendlich ausschlaggebend für die zu erreichenden Übertragungsraten. Während allerdings im ISDN pro Kanal 64 Kbit/s übertragen werden können, sind es im GSM-Netz lediglich 9600 Bit/s. Der Leistungsunterschied wird am Übergang, dem sogenannte Mobile Switching Center (MSC), angepaßt.

Ist prinzipiell bei Mobile ISDN das Übertragungstempo auf 9600 Bit/s beschränkt, lassen sich in der Praxis jedoch wesentlich höhere Geschwindigkeiten erzielen. Durch Datenkompression nach dem V.42bis-Standard sind im Idealfall bis zu vierfache Raten möglich. AVM-Kundenberater Wolfgang Link hat im Vorfeld beim Außendienst der Leonberger Bausparkasse durchschnittliche Übertragungsraten zwischen 25 und 30 Kbit/s gemessen.

Der entscheidende Vorteil von Mobile ISDN gegenüber herkömmlichen Analog-GSM-Lösungen liegt vor allem im wesentlich schnelleren Verbindungsaufbau. Den realisiert die digitale M1-Karte in weniger als fünf Sekunden. Zum Vergleich: Bei einem analogen GSM-Adapter würde der Verbindungsaufbau zwischen 25 und 50 Sekunden dauern. Zur Kostenersparnis trägt des weiteren der sogenannte Short-Hold-Mode bei: Er unterbricht automatisch die physikalische Verbindung zum Firmen-Server, wenn ein längeres Gespräch mit dem Kunden geführt wird. Sie wird jedoch logisch aufrechterhalten und fast verzögerungsfrei wieder aufgebaut, sobald erneut Daten zur Übertragung anstehen.

Praktische Erfahrungen haben gezeigt, daß von halbstündigen Beratungsgesprächen mit Bausparkunden lediglich fünf Minuten für Datenübertragungen benötigt werden. In Anbetracht der relativ hohen Gebühren für Mobiltelefonate erschließt sich dem Anwender auf diese Weise ein beträchtliches Einsparpotential.

Wichtig für das Funktionieren der Mobile-ISDN-Lösung ist die eingesetzte Software. Der LAN-seitigen Gegenstelle "Netware Multiprotocol Router for ISDN" steht "Netways for ISDN" auf der Client-Seite gegenüber. Diese ermöglicht die Abwicklung der Client-Server-Kommunikation transparent über ISDN und unterstützt auch das in der Leonberger DV-Zentrale verwendete Netzwerkprotokoll TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol).

Sicherheitsmechanismen schützen vor Attacken

Gemeinsam mit den im MPR for ISDN eingebauten Sicherheitsmechanismen trägt die Client-Software auch den strengen Sicherheitsanforderungen der Leonberger DV-Verantwortlichen Rechnung: Noch bevor auf der Ebene der Netzwerkprotokolle Datenpakete ausgetauscht werden, kann sowohl LAN-seitig als auch vom mobilen Rechner aus die Zugangsberechtigung überprüft werden. Die Lösung unterstützt dies auf unterschiedliche Art: ISDN-Rufnummernprüfung, Server-Rückruf und Paßwortabfrage in beiden Richtungen sind möglich.

Die Einführung des mobilen Fernzugriffs via ISDN erlaubt den Leonbergern zufolge den Außendienstmitarbeitern, schneller auf Kundenwünsche zu reagieren. In Kombination mit der eingesetzten Beratungssoftware und den Modulen Miet-, Tarif,- Vorspar- und Renditerechner vor Ort sind sie in der Lage, individuell angepaßte Verträge abzuschließen, um sie dann prompt auf dem Firmen-Server abzulegen. Dies spart nicht nur Zeit, sondern auch Kosten - ein Vorteil, von dem letztlich auch die Kunden der Bausparkasse profitieren.

Die Leonberger

Mit 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Innen- und Außendienst, die mehr als 1,2 Millionen Verträge mit einer Bausparsumme von insgesamt über 43 Milliarden Mark betreuen, gehört die "Leonberger" zu den fünf größten Bausparkassen Deutschlands. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 1997 hat der schwäbische Finanzdienstleistungsspezialist mit 1,12 Milliarden Mark an ausgezahlten Geldern 26011 Baumaßnahmen mitfinanziert. Für das gesamte Jahr erwartet man mit etwa 2,8 Milliarden Mark einen neuen Zuteilungsrekord.

*Lothar Eberlen ist freier Autor in München.