Unix-Superminis kommen mit 17-Seiten-Handbuch heraus:

Fehlertoleranz in MicroVAX-Klasse

26.09.1986

MÜNCHEN (ad) - Vier fehlertolerante Unix-Systeme der Parallel Computers Inc., Santa Cruz, die von der Leistung her oberhalb der MicroVAX II von DEC oder der Tower-Modelle von NCR angesiedelt sind, will die Gesellschaft für angewandte Informatik (GAI), Friedrichshafen, auf dem deutschen Markt anbieten. Die Rechner kommen mit einem nur 17 Seiten umfassenden Service-Handbuch aus.

Parallel Computers sieht nach Angaben von Marketingchef Rick Dural "den Zielmarkt primär dort, wo eine oder mehrere Anwendungen hundertprozentig ablaufen sollen und ein Systemabsturz zu signifikanten ökonomischen oder finanziellen Konsequenzen führen kann." Um die Notwendigkeit solcher Systemeinsätze in Unternehmen mit "kritischen Applikationen" zu unterstreichen, erarbeitete Parallel zusammen mit der International Data Corp. (IDC) eine Studie, aus der anhand konkreter Beispiele hervorgeht, welche Kostenverluste bei Anwendern zu erwarten sind beziehungsweise bereits vorkamen, wenn ein Rechner abrupt seinen Dienst versagte. Die Umsatzverluste reichen laut IDC von 6000 bis 30 000 Dollar pro Stunde, abhängig von der jeweils gefahrenen Anwendung.

Exakt diese "Lücke der Unsicherheit," so Dural, wolle man bei Parallel mit den bis zum Jahresende 1986 verfügbaren fehlertoleranten Superminis füllen. Somit sollen ab diesem Zeitpunkt insgesamt vier Minicomputer etwa vergleichbar mit der Leistungsfähigkeit der MicroVAX- und VAX-Klasse - angeboten werden, die preislich ungefähr zwischen 20 000 und 100 000 Dollar liegen. Rechner, die ähnliche Features aufzuweisen haben, aber von der Architektur her dem reinen Mainframe-Sektor zugerechnet werden, sind bereits von Tandem, Stratus, IBM, AT&T, NCR oder Nixdorf erhältlich, liegen vom Preis her jedoch um den Faktor fünf darüber.

Für den Bereich der Büroautomation werden die zwei Modelle 200 XR und 400 XR offeriert. Diese Rechner basieren auf einer fehlertoleranten Architektur, die komplett doppelt aufgebaut ist und jeweils über eine Stromversorgungseinheit verfügt, die ungeachtet einer Spannungsunterbrechung selbsttätig die Stromversorgung aufrechterhält. Beiden Systemen gemeinsam ist die Fähigkeit, einen auftretenden Fehler zu diagnostizieren, anzuzeigen und soweit möglich zu isolieren, um den weiteren regulären Fortgang der Applikation zu gewährleisten. Darüber hinaus ergibt sich durch den modularen Aufbau dieser Rechner die Möglichkeit, auf Wartungspersonal weitgehend zu verzichten; laut Parallel kann bei diesen Maschinen auch ein unerfahrener Bediener anhand des Fehlerdiagnosesystems "Erste Hilfe" leisten.

So mutet auch die Dicke der Service-Manuals für diese Maschinen beinahe ideal an: Auf lediglich 17 Seiten ist bezüglich der Wartung und Servicemaßnahmen während des Betriebs alles gesagt. Als weitere Besonderheiten können die beiden XR-Modelle mit einer sogenannten "Phone-Home"-Einrichtung aufwarten, bei der sich der Rechner nach einer Fehlerdiagnose selbsttätig zu einem Fernwartungszentrum durchwählt. Inwieweit dies auch auf den Einsatz dieser Computer in der Bundesrepublik übertragbar ist, ließ sich noch nicht klären. Rolf Schaeffer, Geschäftsführer der Friedrichshafener GAI, sprach jedoch von einer "baldigen Zulassung, die bei den Behörden durch die Darmstädter Danet eingeholt wird."

Die MTBF (Zeit zwischen zwei Fehlern) für alle Systeme, die kompatibel zu Multibus sind und unter dem Unix-4.2-BDS-Betriebssystem laufen (mit Vorbereitung für Unix System V), gibt der Hersteller mit rund 28 Jahren an, die MTTR (durchschnittliche Reparaturzeit) betrage im Regelfall weniger als eine Viertelstunde. In der Basiskonfiguration verfügen die 200 XR und die 400 XR über eine Hauptspeicherkapazität von jeweils zwei MB, einer Standard-Plattenkapazität von 86 MB sowie über acht Erweiterungssteckplätze. Beide Maschinen lassen sich dann auf die doppelte Hauptspeicherkapazität ausbauen. Beim Modell 200 kann des weiteren die Plattenkapazität auf 172 MB und bei der 400er auf 516 MB erhöht werden, und schließlich kann bei der 200 XR die Anzahl der Steckplätze verdoppelt und die der 400 XR auf insgesamt 256 Slots ausgebaut werden. Als Dualprozessor findet bei der 200 XR der 68010 von Motorola Verwendung, während bei dem Modell 400 auf die 68020er zurückgegriffen wurde. In Millionen Instruktionen pro Sekunde ausgedrückt, soll die 200 XR bei 0,7 liegen; dreimal soviel vermag die 400 XR zu leisten.

Eine gravierende Kapazitätserhöhung bei den Platteneinheiten läßt sich bei den Modellen 300 XR und 500 XR realisieren. Laut Parallel verfügt das Modell 300 in der Basiskonfiguration über einen 1-MB-Hauptspeicher, eine Platteneinheit mit 84 MB und acht Steckplätze. Das System 500 XR wartet mit einem 2-MB-Hauptspeicher auf, besitzt eine Festplattenkapazität von 168 MB und bietet 16 Ports. Beide Rechner können im Rahmen der Erweiterungskonfiguration auf eine Hauptspeicherkapazität von 8 MB, eine Plattenkapazität von mehr als 3 Gigabyte und letztlich auf insgesamt 256 Steckplätze aufgerüstet werden. Optional läßt sich bei diesen Maschinen wie auch für die 200 und 400 ein separater Kommunikationsprozessor einsetzen; daneben stehen X.25-, SNA- und Ethernet-Protokolle zur Verfügung. Außerdem kann laut Parallel ein Streamer-Tape im 1/2-Zoll-Format für externe Datensicherung, ein NFS (Network File System) und diverse Third-Party-Software verwendet werden.

Der Preis für das System 200 XR wird mit etwa 88 000 Mark angegeben, das Modell 300 XR soll ungefähr 165 000 Mark kosten, für die 400 XR werden GAI zufolge rund 103 000 Mark aufzuwenden sein, und die 500 XR kostet etwa 220 000 Mark.