Gewährleistungsausschuß bei Eingriffen in das System:

Fehlersuche darf Programm nicht verändern

24.04.1981

Lieferanten von Hardware schränken ihre Gewährleistungspflicht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) weitgehend für den Fall ein, daß der Anwender in die Substanz eingreift; die Lieferanten von Software tun das noch stärker. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. 11. 1979 (VIII ZR 317/78) hält das in AGB eines Radio-, Fernseh- und Fotogeschäfts für unwirksam; es dürfte der Zulässigkeit solcher Klauseln in AGB von EDV-Lieferanten aber kaum im Wege stehen.

Der BHG hat seinem Urteil folgenden Leitsatz vorausgestellt: "Eine in AGB gegenüber Nichtkaufleuten verwendete Bestimmung, nach der beim Verkauf neu hergestellter Radio-, Fernseh- und Fotogeräte die Gewährleistung (Garantie) sofort nach einem Eingriff oder einer Beschädigung durch den Käufer oder dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen erlischt, ist unwirksam." Wird eine solche Bestimmung gegenüber Kaufleuten verwendet, kann das Ergebnis also anders sein! Darauf ist

noch einzugehen.

Der BGH ist von folgendem Sachverhalt ausgegangen: "Die Beklagte betreibt einen Einzelhandel mit Radio-, Fernseh- und Fotogeräten. Ihren Verkäufen legt sie ihre Geschäftsbedingungen zugrunde, die unter der Überschrift 100% Vollgarantie zur Gewährleistung folgendes bestimmen: "Für die Nachbesserung des Geräts umfaßt die Vollgarantie die Kosten für Teile und Lohn (Wandlung und Änderung ausgeschlossen) ... Für das Gerät wird eine Garantiezeit von 6 Monaten gewährt... Die Garantie erstreckt sich nicht auf Schäden, die durch Beschädigungen, falschen Anschluß oder falsche Bedienung durch den Kunden verursacht werden ... Die Garantie erlischt sofort nach einem Eingriff oder einer Beschädigung durch den Käufer oder dritte, nicht zum Betrieb des Verkäufers gehörende Personen."

In den Entscheidungsgründen faßt der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts zustimmend zusammen, daß die beanstandete Klausel deswegen unwirksam sei, weil der Nachbesserungsanspruch, auf den die Beklagte ihre Gewährleistung beschränkt habe, nur unter der auflösenden Bedingung gewährt werde, daß der Käufer oder ein Dritter weder einen Eingriff in das Gerät vorgenommen noch dieses beschädigt habe. Ein derart eingeschränkter Nachbesserungsanspruch entspreche nicht den Mindestanforderungen, die der Verwender von AGB bei der formularmäßigen Einschränkung der Gewährleistung zu beachten habe.

Der BGH befaßt sich zunächst mit dem Inhalt der beiden Klauseln: "A) Die Klägerin legt die von ihr beanstandete Klausel - ausgehend von ihrem Wortlaut - dahin aus, daß jede irgendwie geartete 'Beschädigung' der Kaufsache, auch wenn sie mit dem geltend gemachten Mangel nicht in Zusammenhang steht, den Wegfall der Gewährleistungspflicht zur Folge hat, und daß unter 'Eingriff' im Sinne dieser Bestimmung nicht nur der ergebnislos gebliebene Reparaturversuch durch den Käufer oder einen von diesem bestellten Dritten, sondern bereits das Öffnen des Gerätes zu dem Zweck, die Ursache einer aufgetretenen Störung und damit gegebenenfalls das Vorliegen eines Mangels (° 459 1 BGB) festzustellen, zu verstehen ist.

Gar nicht erst Rechtsstreit

1. Dieser Ausgangspunkt ist für die Beurteilung der Frage, ob die verwendete Klausel gem. °° 9 ff. AGB-Gesetz unwirksam ist, zutreffend." Es sei unerheblich, ob die Beklagte die Klausel enger verstanden habe. Denn "AGB sollen nicht zuletzt den Vertragspartner des Verwenders - insbesondere wenn die diesem Vertragspartner nach dispositivem Recht zustehenden Ansprüche abgeschnitten oder beschränkt werden - von vornherein von der

derartiger Ansprüche abhalten, so daß es gar nicht erst zum Rechtsstreit und damit zu einer gerichtlichen Überprüfung und Auslegung der Klausel kommt. Es entspricht dabei der Erfahrung, daß sich Käufer, wenn ihnen vom Verkäufer die Klauseln unter Hinweis auf ihren eindeutigen Wortlaut vorgehalten werden, allein aus diesem Grunde von der Geltendmachung an sich begründeter Ansprüche abhalten lassen, obwohl bei sinnvoller Auslegung der Klausel diese Ansprüche gar nicht von ihr erfaßt werden."

Bei diesem Inhalt verstoßen die Klauseln nach Auffassung des BGH gegen Treu und Glauben:

"B) 1. Das folgt für den an die bloße Beschädigung der Kaufsache geknüpften Wegfall jeder Gewährleistungspflicht bereits unmittelbar aus ° 11 Nr. 10 a AGB-Gesetz.

a) Die Grenzen der formularmäßigen Freizeichnung durch den Verkäufer einer neu hergestellten, an einen Nichtkaufmann veräußerten Sache ergeben sich aus ° 11 Nr. 10 AGB-Gesetz. Nach lit. a dieser Bestimmung können Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender der AGB (Verkäufer) nicht insgesamt ausgeschlossen werden. Es muß dem Käufer vielmehr zumindest ein derartiger Anspruch verbleiben.

b) Beschränkt der Verkäufer seine Verpflichtung zur Gewährleistung formularmäßig auf einen Nachbesserungsanspruch, so muß dieser allerdings umfassend sein und darf insbesondere keine Einschränkungen enthalten, die auch die gesetzliche Regelung in °° 459 ff. BGB nicht kennt. Eine Beschränkung der Nachbesserungspflicht dahingehend, daß der Verkäufer zum Beispiel lediglich für verschuldete Mängel haftet oder seine Nachbesserungspflicht von einer vorherigen Anerkennung der Mängel abhängig macht, würde daher den Mindestanforderungen des ° 11 Nr. 10 AGB-Gesetz nicht entsprechen und unwirksam sein (Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 3. Auflage, ° 11 Nr. 10 Rdnr. 15; Koch-Stübing, ABG-Gesetz, ° 11 Nr. 10 Rdnr. 19).

c) Entsprechendes gilt auch für die hier beanstandete Klausel, ihre Anwendung würde zur Folge haben, daß der Käufer, sofern die Kaufsache bei ihm beschädigt worden ist, allein dadurch der ihm zustehenden Gewährleistungsansprüche auch dann verlustig geht, wenn die Kaufsache bei Gefahrübergang tatsächlich mit einem Mangel behaftet war. Ein derartiger Rechtsverlust ist aber der kaufrechtlichen Gewährleistung (°° 459 ff. BGB) fremd."

Der BGH stellt bei der ersten Klausel ausdrücklich auf Nichtkaufleute als Käufer ab. Bei Kaufleuten wäre ° 11 Nr. 10 a) nicht unmittelbar anwendbar, sondern wäre weiter abzuwägen,

"2. Anders als typischerweise bei der Beschädigung knüpft die beanstandete Klausel hinsichtlich des Eingriffs in die Kaufsache an ein Verhalten des Käufers an, das dieser zur Vermeidung der angedrohten Rechtsfolgen unterlassen könnte. Ob sich auch insoweit eine Unwirksamkeit der Klausel bereits unmittelbar aus ° 11 Nr. 10 AGB-Gesetz ergibt - mit der Folge, daß damit auch möglicherweise eine auf den fehlgeschlagenen Reparaturversuch beschränkte Klausel schlechthin unwirksam wäre -, kann hier auf sich beruhen. Dann jedenfalls ergibt sich die Unwirksamkeit aus der Generalklausel des ° 9 I AGZ-Gesetz. a) Nach dieser Vorschrift ist eine in AGB enthaltene Bestimmung dann unwirksam, wenn sie die Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, - und das ist hier der Fall.

b) Gegenüber diesen berechtigten Interessen des Käufers sind schutzwürdige Belange des Verkäufers an einer so weitgehenden Sanktion, wie sie der Wegfall jeglicher Gewährleistung - ohne weitere Prüfung, ob ein Mangel vorgelegen hat - darstellen würde, nicht ersichtlich. Soweit sich die Beklagte darauf berufte mit dem ,Eingriff' des Käufers verschlechtere sich ihre Beweislage, übersieht sie, daß der Käufer nach Annahme der Sache als Erfüllung (° 363 BGB) das Vorliegen eines Mangels bereits bei Gefahrübergang zu beweisen hat (vgl. Mezger, in: RGRK, 12. Auflage, ° 459 Anmerkung 33 m. w, Nachw.) und bei auch eine entsprechend substantierte Behauptung des Verkäufers widerlegen muß, erst der Eingriff in das Gerät habe den Mangel herbeigeführt. Dieses beweismäßige Risiko nimmt der Käufer in Kauf, wenn er zunächst das Gerät selbst untersucht oder untersuchen läßt; ihn darüber hinaus als Folge dieses Eingriffs jegliche Gewährleistung abzuschneiden wäre unangemessen. Ob dies auch bei einer Klausel, gelten würde, die den Wegfall der Gewährleistungspflicht ausschließlich an die Vornahme eines vergeblichen Reparaturversuchs durch den Käufer knüpft, bedarf hier keiner Entscheidung; denn eine solche Klausel ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens."

Dieses Ergebnis würde auch gegenüber Kaufleuten als Käufer gelten. Es dürfte sich aber grundsätzlich nicht auf Hardware beziehungsweise Software übertragen lassen, da wesentliche sachliche Unterschiede bestehen.

Fehlersuche im Programm erlaubt

Bei Software beinhaltet die Klausel bei verständiger Auslegung kein Verbot, nach der Fehlerursache im Programm zu suchen, wenn es dadurch nur nicht verändert wird. Denn das ist kein Eingriff. Für Reparaturversuche gilt, daß sie eher mehr schaden (Fernwirkungen!) als nutzen. Der BGH betont ohnehin, daß er über die Zulässigkeit von Reparaturverboten nicht zu entscheiden habe (und läßt durchblicken, daß er sie wohl für zulässig hält).