Fehlendes "Einkaufserlebnis" als eine von mehreren Barrieren Teleshopping: Produkte muessen vorhandener Akzeptanz folgen

07.07.1995

MUENCHEN (CW) - Die Akzeptanz von Teleshopping ist in der Bundesrepublik unter Umstaenden groesser, als zunaechst von Skeptikern angenommen wurde. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts fuer Organisation der Universitaet Muenchen und der Muenchner Kabel & Medien Service. Danach wuerden 14 Prozent entsprechende Angebote wahrnehmen.

So stehen die meisten "Meinungsfuehrer" dem Thema zumindest aufgeschlossen gegenueber. Die vom renommierten Muenchner Betriebswirtschaftler und Telecom-Experten Eberhard Witte vorgelegte Studie wird von ihren Initiatoren zwar lediglich als "Methodenpraktikum" bezeichnet, duerfte aber dennoch die in Deutschland bis dato einzige aussagefaehige empirische Akzeptanz- Untersuchung zum vermeintlichen Wachstumsmarkt des elektronischen Einkaufens darstellen.

Ihre Ergebnisse basieren auf einer Anfang Januar durchgefuehrten repraesentativen (bezogen auf alle Haushalte mit Kabelanschluss im Grossraum Muenchen) schriftlichen Befragung von 1000 Haushalten der bayerischen Landeshauptstadt - mit einer Ruecklaufquote von immerhin 26,4 Prozent. Motive fuer die Auswahl dieser speziellen Zielgruppe waren den Verfassern der Studie zufolge zum einen die demnaechst beginnenden Multimedia-Projekte in diversen bundesdeutschen Grossstaedten, darunter auch Muenchen; zum anderen die Tatsache, dass die Kabelnutzer wohl als erster in Frage kommender Kundenkreis entsprechende Angebote werden nutzen koennen.

Als zugrundeliegende Definition von Teleshopping galt dabei die Vorstellung eines virtuellen Einkaufskanals, in dem Produkte multimedial praesentiert sowie vom Zuschauer beziehungsweise Einkaeufer von zu Hause aus individuell und interaktiv ausgewaehlt werden - mit der Bestellmoeglichkeit durch ein elektronisches Formular direkt ueber das Fernsehgeraet. Eine Funktionsweise also, die sich an den heute schon nutzbaren Verfahren ueber CD-ROM und Datex-J orientiert, wie sie unter anderem von grossen Versandhaeusern wie Quelle und Otto angeboten werden.

Nachdem sich, wie es heisst, bisherige Untersuchungen vor allem mit den technischen Aspekten kuenftiger Teleshopping-Kanaele auseinandergesetzt haben, beschaeftigte sich die Witte-Studie mehr damit, ob und in welcher Form sich das elektronische Einkaufen am Markt wird durchsetzen koennen. Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen dabei die Fragen: Wie hoch ist die Zahl der Interessenten? Was sind die Gruende fuer die Akzeptanz beziehungsweise Ablehnung von Teleshopping? Wie lassen sich potentielle Interessenten beschreiben? Welche Produkte duerften aller Voraussicht nach am ehesten von den Konsumenten via Teleshopping geordert werden? Vergleichbare Dienstleistungen wie Telebanking oder die elektronische Reisevermittlung wurden im Rahmen der Studie nicht beruecksichtigt.

In der Auswertung ihrer Untersuchungsergebnisse kommen die Muenchner Wissenschaftler zu zum Teil erstaunlichen Ergebnissen. So konnten lediglich 14 Prozent der befragten Kabelnutzer als eindeutige "Akzeptierer von Teleshopping" identifiziert werden.

Demgegenueber stehen 46 Prozent Unentschlossene und immerhin 40 Prozent, die die neue Technologie und Dienstleistung rundweg ablehnen. Auf den ersten Blick verspricht dieses Ergebnis, wie es in der Studie heisst, nur geringe Chancen fuer eine erfolgreiche Einfuehrung von Teleshopping-Kanaelen. Allerdings weist die Untersuchung bei den Befuerwortern des elektronischen Einkaufens eine grosse Anzahl sogenannter Meinungsfuehrer aus; ein Personenkreis also, der moeglicherweise aufgrund seiner fachlichen, sozialen und damit kommunikativen Kompetenz positiven Einfluss auf die weitere Verbreitung neuer Techniken und Dienstleistungen nimmt - dies um so mehr, da der Anteil der Unentschlossenen relativ hoch ist.

Darueber hinaus ist das Personenprofil einer kuenftigen Teleshopping-Klientel, also primaer die der jetzigen Kabelnutzer, relativ einheitlich. Zumindest konnte eine zu Beginn der Untersuchung aufgestellte Hypothese, dass zwischen der Land- und Stadtbevoelkerung ein Unterschied im Hinblick auf das Akzeptanzverhalten bestehe, nicht nachgewiesen werden (dies wurde durch eine vergleichende "Landerhebung" bei 200 Kabelhaushalten der oberbayerischen Gemeinde Dorfen bestaetigt). Allerdings gibt es, so die Studie, ganz erhebliche Differenzen zum Soziogramm der uebrigen Muenchner Bevoelkerung. So sind die Kabelnutzer im Durchschnitt sechs Jahre aelter, gleichzeitig liegt der Anteil von Single-Haushalten mit 20 Prozent weit unter dem Muenchner Gesamtwert von 55 Prozent. Gleichzeitig verfuegen die Kabelnutzer ueber ein deutlich hoeheres Nettoeinkommen als der Rest der bayerischen Landeshauptstadt und ueber eine im Durchschnitt deutlich hoehere Schulbildung (vgl. Abbildung).

Wichtig ist den Verfassern der Studie die Erkenntnis, dass die Akzeptanz von Teleshopping ganz eng an die Zufrieden- beziehungsweise Unzufriedenheit mit der jeweiligen persoenlichen Einkaufssituation gekoppelt zu sein scheint. So wurde im Rahmen einer vorgegebenen Skala von 1 (= sehr unzufrieden) bis 5 (= sehr zufrieden) fuer die allgemeine Einkaufszufriedenheit ein Mittelwert von 3,8 ermittelt, der sich allerdings hauptsaechlich auf den reinen Versorgungsaspekt bezieht. Weniger zufrieden waren die Befragten indes mit dem angebotenen Service (Mittelwert 3,1) und den derzeitigen Ladenschlusszeiten (Mittelwert 2,9) - beides Argumente, die laut Studie fuer eine hinreichende Akzeptanz des elektronischen Einkaufens sprechen koennten.

Dabei sollte allerdings ins Kalkuel gezogen werden, dass der Umstand, Produkte nicht anfassen zu koennen sowie der damit verbundene verlorene Spass am Einkaufen und geringere soziale Kontakte als wesentliche Nachteile gesehen werden (vgl. Tabelle). Alle drei Items lassen sich, so die Studie, in der inhaltlichen Dimension "Einkaufserlebnis" zusammenfassen und stuetzen eindeutig die Hypothese einer Reihe von Anbietern, die in der fehlenden Moeglichkeit eines erlebnisorientierten Einkaufs eine ganz wesentliche Huerde bei der Einfuehrung von Teleshopping sehen. Fuer die Akzeptanz waere es daher der Untersuchung zufolge wichtig, dass der Konsument mit dem neuen Medium "spielen" kann, etwa in Form von Videosimulationen.

Apropos Anbieter: Diese zeigen, wie eine parallel zur Konsumentenbefragung durchgefuehrte telefonische Erhebung unter rund 30 Herstellern und Vertretern des Handels ergab, grosse Zurueckhaltung gegenueber dem neuen Vertriebsweg Teleshopping. Hierin koennte, wie es in der Studie heisst, die eigentliche Problematik fuer den erfolgreichen Start von Teleshopping-Kanaelen liegen - ein Szenario uebrigens, das nur allzu deutlich an die Schwierigkeiten bei der Einfuehrung von Btx erinnert. Unabdingbar fuer den Erfolg von Teleshopping sei jedoch, wie die Verfasser der Studie betonen, eine Produktpalette, "die den hohen Erwartungen der Konsumenten entspricht".