Fehleinschätzung

29.09.1978

Je mehr über die Verkaufs- und Betreuungs-Praktiken der Systemhäuser bekannt wird, um so mehr schwindet ihr Image: Auf Individual-Lösungen spezialisiert, die von den großen EDV-Herstellern oft gar nicht aufgegriffen werden, leiden sie unter der Negativ-Referenz jeder vermurksten Minicomputer-Installation im kommerziellen Bereich.

Die Folgen schlagen sich zwar nicht gleich in den Verkaufszahlen nieder, doch ist es ein offenes Geheimnis, daß sich der Trend bereits gedreht hat. Jedenfalls steht für Experten der "Kleincomputerei" fest: Die Hersteller kommerzieller Minis und die mit ihnen zusammenarbeitenden Systemhäuser haben es zunehmend schwerer, sich gegen die Konkurrenz der Universalrechner-Hersteller zu behaupten.

Unbestreitbar: Von einer, Explosion des Minicomputer-Marktes im kommerziellen Feld - wie von Fachleuten vorausgesagt - kann kaum noch die Rede sein. Grund: Firmen, die alles aus einer Hand bieten (Hardware, Software und Wartung), sind auf dem Erstanwender-Markt im Vormarsch.

Die Schwierigkeiten der Systemhäuser sind greifbar: Ohne Unterstützung des Herstellers können sie nicht auskommen. Sie brauchen System-Ingenieure und Starprogrammierer, die bei speziellen Anwendungen Schützenhilfe leisten.

Und diese Schützenhilfe, behaupten neutrale Beobachter, ist ausgeblieben - mußte ausbleiben -, weil das Applikations-Know-how auf seiten der Mini-Produzenten einfach nicht da war.

Beispiel Digital Equipment: Bereits 1971 wurde der Versuch unternommen, die kommerziellen "DEC-Datasysteme" über Rechenzentren und Systemhäuser zu vermerkten. Viel Positives gab's bislang über den Ausgang des Experiments nicht zu hören: Dies lag nicht etwa am fehlenden Know-how der Systemhäuser. Sondern ganz offensichtlich konnte sich die DEC-Führungsspitze nicht auf die (für sie) neuen Marktgegebenheiten umstellen.

Es gehört im kommerziellen Markt ganz einfach mehr dazu, Kunden - auch die Systemhäuser und Händler - zu bedienen, als im reinen Prozeß-Rechner-Markt, der Domäne von Digital Equipment.

Im "Prozeß"-Markt hat es der Minicomputer-Verkäufer zu 90 Prozent mit Ingenieuren zu tun, die bloß nackte Hardware verlangen und auf die Software - mit Ausnahme des Betriebssystems - keinen gesteigerten Wert legen.

Ganz das Gegenteil die kommerziellen Anwender: Sie interessiert weniger die Zentraleinheit und wie die Maschine programmiert wird, sondern nur: Was kommt raus?

Das erklärt auch den Erfolg der Universalrechner-Hersteller. Sie stellen den Anwender aus Klein- und Mittelbetrieben als unerfahren hin, weshalb er "rundherum betreut werden will" (Univac-Werbung).

Als Köder werden Standardprogramme ausgelegt. Kaum ein Bereich, für den nicht fertige, für den Benutzer sofort demonstrierbare Lösungen vorhanden sind. Kein Wunder, daß IBM mit den Systemen /32 und /34 in diesem Markt auf Anhieb erfolgreich war.

Andere Hersteller hatten den Weg gewiesen (Honeywell Bull mit dem System 61); Nachahmer ließen nicht lange auf sich warten (Univac mit: der BC/7). Und die Branche vermutet, daß noch Anfang Oktober eine entsprechende Siemens-Ankündigung kommt - dann ist die Garde der "Basisdatenverarbeiter" komplett.

Logisch, daß der "Mini"-Konkurrenz (einschließlich, Systemhäuser) diese Richtung nicht paßt.

Denn Standardpakete - in diesem Umfang - hat sie nicht. Dafür bietet sie individuelle Software, den Maßanzug für den Anwender.

Das ist auch die Marktlücke, in die sie in den vergangenen Jahren hineingestoßen ist.

Die Chance bot sich, weil die "klassischen" MDT-Hersteller Philips, Nixdorf und Kienzle es versäumt hatten, rechtzeitig auf Dialog-Systeme mit Magnetplatten umzustellen, und dadurch vorübergehend etwas an Marktanteilen verloren.