Kolumne

Faustrecht statt Wettbewerb

16.06.2000

Ist es ungerecht, Microsoft kriminelle Machenschaften vorzuwerfen? Profitieren davon nur die Konkurrenten? Werden mit einer harten Strafe womöglich Innovationen verhindert und Arbeitsplätze gefährdet? Solche Fragen verstellen den Blick auf das Wesentliche: Microsoft hat geltendes Recht gebrochen und ist dafür verurteilt worden. Ob eine Zweiteilung des Unternehmens oder die Auflagen zur Änderung seiner Geschäftspraktiken die gewünschten Ergebnisse bringen, steht auf einem anderen Blatt.

Der Kartellprozess geriet nicht nur für die Öffentlichkeitsarbeiter des Softwarekonzerns zum Fiasko. Fast regelmäßig widerlegten die Kläger Aussagen von Microsoft-Angestellten durch interne Memos, E-Mails oder andere Dokumente. In den Gängen des Washingtoner Bezirksgerichts stapelte sich belastendes Material. Einen traurigen Höhepunkt lieferte die Vorführung eines nachweislich manipulierten Videos.

Vor diesem Hintergrund wird der harsche Ton von Richter Thomas Jackson verständlich, der vor Prozessbeginn als eher konservativer und industriefreundlicher Jurist galt. Microsoft habe sich als "nicht vertrauenswürdig" erwiesen. "Falsus in uno, falsus in omnibus", erklärt er seine Einsicht: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Diese Äußerungen passen so gar nicht zu dem Bild, das die PR-Strategen von Microsoft zeichnen: einem Unternehmen, das mit innovativen Produkten im Interesse der Kunden handelt und einen von staatlichen Eingriffen freien Wettbewerb fordert. Nach den im Prozessverlauf bekannt gewordenen Geschäftspraktiken ist klar, dass Microsoft im Zweifelsfall nur ein Prinzip kennt: das Faustrecht.

Microsoft hat Geschäftspartner massiv unter Druck gesetzt, wenn diese von der vorgegebenen Linie abwichen. Mit Knebelverträgen verhinderten Microsoft-Manager, dass Kunden Produkte von Konkurrenten einsetzten oder diese auch nur erwähnten. Wer nicht parierte, wurde mit Restriktionen belegt. Die Prozessakten sind voll von solchen Berichten. Mit freiem Wettbewerb hat das nichts zu tun. Der passende Begriff lautet Machtmissbrauch. Diesen künftig zu verhindern, war und ist das erklärte Ziel von Richter Jackson. Es bleibt zu hoffen, dass die Berufungsinstanzen von diesem Pfad nicht abweichen.