Bei ClM-Konzepten gewinnen Superminis an Bedeutung, aber:

Falsche Prioritäten bedingen oft das "Aus"

30.08.1985

Superminis haben ihre Leistungsfähigkeit insbesondere in der Fertigungsindustrie bereits seit geraumer Zeit bewiesen. Aufgabenbedingt und historisch gewachsen, koexistieren mehrere unterschiedliche, herstellerspezifische Supermini-Netze zumindest in den größeren Unternehmen. Die Verknüpfung dieser verschiedenen Netzwerke und die Integration mit den übrigen informationstechnischen Systemen ist notwendig, um ein Höchstmaß an Fertigungsflexibilität und Produktivität zu erreichen.

Klar ist indes aber auch, daß diese Integration mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden ist und wegen ihrer weitreichenden Konsequenzen für die betrieblichen Arbeitsabläufe einer sorgfältigen Planung und Vorbereitung bedarf: Auf ein durchgängiges, unternehmensindividuelles Rahmenkonzept für die computerintegrierte Fertigung zu verzichten, hieße letzten Endes, die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens aufs Spiel zu setzen.

Denn: Die Fähigkeit, schnell und präzise auf Marktanforderungen und -veränderungen zu reagieren, wird in der Fertigungsindustrie mit ihren immer kürzeren Produktinnovationszyklen mehr und mehr zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Gerade auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aber zielen die strategischen Konzepte des Computer Integrated Manufacturing (CIM-Konzepte), in denen Superminis eine zentrale Stellung einnehmen.

Analysiert man nämlich die im Rahmen des Fertigungsprozesses anfallenden Tätigkeiten, so wird schnell klar, daß sich die technische Abwicklung der funktionalen Aufgaben im Grunde auf der Arbeitsplatz- ebene, der arbeitsplatznahen Hintergrundebene und der Hintergrundebene abspielt. Ordnet man nun diesen Rechner- ebenen abteilungsspezifisch die einzelnen Aufgaben zu, so erhält man ein Schema, wie in Kasten 1 dargestellt.

Ausschließlich auf der arbeitsplatznahen Ebene - also ohne direkten Zugriff zum zentralen Hintergrundsystem - laufen verschiedene Tätigkeiten ab, wie Entwicklung und Konstruktion, Berechnungen, Zeichnungserstellung, die Erstellung von Stücklisten sowie die Klassifizierung der verschiedenen Teile.

Die Arbeitsvorbereitung befaßt sich mit der Werkzeugkonstruktion, der Arbeitsplanerstellung und dem Erstellen des NC-Teileprogramms.

Aufgabe des Produktionsmanagements und der Fertigung ist das Zusammenstellen der Fertigungsunterlagen (Arbeitsplanung, Fertigungsanweisungen, NC-Programm).

Wie sich insgesamt zum Beispiel die Aufgaben des Bereichs Entwicklung und Konstruktion bei der von Diebold favorisierten CIM-Lösung auf die einzelnen Rechnerebenen verteilen und welche Beziehungen zwischen den Ebenen bestehen, zeigt Bild 1.

Insgesamt dürften etwa 80 Prozent der im Rahmen eines umfassenden CIM-Konzeptes eingesetzten Werkzeuge auf den arbeitsplatznahen, von Superminis dominierten Bereich entfallen. Die wichtigsten Gründe für diese zunehmende "Mips-Investition" in den arbeitsplatznahen Bereich sind schnell aufgelistet:

- bessere Performance und damit im Endeffekt eine preiswertere Lösung;

- Unabhängigkeit von der durch Kollegen/andere Bereiche bewirkten Rechnerbelastung. Dies gilt selbstverständlich auch umgekehrt.

- Größere Ausfallsicherheit. Dieser Punkt ist besonders für die unternehmen der Fertigungsindustrie (Fertigungsleitrechner!) von besonderer Wichtigkeit.

- Allgemeiner Trend zur Installation der individuell benötigten Rechnerleistung am jeweiligen Arbeitsplatz.

Um nun eine - entsprechend der obigen Aufgabenverteilung - optimale, das heißt die Anforderungen aus den einzelnen Abteilungen voll abdeckende Kommunikationsunterstützung bei der Aufgabenabwicklung anbieten zu können, ist es hinsichtlich der technischen System-Architektur nach den Erfahrungen der Frankfurter Unternehmensberatung für das Gros der Unternehmen sinnvoll, interaktive Arbeitsabläufe arbeitsplatznah durch herstellerspezifische Netze zu unterstützen.

Dabei können durchaus auf mittelfristige Sicht mehrere herstellerspezifische Netzwerkkonzepte nebeneinander koexistieren. Es muß jedoch sichergestellt sein, daß die verschiedenen Netze an ein dominierendes Konzept angepaßt werden können.

Für Umgebungen mit IBM-Zentralrechnern bietet es sich an, SNA als dominierende Netzwerkarchitektur die integrierende Rolle spielen zu lassen und eventuelle Nicht-SNA-Netze über Gateways (3270/3770-Emulationen) anzubinden. Dies dürfte um so leichter fallen, als wichtige Netz-Anbieter zunehmend in Richtung SNA marschieren, das heißt über Gateways zu SNA verfügen (werden).

Bei DEC zeigt sich zum Beispiel eine besonders starke SNA-Unterstützung. Wichtigstes Element zur Verbindung von DEC- und SNA-Netzen bildet DECs DECnet/SNA-Gateway, über den jedes in einem DECnet laufende und mit der Gateway-Software ausgestattete VAX-System auf ein SNA-Netzwerk zugreifen kann.

Den IBM-Rechnern erscheint der Gateway als Endknoten eines SNA-Netzes, den VAX-Rechnern als Abschlußknoten eines DECnet-Netzwerkes. Umgekehrt kann auch über das IBM-Produkt HCF von jedem 3270-Terminal im SNA-Netz auf Applikationen in einem DECnet zugegriffen werden.

Einen weiteren Schritt in die SNA-Welt hat DEC vor kurzem mit der Ankündigung des Softwarepaketes "External Document Exchange" (EDE) gemacht, das den Austausch von veränderbaren Dokumenten mit dem Distributed Office Support System (DISOSS) der IBM ermöglichen und nach Herstellerangaben auf allen VMS-Systemen von der VAX 1/725 bis hinauf zur VAX 8600 laufen soll. EDE setzt auf DECs DDXF (Disoss Document Exchange Facility) auf, das bislang schon die Bürokommunikation zwischen DEC (All-in-1) und IBM (Disoss) erlaubte. EDE erweitert laut DEC nun diese Möglichkeiten noch, da das neue Software-Produkt mit IBMs DIA (Document Interchange Architecture) und DCA (Document Content Architecture), den "integrierenden" Architekturen für Dokumentenaustausch und -beschreibung, konform sei.

Wang wird sich künftig ebenfalls in die IBM-Umwelt integrieren. Verbindungsmöglichkeiten bestehen bereits über das Wang-Office/Disoss Gateway, das mit IDS realisiert wird. IDS ist eine Wang-Software, die auch auf dem IBM-Host implementiert werden muß und die das Erstellen und Speichern von Dokumenten im Disoss/DCA-Format erlaubt. Ein Dokumentenaustausch zwischen Wang und IBM dürfte allerdings nicht vor Mitte 1986 möglich sein. Zudem ist im "Wangnet" mit dem "PC 3270 SNA Package" auch ein Protokollkonverter für den Zugriff auf den IBM-Host integriert. Prime bietet seinen Anwendern mit der im Januar 1985 angekündigten "Prime/SNA"-Produktfamilie unter anderem die Möglichkeit, sich über 3274-Emulation im Dialog an Netze anzuschließen, die auf IBMs System-Network-Architekturen basieren. Interessant ist zudem sicherlich der Herstellerhinweis, daß auch im RJE ein Gateway angeboten wird und daß "Primenet"-User automatisch Zugang zur SNA-Welt erhalten, sobald nur ein Teilnehmer des herstellereigenen Netzwerkes die Anbietung realisiert.

Integrationsmöglichkeiten sind nicht so schlecht

"Prime/SNA" unterstützt Herstellerangaben zufolge darüber hinaus auch die IBM-Netzwerkmanagement-Pakete NCCF und NPDA.

Data General bietet auf ihren Systemen inzwischen ebenfalls über 3270-Emulation ein SNA-Gateway an. Auch für den umgekehrten Zugriff ist in Kürze mit einem DG-Softwareprodukt zu rechnen: In einem Pilotprojekt in Südafrika wurde dieser Weg bereits realisiert.

Die technischen Möglichkeiten für die Integration der verschiedenen herstellerspezifischen Netze sind also gar nicht so schlecht, wie dies bisweilen von zaudernden Anwendern behauptet wird. Jedoch sollte man sich davor hüten, nun die Flinte ins Korn zu werfen und munter drauflos zu integrieren. Um ein umfassendes Rahmenkonzept, in dem die Netzwerk-Integration nur ein Stück des Planungskuchens ausmacht, kommt man nämlich nicht herum.

Dieses Konzept zu entwickeln setzt eine gehörige Portion Sachkenntnis voraus. Welche Funktionen und welche Art der Computerunterstützung beispielsweise zu berücksichtigen sind, ist in allgemeiner Form in Bild 2 dargestellt.

Fehlentscheidungen sind da schnell getroffen. Die (Berater-) Praxis zeigt zum Beispiel immer wieder, daß betriebsintern Prioritäten falsch gesetzt werden oder man sich auf die Lösung von Teilaufgaben beschränkt, ohne die möglichen Produktivitätsgewinne einer umfassenden - zugegeben kostspieligen - Integrationslösung gebührend zu berücksichtigen. An der falschen Stelle zu sparen - und dies gilt auch für den Aufbau entsprechenden fachlichen Know-hows -, kann bei dem sich weiter zuspitzenden Wettbewerbsdruck indes erheblich teurer kommen.

Volker Lindemann und Frank Miska, Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt