Falsche Indikatoren fuer Leistungsfaehigkeit

17.06.1994

Betrifft CW Nr. 11 vom 18. Maerz 1994, Seite 11: "Die ganze CASE- Branche leidet unter Big Blues Repository-Flop"

Im Artikel wurde ueber eine kuerzlich veroeffentlichte Studie von Butler Bloor berichtet, die CASE-Produkte fuer verteilte Anwendungen beschreibt. Der Bericht enthaelt unter anderem eine Bewertung des Client-Server-Produkts "Foundation for Cooperative Processing" von Andersen Consulting. Ich meine, dass die Studie aufgrund der veroeffentlichten Daten nicht geeignet ist, wesentliche Rueckschluesse auf die Leistungsfaehigkeit von CASE- Werkzeugen im Hinblick auf das genannte Thema abzuleiten.

Die Bewertung der Werkzeuge ist meines Erachtens stark an verteilten relationalen Datenbanksystemen ausgerichtet. Andererseits fehlen wichtige Aspekte, die zur Vermittlung eines themengerechten Ueberblicks zu erwarten gewesen waeren. So wird zum Beispiel bewertet, ob die Entwicklungswerkzeuge das Two-Phase- Commit-Verfahren unterstuetzen, oder ob SQL-Statements vorkompiliert werden. Dies sind typische Funktionen eines relationalen Datenbanksystems und nicht eines CASE-Werkzeugs.

Die im Vordergrund stehende Technik des Zugriffs auf entfernte Datenbanken ("Remote Data Management") ist zwar die zur Zeit verbreitetste Variante der Client-Server-Verarbeitung, fuehrt jedoch bei komplexen Client-Server-Anwendungen zu teilweise erheblichen Einschraenkungen hinsichtlich des Sprachumfangs, der allgemeinen Leistungsfaehigkeit und der Performance.

Es waere daher aus meiner Sicht in einer Studie angebracht, ueber die bekannte Gartner-Group-Folie hinaus eine Klassifizierung und Bewertung unterschiedlicher Varianten der Client-Server- Technologie vorzunehmen, die vom simplen Device Sharing bis hin zur Objektorientierung reicht.

Obwohl im ersten Teil des Artikels relevante Fragen wie zum Beispiel nach Portabilitaet und Interoperabilitaet, der Einbindung objektorientierter Techniken oder auch den Moeglichkeiten des Rapid Application Development genannt werden, werden diese Kriterien erstaunlicherweise spaeter nicht mehr naeher untersucht.

Weitere in der Studie unerwaehnte und aus unserer Sicht wesentliche Aspekte sind:

- die Notwendigkeit der konsequenten Trennung zwischen einem konzeptionellen Client-Server-Modell und der zugrundeliegenden physischen Systemarchitektur (Abstraktionsniveau);

- die Faehigkeit der durchgaengigen Unterstuetzung mehrstufiger Systemarchitekturen, um das konzeptionelle Client-Server-Modell konsistent auf Rechner unterschiedlicher Anzahl und Bauart plattformuebergreifend abbilden zu koennen;

- die Moeglichkeit, ueber sprachungebundene, logische Message- Formate gekapselte Module objektbasiert verarbeiten zu koennen, was zu hoeherer Flexibilitaet, Wiederverwendbarkeit und Wartbarkeit beitraegt (siehe auch Beitraege in der CW Nr. 14 vom 8. April 1994);

- die Unterstuetzung effizienter, flexibler Kommunikationsmechanismen zwischen Client-Objekten und Server- Objekten wie zum Beispiel der asynchronen Nachrichtenuebermittlung, die zur Vermeidung von Produktivitaetsverlusten beim Endbenutzer aufgrund der Wartezeit auf eine Antwort des Servers fuehrt.

Eckhard Bellinghausen

Produkt-Manager Foundation, Andersen Consulting, 65843 Sulzbach/Frankfurt