Falls Gates den Antitrust-Prozeß verliert

Falls Gates den Antitrust-Prozeß verliert US-Industrieverband empfiehlt die Zerschlagung von Microsoft

12.03.1999
MÜNCHEN (CW/IDG) - Ein mächtiger Industrieverband der US- amerikanischen IT- und Medienbranche hat sich im Fall Microsoft zu Wort gemeldet. Sollte die Gates-Company den Antitrust-Prozeß verlieren, fordert die Organisation die Zerschlagung des Konzerns in mehrere selbständige Unternehmen.

In der Software & Information Industry Association (SIIA) mit Sitz in Washington sind rund 1300 Software-, Hardware- und Medienunternehmen organisiert, darunter auch Microsoft selbst und die meisten seiner Konkurrenten. In einem als vertraulich eingestuften Bericht fordern die Mitglieder mehrheitlich drastische Maßnahmen für den Fall, daß Microsoft den Monopolprozeß gegen das US-Justizministerium und 19 Bundesstaaten verlieren sollte. David Phelps, ein Sprecher der SIIA, erklärte, man habe die Vorschläge auch dem US-Justizministerium zugeleitet.

In dem Papier, das dem "Wall Street Journal" als Entwurf vorliegt, fordert die SIIA das Gericht auf, eine umfassende Restrukturierung Microsofts in Betracht zu ziehen. Ziel müsse es sein, die "Wettbewerbskrise", unter der die Software-Industrie gegenwärtig leide, "effektiv und ein für allemal" zu beenden. Dies sei auch deshalb geboten, weil die US-Justiz andernfalls gezwungen wäre, die Geschäftspraktiken in dieser Branche permanent zu überwachen. Microsoft hatte bis zuletzt versucht, die Verabschiedung des Maßnahmenkatalogs durch die Verbandsführung zu verhindern.

Die Autoren des SIIA-Berichts schlagen der US-Justiz zwei Möglichkeiten zur Aufteilung des Redmonder Softwarekonzerns in "Baby Bills" vor: Zum einen sei eine "horizontale Trennung" in drei selbständige Unternehmen für Betriebssysteme, Anwendungen und Electronic Commerce denkbar. Andererseits kann sich der Industrieverband auch eine Reorganisation in mehrere vertikal integrierte Firmen vorstellen, die jeweils spezielle Märkte bedienen. Darüber hinaus betrachtet die SIIA auch die Freigabe des Windows-Quellcodes als eine strukturelle Maßnahme, die die Wettbewerbsbedingungen in der Industrie verbessern könnte.

Microsoft-Sprecher Jim Cullinan bezeichnete die Diskussion über mögliche Schritte gegen den Konzern als verfrüht. Für ihn stellten die an die Öffentlichkeit gelangten Vorschläge an die US-Justiz lediglich ein PR-Manöver dar, das von den tatsächlichen Gegebenheiten ablenken solle. Eine Aufteilung Microsofts steht für Cullinan nicht zur Debatte: "Das ist Wunschdenken unserer Konkurrenten."

Unterdessen sind in den USA Gerüchte aufgekommen, die eine Einigung zwischen Microsoft und dem Justizministerium noch vor der Wiederaufnahme des Antitrust-Verfahrens am 12. April möglich erscheinen lassen. Die "Seattle Times" etwa zitiert eine dem Prozeß nahestehende Quelle mit der Aussage, es bestehe eine "60prozentige Chance auf eine gütliche Beilegung" des Verfahrens. Microsoft wollte sich zu diesen Vermutungen bislang nicht äußern. Beobachter nehmen die jüngsten Spekulationen auch deshalb ernst, weil sich der Chipkonzern Intel zwischenzeitlich in einem ähnlichen Fall unmittelbar vor Prozeßbeginn mit der Kartellbehörde außergerichtlich auf ein Paket möglicher Maßnahmen geeinigt hat (siehe Seite 10).