IT in Transport und Verkehr/Kompatibilitaet nationaler Systeme entscheidend

Fahrzeugflotten mit Datenfunk sind schneller als die Feuerwehr

09.02.1996

Der Datentransfer vom und zum Firmensitz erfolgt bis dato meist ueber die klassischen Telefonnetze. Aktuelle Datenfunknetze kommen ohne Telefonuebertragung aus. Sie entsprechen zudem den speziellen Anforderungen der mobilen Datenuebertragung und sind relativ kostenguenstig.

Der Datenfunk im Rahmen des Steuerns von Fahrzeugflotten auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene duerfte fuer die Logistikbranche eine kleine Revolution bedeuten. Anbieter solcher Netze sind hierzulande die DeTeMobilNet GmbH mit ihrem Modacom-Dienst und die GfD - Gesellschaft fuer Datenfunk mbH, deren Netz nach dem international verbreiteten, von Ericsson entwickelten Mobitex-Standard arbeitet.

Durch Datenfunk lassen sich viele Ablaeufe innerhalb einer Spedition oder eines Paketdienstes entscheidend verbessern, etwa die Sendungs- und Frachtverfolgung ("tracing and tracking"). Handheld-Geraete erfassen die mit Barcodes gekennzeichneten Frachtkomponenten und leiten die Frachtdaten ueber ein spezielles Modem an die Zentrale. Gleichzeitig errechnet ein Empfaenger im Transporter aus den Daten eines Satelliteninformationssystems (Global Positioning System - GPS) den aktuellen Standort des Fahrzeugs, der ebenfalls per Datenfunk in die Zentrale gelangt. Hier kann der Disponent dem Kunden in kuerzester Zeit exakt mitteilen, wo sich die gesuchte Ladung befindet und wie lange sie noch unterwegs sein wird.

Dank der Multifunktionalitaet von Datenfunkloesungen sind zudem Drucker und Displays im Fahrzeug einsetzbar. So lassen sich Lieferpapiere direkt beim Entladen ausdrucken, und der Kunde kann die Ladung vor Ort per Electronic Cash bezahlen. Hinzu kommt die Moeglichkeit, alle Fahrzeuge per Ferndiagnose hinsichtlich Motorbelastung oder Reifenabrieb zu ueberpruefen und damit kostspieligen Wartezeiten infolge von Pannen vorzubeugen.

Zwei unterschiedliche Systeme in Deutschland

Besonders interessant sind Datenfunk und GPS fuer Fahrzeugflotten im internationalen Gueterfernverkehr. Jederzeit gelangen aktuelle Standortinformation an die Zentrale, diese wiederum kann internationale Routen schnell optimieren, an den aktuellen Bedarf anpassen und verkehrsorientiert steuern. Voraussetzung dafuer ist allerdings die Kompatibilitaet der nationalen Systeme. In diesem Punkt unterscheiden sich die beiden in Deutschland vertretenen Systeme erheblich. Das von der Telekom-Tochter DeTeMobilNet GmbH angebotene Netz arbeitet nach dem Modacom-Standard, der in Europa ausser in der Bundesrepublik nur in der Schweiz mit einem im Aufbau befindlichen Netz vertreten ist.

Herausforderer der Telekom ist die GfD - Gesellschaft fuer Datenfunk mbH mit Sitz in Essen, die derzeit ein deutsches Mobitex-Netz aufbaut. Derartige Netze bestehen in Europa bereits in den Beneluxstaaten, in Frankreich, Grossbritannien, Skandinavien und in Polen. Das Produkt ist daher roaming-faehig, das heisst die Weitergabe von Auftrags- oder Fahrzeugdaten in die Netze benachbarter Laender ist problemlos moeglich.

Mehr Kundenservice und Effizienz bieten mobile Datenkommunikationsloesungen auch fuer Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP). Die Transportkette dieser Dienstleister arbeitet in der Regel mit einer Mehrfach-Depotstruktur. Sendungen werden beim Absender mit Barcode versehen und gescannt oder numerisch erfasst. Der Kurier bringt die Sendung in das naechste Depot, wo sie auf einen ebenfalls elektronisch erfassten Verteiler-Lastwagen kommt und ueber eine Hauptumschlagbasis zum Auslieferungsdepot gelangt. Von dort wird die Fracht dann ausgeliefert und gleichzeitig gescannt.

Per Datenfunk lassen sich die Fracht- und Fahrzeugdaten in allen Abschnitten der Transportkette an einen zentralen Rechner uebermitteln. Kurier-, Express- und Paketdienste verfolgen so jedes Frachtstueck zusammen mit dem zugehoerigen Fahrzeug lueckenlos. Der Dienstleister weiss meist schon vor dem Anruf eines Kunden, dass die von ihm vermisste Lieferung laengst von einem seiner Mitarbeiter entgegengenommen wurde.

"Wir sind sicher, dass immer mehr Unternehmen Loesungen in Verbindung mit mobiler Datenkommunikation einsetzen werden", erklaert dazu Thomas Pauly, Geschaeftsfuehrer der GfD, "da diese Loesungen nicht nur die Optimierung der Geschaeftsprozesse ermoeglichen, sondern auch die immer wichtiger werdende Kundenorientierung weiter verbessern."

Im Unterschied zum Sprachmobilfunk werden bei der Uebertragung mittels Datenfunk die zu uebermittelnden Daten in einzelne Pakete aufgeteilt und gesendet. Ein spezifisches Uebertragungsprotokoll soll Datensicherheit gewaehrleisten. Darueber hinaus wird jedes Paket bei der Ankunft quittiert. Hierin liegen in Zukunft moeglicherweise wichtige Chancen.

Bei Speditionen ist es durchaus ueblich, in Spitzenzeiten untereinander Fahrzeuge auszuleihen, die jedoch meist geleast sind. Im Schadensfall ergeben sich dann Schwierigkeiten, wenn der Nachweis, wer mit welchem Fahrzeug wann welche Ladung wohin transportiert hat, nicht mehr eindeutig erbracht werden kann. Es ist durchaus denkbar, dass Transport- und Frachtversicherer in Zukunft den lueckenlosen Nachweis, beispielsweise in Form solcher "Quittungen", als Voraussetzung fuer den Versicherungsschutz fordern.

Lebensrettende Aspekte erhaelt der Datenfunk in Fahrzeugen von Behoerden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Durch ihn lassen sich Einsatzwagen von Feuerwehren, Polizei und Rettungsdiensten schneller und besser informiert zum Unfallort schicken, wie Pilotprojekte der GfD mit den Feuerwehren in Duisburg und Essen belegen, die Komplett- loesungen zur Ortung und Positionsbestimmung der Einsatzfahrzeuge mit Unterstuetzung eines GPS entwickelt haben.

Die Zuteilung der Rettungswagen erfolgt durch Leitrechner in der Einsatzzentrale der Feuerwehren. Die Fahrzeuge wurden mit Empfaengern ausgestattet, die mit GPS den Standort errechnen und ueber Datenfunk staendig an die Zentrale uebermitteln. Bei Notfaellen wird der jeweils ortsnaechste Einsatzwagen beauftragt und erhaelt noch waehrend der Anfahrt weitere Informationen ueber die Art des Einsatzes.

Bei der Nutzung des GfD-Netzes zeigte sich rasch, wie wichtig schneller Verbindungsaufbau und geringe Reaktionszeit des Netzes sind, wenn es um die Rettung von Menschenleben geht.

Eine weitere Nutzungsmoeglichkeit des Datenfunks besteht in der Steuerung von Serviceflotten. In den Niederlanden nutzt ein Unternehmen, das Hubstapler vermietet und wartet, das Mobitex-Datenfunknetz zur Information seiner Aussendienst-Servicetechniker. Die eingesetzte Software basiert auf einer geografischen Datenbank, die entsprechend dem niederlaendischen Postleitzahlensystem aufgebaut ist. In der Firmenzentrale werden damit Strecken und Anfahrtszeiten fuer jeden Techniker geplant. Die Servicewagen sind mit Pen-Computern ausgeruestet und erhalten die Routenplanung ueber Nacht per Datenfunk. In der Zentrale sind auf einer elektronischen Landkarte die Standorte aller Fahrzeuge abzulesen. Sobald dort ein dringender Reparaturauftrag eintrifft, wird dieser an den Wagen weitergegeben, in dessen Route der Kunde raeumlich und zeitlich am besten passt.

Wenn der Servicetechniker vor Ort eintrifft, kann er Ersatzteile, Liefertermine und Preise in der Zentrale abfragen. Die Abfrage ist in Form von Text oder Grafik moeglich. Zudem lassen sich Serviceberichte abschicken und Rechnungen vom Kunden vor Ort ueber Datenfunk bargeldlos begleichen.

Weitere Einsatzmoeglichkeiten von Datenfunkloesungen bieten sich beispielsweise fuer Taxi- und Busunternehmen oder das Fuhrparkmanagement im Werksverkehr grosser Unternehmen. Die Kosten fuer die Nutzung eines Datenfunknetzes fallen im Vergleich zum Sprachmobilfunk nur fuer die tatsaechlich uebertragene Datenmenge an. Lange Verbindungszeiten, wie sie etwa durch den externen Zugriff auf eine Ersatzteil-Datenbank entstehen, werden bei der Datenfunknutzung nicht in Rechnung gestellt.

Roaming fuer internationale Loesungen

Die Entwicklung des deutschen Datenfunks wird in den naechsten Jahren schnell das Niveau anderer Laender erreichen, die bereits flaechendeckende Netze besitzen. Das Mobitex-Netz, fuer das erst im August 1994 eine Lizenz erteilt wurde, ging nach einer erfolgreichen Pilotphase bereits Anfang Oktober 1995 an den bundesweiten Start. Der bisher bestehende Regionalservice in den Grossraeumen Berlin, Ruhrgebiet sowie rund um Halle, Chemnitz und Zwickau soll bis zur Jahresmitte 1996 stark ausgeweitet werden, mit dem Ziel rund 60 Prozent der Bevoelkerung zu versorgen. Ein Jahr spaeter sollen dann nach den Plaenen der GfD 92 Prozent der Bevoelkerung Zugang zum Netz haben.

Dass das Modacom-Netz der DeTeMobilNet wegen des frueheren Starts bereits heute 85 Prozent der Bundesrepublik abdeckt, bereitet Peter Federer, Leiter Marketing und Oeffentlichkeitsarbeit der GfD, kaum Kopfschmerzen. "Fuer uns war es wichtig, unseren Kunden auch laenderuebergreifende Loesungen anzubieten. Mit dem Mobitex-Standard koennen Anwendungen in vielen europaeischen Laendern sowie in Nord-und Suedamerika, Australien und Asien genutzt werden. Fuer international taetige Unternehmen bedeutet dies, dass sie mit einem Softwareprodukt viele regionale Maerkte abdecken koennen." Fuer Schnellentschlossene stellt die GfD bis zum 30. Juni 1996 Sondertarife bereit. Wer bis zu diesem Termin ins Netz einsteigt, bekommt den Modem-Anschluss und die monatlichen Gebuehren um die Haelfte ermaessigt.

*Hubert Rasig ist freier Journalist in Alsbach.

Kurz & buendig

Datenfunk kann viele Ablaeufe entscheidend verbessern. Effizienter wird auf jeden Fall die Sendungs- und Frachtverfolgung. Auch der aktuelle Standort der jeweiligen Fahrzeuge ist leichter zu ermitteln. Displays und Drucker in den Fahrzeugen unterstuetzen die Administration. Via Satellit lassen sich internationale Routen schneller optimieren und per Drucker ausgeben. Voraussetzung indes ist die Kompatibilitaet der nationalen Syteme.

Druck machen Versicherer, die genaue Nachweise fordern, wer wann welche Fracht wohin transportiert hat. Lebensrettend koennen sich Datenfunkloesungen bei Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungsdiensten auswirken. Eine derartige Ad-hoc-Einsatzsteuerung von Service-Mannschaften oder eines ausgedehnten Werkverkehrs duerfte die Kosten erheblich reduzieren.