Erfolgreiche Klage eines IT-Freiberuflers

Fahrten zum Kunden sind als Betriebsausgaben abzugsfähig

14.05.2014
Von Peter  Rössler
Freiberuflich tätige Steuerpflichtige können die Aufwendungen für Fahrten zu Kunden in vollem Umfang als Betriebsausgabe abziehen. Das zeigen Urteile an den Finanzgerichten in Düsseldorf und Münster.

Sind die Aufwendungen eines IT-Freiberuflers für Fahrten zu seinem einzigen Auftraggeber mit seinem überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeug in vollem Umfang oder nur mit einer Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden Kilometer als Betriebsausgaben abziehbar? Mit Frage hatte sich das Finanzgericht Düsseldorf zu beschäftigen.

Die Fahrten zum Kunden können Freiberufler in vollem Umfang als Betriebsausgaben absetzen.
Die Fahrten zum Kunden können Freiberufler in vollem Umfang als Betriebsausgaben absetzen.
Foto: Minerva Studio/Fotolia.com

Der Kläger war als IT-Freiberufler im Bereich DV-Organisation und Softwareentwicklung tätig. Mit seiner Lebensgefährtin wohnte er in einem als Einfamilienhaus bewerteten Gebäude. In dem Gebäude befand sich ein vom Kläger gemieteter Raum, den er für sein Unternehmen nutzte. Einziger Auftraggeber des Klägers war im Streitjahr 2008 ein Unternehmen.

Der Kläger nutzte einen Pkw, den er im Streitjahr weit überwiegend für die Fahrten zum Auftraggeber und für sonstige betriebliche Fahrten nutzte. Der Kläger führte für den Pkw im Jahr 2008 ein Fahrtenbuch. Daneben war er Halter eines Pkw, den er jedoch überwiegend privat und nur ausnahmsweise für betriebliche Fahrten nutzte. In seiner Gewinnermittlung für 2008 zog der Kläger Fahrzeugkosten in Höhe von 8.945,77 Euro als Betriebsausgaben ab. Das lehnte das Finanzamt ab.

Die Entscheidung

Bei den dem Kläger im Streitjahr für den Pkw entstandenen Aufwendungen handelt es sich um Betriebsausgaben im Sinn von § 4 Abs. 4 EStG, weil dieses Fahrzeug weit überwiegend betrieblich genutzt wurde und deshalb zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehörte. Das Finanzamt meinte, dass diese Aufwendungen teilweise einem Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG unterliegen. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sie die Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG übersteigen.

Betriebsstätte ist nach § 12 Satz 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Es kommt nicht darauf an, ob die Räume, die der Kläger für seinen Betrieb nutzte, als Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift beurteilt werden können, oder ob die Wohnung des Klägers, die sich im gleichen Gebäude befindet, dem Ganzen das Gepräge gibt und die Räume deshalb nicht als Betriebsstätte im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG angesehen werden können, sondern als Wohnung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875). § 4 Abs. 5

Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist im Streitfall jedenfalls deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger bei seinem Auftraggeber keine Betriebsstätte hatte. Denn eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 AO wird nicht schon dadurch begründet, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Zu einer Betriebsstätte wird dieser nur dann, wenn der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Einrichtung hat.

Das auftragsgemäße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen nicht, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Das gilt selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt und sogar dauerhaft erbracht wird. Neben der zeitlichen Komponente müssen vielmehr zusätzliche Umstände auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Denn für die Begründung einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (so BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BStBl II 2008, 922, und BFH-Beschluss vom 22. April 2009 I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588).

Dem Kläger stand bei seinem Auftraggeber nur zeitweise ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Ihm war es nicht erlaubt, an diesem Arbeitsplatz auch seinen betrieblichen Belangen (zum Beispiel Postbearbeitung, Buchhaltung, Schriftverkehr, Werbung, Kontakt zu anderen Kunden etc.) nachzugehen. Das Gericht hat es vielmehr als naheliegend angesehen, dass ein Auftraggeber einem Auftragnehmer Zutritt zu seinen Einrichtungen nur in dem Umfang gewährt, der erforderlich ist, um den Auftrag ausführen zu können, nicht aber darüber hinaus für eigenbetriebliche Belange des Auftragnehmers bis hin zur Ausführung von Aufträgen für andere Kunden oder gar Konkurrenten. Insoweit erwartet jeder Auftraggeber typischerweise, dass der Auftragnehmer diesen Angelegenheiten in einer eigenen Betriebsstätte oder bei anderen Kunden nachgeht.

Der Fall beim Finanzgericht Münster

Ähnlich hat auch das FG Münster entschieden. In diesem Fall ging es um einen Steuerberater, der freier Mitarbeiter war und daneben auch eigene Mandanten betreute. Nach Auffassung des FG Münster können die Aufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgabe berücksichtigt werden, da die Steuerkanzlei weder eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 AO noch des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG sei. Nach der Rechtsprechung des BFH ist auch bei längerfristigen Einsätzen an betrieblichen Einrichtungen von Kunden des Auftraggebers dort keine regelmäßige Arbeitsstätte gegeben ( BFH-Urteile vom 10. 7. 2008 - VI R 21/07, BStBl 2009 II S. 818, und vom 9. 7. 2009 - VI R 21/08, BStBl 2009 II S. 822 ).

Ab 1.1.2014 wird nach der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts durch das UntSt/ RKVereinfG vom 20. 2. 2013 der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch die "erste Tätigkeitsstätte" ersetzt und gesetzlich definiert (§ 9 Abs. 4 EStG). In beiden Verfahren wurde die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH dazu stellen wird. Entsprechende abschlägige Bescheide sollten daher durch Einspruch offen gehalten werden.

Dieser Artikel stammt vom IT-Freelancer-Magazin.