Host-Protokoll-Emulationen auf Mikros haben ihre Schattenseiten:

Fähigkeiten dezentraler PCs bleiben ungenutzt

22.07.1983

MÜNCHEN- Praktikable und betriebssichere Lösungen für die Vernetzung von Personal Computern mit der zentralen Datenverarbeitung suchen innovative Fachabteilung schon seit Jahren. Eine Adaption solcher Mikrosysteme kann erhebliche Vorteile, auch finanzieller Art, bringen. Aufgabe der DV-Abteilung sollte es deshalb auch nicht sein, diese Entwicklung zu bremsen. Paul Hoffmann, Vertriebsleiter der Wetronic Automation GmbH, München, beschreibt einen Weg, wie sich PCs in IBM-Umgebung integrieren lassen.

Fragen nach einer Kommunikationsmöglichkeit mit IBM- und IBM-kompatiblen Computersystemen für Personal Computer werden oft mit den Hinweis auf eine Softwarelösung, sogenannte Emulationen, beantwortet. Solche Programme übernehmen die Codekonvertierung (ASCII - EBCDIC) sowie die Protokollemulationen in Richtung Hostcomputer. Häufig ist zusätzlich die Installation eines synchronen Interface notwendig.

Die Schattenseiten solcher Problemlösungen: Hoher Speicherbedarf sowie eine gewisse Auslastung des Personal Computers, ohne daß die eigentliche dezentrale Anwendung überhaupt aktiv wird. Das größte Handicap entsteht jedoch durch die Tatsache, daß synchrone Protokolle, insbesondere im Bereich der Dialogsysteme, geschaffen wurden, um auf einer Datenübertragungsleitungsverbindung je nach Leitungsprotokoll bis zu 32 Teriminals zu betreiben.

Kommunikationsadapter oder ausgelagerte Front-end-Prozessoren zentraler Rechnersysteme kommunizieren mit Terminalsteuereinheiten (Cluster-Controller), die wiederum alle Informationen an die entsprechenden Terminals weiterleiten oder Informationen dieser Terminals auf die Übertragungsleitung konzentrieren. Personal Computer emulieren mittels Software aus diesem Grunde eine Terminalsteuereinheit mit einem angeschlossenen Terminal und belegen dabei einen ganzen Port am Front-end-Prozessor.

Im Hinblick auf die Kosten für einen solchen Port, einschließlich notwendiger Speichermenge im Front-end-Prozessor, ist dies nicht gerade eine wirtschaftliche Lösung, denn eigentlich könnte dieser eine Port bis zu 32 Terminals versorgen.

Die Verbindung Terminalsteuereinheit (Cluster-Controller-Terminal) besteht beim Marktführer IBM aus, einer Koaxialkabelverbindung mit hochfrequenten synchronen Leitungsprotokollen. Warum also nicht den Personal Computer an einen solchen Koaxialport anschließen? Jeder Personal Computer müßte dabei über ein kostspieliges Koaxialinterface verfügen und natürlich weiterhin mit einer Terminal-Emulations-Software ausgestattet werden.

Für den IBM Personal Computer und einige andere sind solche Interfaces einschließlich Software inzwischen verfügbar. Bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen alle Probleme somit gelöst. Daß dadurch eine Menge Fähigkeiten dezentral plazierter Personal Computer ungenutzt bleiben, geht in der ersten Euphorie zunächst unter.

Verzicht auf zusätzliche Fähigkeiten

Die Koaxialverbindung Steuereinheit-Terminal ist in der IBM-Welt aufgrund der Generierung vor der Installation entweder ein Bildschirm- oder ein Druckeranschluß. Ein am Drucker-Port des Personal Computers angeschlossener ASCII-Drucker kann sich somit nicht als IBM-kompatibler Drucker darstellen, obwohl gerade in diesem Bereich große finanzielle Vorteile zu erwirtschaften wären.

Liegt doch der Preis für einen Drucker mit Koaxialanschluß etwa um den Faktor 3 bis 5 höher als der Preis für einen vergleichbaren, im Falle unseres Personal Computers meist ohnehin vorhandenen ASCII-Druckers. Eine Verlängerung der Koaxialleitungsverbindung, über private oder öffentliche Modemstrecken beispielsweise, entfällt ebenfalls. Das gleiche gilt für den Transport von Print- oder Programmdateien aus dem zentralen Rechnersystem auf die Diskette oder Festplatteneinheit des Personal Computers.

Spezielle Steuereinheiten als Problemlösung

Wenn ohnehin für eine wirtschaftliche Adaption von mehreren Terminals eine Terminalsteuereinheit notwendig ist, warum nicht diese Steuereinheit mit zusätzlichen Fähgkeiten versehen? Gegenüber dem IBM-Computer muß sich dieses Gerät exakt so verhalten wie das Original des Marktführers. Code-Konvertierung, Synchron/asynchron-Wandlung und einige andere nützliche Optionen übernimmt diese Terminalsteuereinheit gleich mit.

Die Anschlüsse auf der Terminalseite sind jetzt asynchrone V.24-Verbindungen, wie sie an fast jedem Personal Computer standardmäßig oder gegen geringen Aufpreis erhältlich sind. Was bleibt für den Personal Computer zu tun übrig? Die Emulation irgendeines asynchronen ASCII-Terminals genügt, um aus dem Personal Computer ein IBM-3277/78-kompatibles Bildschirmgerät einschließlich Full-Screen-Support zu machen.

Mit Hilfe einer ausgeklügelten Technik lassen sich vom Host kommende Print-Daten über die gleiche Leitungsverbindung Steuereinheiten - Personal Computer zu den an den Druckerports angeschlossenen ASCII-Printer leiten. Diese Printer stellen sich dann wie 3287/86-kompatible Printer dar.

Zugriff über Postverbindungen

Alle Ports, also der synchrone in Richtung zentrale DV ebensowie die asynchronen Terminalports, sollten über Standardschnittstellen (V.24) verlängerbar sein, wahlweise als Wählleitungs- oder Standleitungsverbindung. Auf diese Weise können kostengünstige Netzwerkstrukturen errichtet werden, die Zugriffe auf IBM-Systeme über postalische Leitungsverbindungen, auch über Akustikkoppler von jedem Telefon aus, möglich machen.

Ist bereits eine hausinterne Koaxialverbindung vorhanden, sollten Terminalverbindungen, die nicht weiter verlängert werden, weiterhin coaxialfähig bleiben. Solche Koaxialports sind ebenfalls optionell erhältlich.

Ein entscheidender Punkt für die Terminalauswahl einer Terminalsteuereinhieit ist der jederzeit mögliche Wechsel des synchronen Leitungsprotokolls. Ein Wechsel von BSC nach SDLC/SNA sollte jederzeit gewährleistet sein. Eine praktische Vorführung dieser SNA-Fähigkeit ist hier sicher mehr wert als die bloße Zusage, daß diese Dinge irgendwann realisiert werden.

IBM-Welt öffnet sich

Aufbauend auf ein solches vorstehend dargestelltes Konzept, erlangt der ansonsten arg eingeschränkte IBM-Anwender ein großes Maß an Flexibilität bei der Auswahl dezentral nutzbarer Terminalsysteme. Einige Beispiele: Anschluß grafischer Nicht-IBM-Systeme, ohne den Einsatz teurer Emulationsprozessoren (EP/PEP), Doppelnutzung von Personal-Computer-Systemen gleichzeitig als IBM-kompatibles Dialogterminal, wobei die Vor- und Nachbearbeitung ohne das Dazutun des zentralen Rechnersystems gewährleistet ist.

Dabei können preisgünstige ASCII-Drucker ebenfalls als IBM-kompatible Drucker genutzt werden. Das wohl bedeutendste Argument für diese Art der Adaption: In Richtung Host-Computer beziehungsweise Front-end-Prozessor bleibt alles unverändert. Generiert werden die ohnehin gängigen Cluster-Controller-Typen, wobei natürlich alle Datenübertragungs-Facilities des Marktführers (NCCF/NPSA etc.) uneingeschränkt genutzt werden können.

Eventuelle Ungereimtheiten innerhalb von Personal-Computer-Synchronemulationen oder fehlerhafte Bedienung dieser Software führt nicht zur Beeinträchtigung des Netzwerkverhaltens. Eine saubere Trennung einschließlich Fehlereingrenzung zwischen synchroner und Terminalseite wird durch die Implementierung geeigneter Testverfahren in eine solche Steuereinheit erreicht. Das Ergebnis zeigt, daß nicht nur der Marktführer selbst die Vernetzung von Personal-Computer-Systemen mit der zentralen DV beherrscht, sondern von anderen Entwicklungen in diesem Bereich sogar noch lernen kann.