Strategien gegen die Krise im PC-Markt

Fade Rechner - Hersteller suchen neue Ideen

27.08.2004

Seit dem Ende des Branchenbooms anlässlich der Jahr-2000-Umstellung funktioniert der PC-Markt nach zwei einfachen Grundsätzen: Phasenweise läuft das Geschäft weniger schlecht; meistens läuft es richtig schlecht.

Auf drei Jahre Krise kam zuletzt ein Jahr Erholung - für viele Hersteller ist das zu wenig zum Überleben. Auch aus diesem Grund sind Angestellte und Manager in der PC-Industrie nicht um ihren Job zu beneiden; hinzu kommt, dass es in der IT-Branche immer noch kaum ein Gerät gibt, das langweiliger als ein schlichter Desktop-Rechner ist - von Netzwerk-Hubs vielleicht einmal abgesehen. Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass die beiden Faktoren - gepflegte Langeweile und Branchenkrise - in einem wie auch immer gearteten Verhältnis zueinander stehen.

"Mittelalterliches" Marketing

"Lifestyle-Marketing" sollen sich die Hersteller auf die Fahnen schreiben, fordern die Marktforscher von Forrester Research. In den USA gebe es zwar erste Ansätze im Privatkundengeschäft, bei Business-PCs mute das Marketing aber immer noch "mittelalterlich" an: schnellere Rechner, größere Kapazitäten, mehr Funktionen, geringere Gesamtkosten sind die im Prinzip seit langem unveränderten Lockargumente. Die Strategie erinnert an einen Schiffbrüchigen auf hoher See, der mangels Alternativen Salzwasser trinkt und dadurch das eigene Ende beschleunigt. Die Marketing-Abteilungen sollten sich Forrester zufolge weniger auf das Einzelprodukt, sondern vielmehr auf die Beziehung zum Käufer konzentrieren.

Das Ziel ist beileibe nicht trivial und erfordert bei allen Beteiligten gehöriges Umdenken - die Beziehung zum Kunden reduzierte sich in der PC-Branche bislang auf den Support. Erste Schritte in Richtung Mehrwert zielen etwa auf die Zugkraft anderer etablierter Marken ab: Acer lackiert Rechner in Ferrari-Rot und setzt auf die Kaufkraft der eingefleischten Formel-1-Fans; Medion baut seit neuestem Disney-PCs für Kinderzimmer, was sicher kein dummer Schachzug ist. Und was spricht dagegen, dass Mercedes-Benz eines Tages Notebooks anbietet? Schließlich haben die Schwaben auch Krawatten, Uhren, Drehbleistifte und Plüschteddys im sterngeschmückten Sortiment. Die nüchterne IT-Branche jedoch hat es bislang versäumt, Emotionen im großen Stil als Dreingabe zu den Computern zu verkaufen, sieht man von Ausnahmen wie Apple ab. Stattdessen spielen die Lieferanten notgedrungen mit jeder Verkaufsaktion die Billigkarte aus, obwohl "die Branche schon so weit unten ist, wie es kaum noch weiter gehen kann", sagt PC-Analystin Meike Escherich von Gartner Dataquest. Mangels anderer zündender Ideen verändern die Lieferanten notgedrungen das Preis-Leistungs-Verhältnis zu ihren Gunsten. In den vergangenen Quartalen haben große Hersteller wie Fujitsu-Siemens Computers (FSC) und Hewlett-Packard (HP) wieder vermehrt schwachbrüstige "Celeron"-CPUs eingebaut, deren erste Vertreter schon im April 1998 auf den Markt gekommen sind: "Dabei galt der Celeron eigentlich als tot", kommentiert Escherich. Künftig, so die Analystin, werde einfach weiter an den Komponenten gespart, um die Preise der Rechner drücken zu können. Hauptsache, der Kunde glaubt weiter daran, dass Highend-Notebooks schon für 799 Euro zu haben sind.

Notebook-Kunden haben genug

Doch selbst der Notebook-Markt, das spannendste Segment der vergangenen 18 Monate, gibt bald keine Erfolgsgeschichten mehr her. Nach Angaben der Marktforscher von Context sank die Wachstumsrate gegenüber dem Vorjahresmonat in Westeuropa von 37 Prozent im Januar auf zehn Prozent im Juni. "Wer sich ein Notebook leisten konnte, hat sich mittlerweile eines gekauft", resümiert die Dataquest-Analystin. In 16 Prozent aller US-amerikanischen Haushalte sind Forrester zufolge Notebooks im Einsatz, nur fünf Prozent der Nutzer wollen in den kommenden zwölf Monaten ein neues Gerät anschaffen. Der Horrorbegriff "Sättigung" macht wieder die Runde.

In den deutschen Wohn- und privaten Arbeitszimmern sieht es ähnlich düster aus. Angesichts der anhaltenden Konsumverweigerung, bedingt durch zumindest drohenden Arbeitsplatzverlust und Existenzangst, gehören Rechner - speziell Notebooks - nicht mehr zu den Geräten, die man sich in jedem Fall leisten muss: "Wenn es darauf ankommt", sagt Escherich, "ist der PC immer noch ein Luxusgerät." Die Analystin geht davon aus, dass sich der deutsche Endkunde mit Bestellungen "bis in die erste Jahreshälfte 2005 zurückhält". Das verheißt nichts Gutes für das Weihnachtsgeschäft, wenn traditionell wieder der Einzelhandel mit billigen Computern geflutet wird.

Ersatzgeschäft legt los ...

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Selbst im konjunkturschwachen Deutschland haben inzwischen die Unternehmen angefangen, ihre Altbestände durch zeitgemäße PCs zu ersetzen. Zwar kam das Replacement ein Jahr später als erwartet in Schwung, doch zumindest brummt dieses Marktsegment wieder. Gartner erwartet, dass in diesem Jahr weltweit rund 100 Millionen Unternehmens-PCs ersetzt werden, 2005 sollen es 120 Millionen Geräte sein. Das wären in beiden Fällen mehr Systeme, als kurz vor der Jahr-2000-Umstellung erneuert wurden - Desktops erleben dank der Upgrades eine kleine Renaissance.

Die Entwicklung hat in der ersten Jahreshälfte dazu geführt, dass sich die Ausläufer des Privatkundengeschäfts und die wieder steigende Nachfrage der Firmen überlagert haben. Daher erlebten einige Hersteller ein unerwartet schönes Frühjahr. Mit dem Erfolg des ersten und zweiten Quartals "habe ich in dem Umfang nicht gerechnet", räumt auch FSC-Chef Bernd Bischoff ein.

... bis Ende 2005

Die zweite gute Nachricht: "Verglichen mit den westeuropäischen Nachbarn hängt Deutschland beim Ersatzgeschäft rund sechs Monate hinterher", stellt Dataquest-Analystin Escherich fest. Sie geht davon aus, dass die hiesigen Unternehmen noch bis Ende 2005 ihre alten Systeme austauschen. Die Trendwende zeigt sich auch darin, dass 2003 laut Gartner in Deutschland rund 45 Prozent der Rechner an Privatleute verkauft wurden. Kleine und mittlere Unternehmen bestellten 38 Prozent, Konzerne zwölf Prozent. Für die erste Jahreshälfte 2004 schätzt Escherich, dass Großunternehmen beinahe jeden fünften Rechner gekauft haben, während der Anteil der Privatanwender unter 40 Prozent gefallen ist.

Die Entwicklung hat jedoch gravierende Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial der verschiedenen Hersteller - und auf ihre Überlebensfähigkeit im PC-Bereich. Firmen wie Medion und Gericom, die das Privatkundensegment über den Preis erst richtig in Fahrt gebracht und die etablierten Wettbewerber massiv unter Druck gesetzt haben, sehen sich inzwischen einem fast gesättigten Markt gegenüber. So genannte A-Brands hingegen, Marken der ersten Kategorie wie FSC, HP oder Acer, können nun ihren Namen und die Beziehungen zu Unternehmenskunden ausspielen. Laut Context ist der Anteil der IT-Konzerne am westeuropäischen Channel-Geschäft im zweiten Quartal um fünf Prozentpunkte auf 55,6 Prozent gestiegen. Demgegenüber nahm der Anteil der "übrigen Anbieter" von 29,3 auf 24,5 Prozent ab.

Doch trotz der halbwegs guten Aussichten - man mag es kaum noch sagen - "geht die Konsolidierung weiter". Dataquest-Analystin Escherich würde sich nicht wundern, "wenn in den nächsten zwei Jahren einer der weltweiten Top-Ten-PC-Hersteller vom Markt verschwindet". Es sei einfach nicht genügend Platz für alle vorhanden. Selbst Schwergewichte wie HP tun sich in dem Umfeld schwer, Gewinne zu erzielen. Mit einem Umsatz im jüngsten Quartal von 5,9 Milliarden Dollar verzeichnete die Personal Systems Group einen operativen Gewinn von gerade einmal 25 Millionen Dollar.

Warum ist das zu wenig? Zwar handelt es sich um den traditionell schwächsten Berichtszeitraum im Jahr, und im Vergleich zu 2003 konnte der Umsatz um 19 Prozent gesteigert werden. Zudem verwandelte HPs PC-Sparte einen Verlust von 56 Millionen Dollar aus dem Vergleichsquartal des Vorjahres in einen Profit. Aber: Schätzt man die Zahl der von HP verkauften PCs und Notebooks über den Daumen auf rund fünf Millionen Stück, errechnet sich ein operativer Gewinn pro Gerät von fünf Dollar. Einschließlich der einkalkulierten Fehlertoleranz ergibt sich eine Gewinnspanne von 0,5 bis ein Prozent pro Rechner. Viel Spielraum bleibt da nicht mehr.

Umsatzwachstum ist machbar

FSC strebt ebenfalls für das laufende Fiskaljahr einen Umsatzanstieg an, den Firmenchef Bischoff auf rund zehn Prozent prognostiziert. Das wäre eine deutliche Verbesserung gegenüber den vergangenen Jahren, als die Einnahmen beständig schrumpften. Auch werde der Gewinn des Vorjahres (62 Millionen Euro) gesteigert. Zu konkreten Zahlen schwieg sich Bischoff aus, an eine Ergebnisverbesserung um 50 Prozent glaubt er indes nicht. Im Gegensatz zu HPs Personal Systems Group kommt FSC allerdings zugute, dass 40 Prozent der Umsätze aus dem Enterprise-Geschäft mit Servern und Speichern stammen - hier sind die Margen deutlich höher. Mittelfristig soll die Verteilung der Einnahmen daher auch ausgeglichen werden, um die zyklische Anfälligkeit durch das PC-Geschäft zu verringern.

Mit seinem "Green-PC", der aus wiederverwertbaren Materialien besteht, hat FSC aber auch relativ früh auf einen gewissen Mehrwert gesetzt, der sich nicht in der nackten Feature-Liste der Rechner niederschlägt. Inzwischen sind fast 20 Prozent der ausgelieferten Desktops grüne Rechner, sagt Firmenchef Bischoff: "Für manche Kunden, etwa aus der öffentlichen Hand, ist das inzwischen ein Kaufkriterium." Einen anderen Ansatz verfolgt beispielsweise der koreanische Notebook-Newcomer Averatec im Privatkundensegment, der einen mobilen Rechner als "Instant"-DVD-Player verkauft. Mit dem Gerät lassen sich Spielfilme abspielen, ohne dass das Betriebssystem hochgefahren werden muss.

"Man kann sich auch im PC-Umfeld differenzieren", sagt FSC-Manager Bischoff, der das Wort "Commodity" nicht gerne hört. Seine Forderung, die indes auch auf ihn zurückfällt: "Die Hersteller müssen ihren Kunden noch stärker den Mehrwert vermitteln, den sie bieten." Wenn es ihn denn gibt. Auf den Massenmarkt alter Prägung lassen sich solche Ansätze nur schwer übertragen - die Serien würden kleiner, die Geräte spezialisierter, die Entwicklungskosten stiegen.

Anbieter müssten sich zudem ansatzweise vom Paradigma der allein selig machenden "großen Zahl" verabschieden. Viel würden sie dabei nicht verlieren: "Die Lowend-Maschinen der Privatkunden haben auf die Wertschöpfung des Marktes keinen nennenswerten Einfluss", sagt Analystin Escherich. Hier gehe es nur um das Volumen. Immerhin rechnet sie für 2005 mit einem Anstieg der Stückzahlen in Deutschland um etwas über zehn Prozent. Ob das ausreichen wird, um den Umsatz und die Marge der Hersteller zu verbessern, darf indes wieder einmal bezweifelt werden.

Hier lesen Sie ...

- wer heutzutage noch PCs und Notebooks kauft;

- welche Anbieter von der Entwicklung profitieren;

- wie lange das PC-Ersatzgeschäft anhalten wird;

- was einige Hersteller unter Mehrwert verstehen.

Zwei Ex-Hoffnungsträger

Der Tablet-PC

Ein Reinfall ist der Tablet-PC, auch wenn das Konzept viel versprechend klang: ein mobiler, mit Stift zu bedienender Hardwarehybride aus Laptop, PC und Touchpad. Allerdings waren die Einstiegspreise derart hoch, dass es zumeist nur zu einem Pilotversuch bei Anwendern reichte. Den Anteil der Geräte am PC-Markt schätzen Marktforscher auf rund ein Prozent. Einer Umfrage von Canalys unter Händlern zufolge fordern 40 Prozent eine Preissenkung, um das Tablet-Geschäft zu beflügeln. Etwa 30 Prozent wünschen sich spezifische Applikationen, um die Nachfrage vertikaler Märkte anzukurbeln.

Der Media-PC

"Rechner ins Wohnzimmer", lautete der Aufruf der Hersteller vor einem Jahr. Der Media-PC als Entertainment-Plattform, angereichert um Kopier-, Brenn- und TV-Funktionen, hat sich nicht durchgesetzt. Ein Anbieter konzedierte, es müsse noch mehr Bedarf geweckt werden. Allein die Unterstützung von Microsoft stimuliere nicht automatisch auch die Nachfrage. Der Durchbruch lässt auf sich warten, so lange sammeln die Hersteller Erfahrungen in der Unterhaltungsgerätebranche.

Wer profitiert vom schwachen Dollar?

Ein Problem, mit dem jeder europäische Anbieter im PC-Markt zu kämpfen hat, ist der schwache Dollar. Weil der Kurs der Leitwährung in den vergangenen Jahren gefallen ist, sind zwar die Komponenten billiger geworden. "Allerdings ist der Wettbewerb in der IT-Branche so hart, dass jeder Einkaufspreisvorteil sofort an den Kunden weitergegeben werden muss", sagt Dieter Weißhaar, Vorstandschef der Tübinger Transtec AG. Einen Puffer, von dem die Anbieter zehren könnten, gebe es nicht.

Wurden früher beispielsweise 100 Millionen Euro im Jahr umgesetzt, nehmen Hersteller nun mit der gleichen Stückzahl nur noch 80 Millionen Euro ein. Beläuft sich der Verdienst auf durchschnittlich 20 Prozent, sinkt der Gewinn von 20 Millionen auf nur noch 16 Millionen Euro: "Sie bekommen für die gleiche Arbeit vier Millionen Euro Rohertrag weniger", berichtet Weißhaar. Ein Großteil des Preisverfalls im PC-Markt sei folglich nicht technologiegetrieben, sondern durch den Dollar verursacht.

Abb: Notebooks glänzen nicht mehr

In sieben westeuropäischen Industrienationen hat sich die Nachfrage nach Notebooks merklich abgekühlt. Quelle: Context