Fachkräftemangel heizt den Offshore-Trend an

22.12.2006
Unternehmen in Europa und den USA finden nicht genug qualifizierte Mitarbeiter im eigenen Land.

Vor allem der Mangel an hoch qualifizierten Mitarbeitern veranlasst Unternehmen, bestimmte Bereiche in Offshore-Regionen wie Indien oder China zu verlagern. In einer gemeinsam betriebenen Umfrage von Booz Allen Hamilton und der Duke University in Durham, North Carolina, bezeichneten drei Viertel der 537 europäischen und US-amerikanischen Firmen den "Zugang zu qualifiziertem Personal" als Hauptmotiv für ihre Offshore-Strategien.

"Unternehmen in Europa und den USA finden nicht genug 'High Potentials', um ihre Innovations- und Wachstumsstrategien umzusetzen", erklärte Professor Arie Lewin, Direktor der Universität und Leiter der Studie. Die Zahl der Hochschulabsolventen in Ingenieurs- und Naturwissenschaften gehe kontinuierlich zurück. Dadurch könnten mehrere hunderttausend Stellen nicht oder nicht adäquat besetzt werden. In Deutschland sind vor allem Informtiker vom Aussterben bedroht (siehe auch "Bitkom beklagt Mangel an IT-Mitarbeitern"). Auch Netzspezialisten sind Mangelware (siehe auch "In Deutschland machen sich Netzspezialisten rar").

Als wesentlicher Aspekt beim Offshoring gilt mittlerweile auch die "Beschleunigung der Marktreife". 48 Prozent der befragten Unternehmen nannten sie als wichtigsten Grund für die Verlagerung von Jobs in Niedriglohnländer. Das sind 70 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Damit wird deutlich, dass Offshoring nicht mehr länger nur als Mittel zur Kostensenkung, sondern vor allem zur Erreichung von strategischen Geschäftszielen angesehen wird.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: In den USA gehen bei anspruchsvollen Jobs - etwa Sales & Marketing, Forschung & Entwicklung oder Produkt-Design - pro Projekt, das in ein Niedriglohnland verlagert wird, im Schnitt elf Arbeitsplätze verloren. Bei einfachen Bürotätigkeiten werden dagegen 23 Jobs im Heimatland vernichtet. Nach Ansicht von Vinay Couto, Vice President von Booz Allen Hamilton, gewinnen so genannte White-Collar-Jobs beim Offshoring zunehmend an Bedeutung: "Den Unternehmen geht es immer mehr darum, sich Zugang zu neuen Talent-Pools zu verschaffen."

Diesen Trend heizen vor allem die kleineren Firmen an: Laut Umfrage haben 48 Prozent der Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern bei ihrem ersten Offshore-Projekt auch anspruchsvolle Stellen wie Produktentwickler und Ingenieure verstärkt in Offshore-Regionen verlagert. Bei den großen Konzernen lag dieser Anteil nur bei 16 Prozent.

Bei den Offshoring-Risiken stehen Kontrollverluste mit 48 Prozent der Nennungen mittlerweile an erster Stelle. "Viele Firmen kommen beim Offshoring nicht schnell genug mit der Anpassung ihrer Organisation und ihrer Prozesse hinterher", so Couto. "Das größte Risiko liegt daher im Unternehmen selbst."

Indien ist nach wie vor die erste Adresse für hoch qualifizierte Jobs. In puncto Engineering, Produktentwicklung und Beschaffung gewinnt aber auch China zunehmend an Bedeutung. Und die Philippinen sind vor allem für die Verlagerung von einfachen Bürotätigkeiten und Contact-Centern begehrt. (sp)