Terminalemulation grafisch aufwerten

Facelifting ebnet DVG den Weg in die Client-Server-Welt

08.03.1996

Mit der "Oberflaechenveredelung" versucht die DVG schon jetzt eine hoehere Akzeptanz der Sachbearbeiter fuer die neuen Anwendungen zu erreichen. "Intelligente" Arbeitsplatzrechner sollen auf die kuenftigen Client-Server-Anwendungen vorbereiten und gleichzeitig den Organisatoren der Sparkassen die Potentiale der neuen Technik deutlich machen. Die DVG betrachtet das Facelifting-Projekt deshalb als ersten Migrationsschritt. Dieser Anreiz ist unter anderem notwendig, um die Sparkassen zu Investitionen in PC- Arbeitsplaetze und Netzwerke zu bewegen.

GUI von der Anwendung entkoppelt

"Unser Hauptanliegen mit dem Facelifting-Projekt ist es, dem Benutzer eine einheitliche grafische Oberflaeche fuer Host- und Client-Server-Anwendungen zu bieten. Die Vorteile fuer unsere Kunden, die Sparkassen, sind eine verbesserte Software-Ergonomie, eine vereinfachte Bedienung sowie ein reduzierter Schulungsaufwand," erlaeutert Achim Weis, der fuer das Projekt verantwortliche DVG-Experte.

Erste Versuche scheiterten jedoch an den Schwaechen der eingesetzten Tool-Umgebung. Sie bot zu wenig Automatismen; jede Aenderung der Host-Oberflaeche zog einen grossen Arbeitsaufwand bei der Anpassung der grafischen Oberflaeche nach sich. Es wurde ein weiterer Versuch mit dem Produkt "Phantom" von Fogelberg & Partner gestartet, der nach einer Pilotphase schliesslich zum ersten Facelifting-Projekt fuehrte. Entscheidend war, dass die Loesung keine Rueckwirkungen auf die Anwendungen hatte und rein auf der Client- Seite ablaeuft.

Das Werkzeug stammt vom schwedischen Softwarehaus Entra Data AB. Es greift direkt auf den 3270- beziehungsweise 5250-Datenstrom vom Hostrechner zu und wandelt die zeichenorientierte Bildschirmdarstellung in GUI-Masken um, die auf dem PC unter Windows oder OS/2 dargestellt werden. Das Werkzeug besteht aus einem Editor, mit dem die GUI-Masken erstellt und veraendert werden, sowie einem Runtime-Modul, das die Masken auf dem PC ausfuehrt. Auf der Host-Seite sind weder eine Zusatzsoftware noch eine Aenderung der Applikation notwendig.

Bei der DVG wurden zuerst die wichtigsten Teilanwendungen der computergestuetzten Sachbearbeitung und Beratung (CSB) "phantomisiert". Das Facelifting soll die Praesentation am Bildschirm fuer den Sparkassenkunden ueberzeugender gestalten, denn an dieser Nahtstelle bestand bislang der groesste Handlungsbedarf.

CSB wird von 35 der insgesamt 57 an die DVG angeschlossenen Sparkassen am Beratungsarbeitsplatz im Front-Office eingesetzt. Die Anwendung laeuft bei 23 Sparkassen dezentral auf Institutsrechnern IBM ES9000. Die uebrigen greifen zentral auf den Hostrechner der DVG zu. Die PCs laufen unter OS/2 und sind ueber Token-Ring-Netze mit den dezentral arbeitenden Geschaeftsstellen verbunden. Mittlerweile hat die DVG rund 500 Bildschirmmasken der CSB-Anwendungen umgesetzt. Weis: "Sind die spezifischen Probleme der Applikationen einmal geloest und Templates fuer die haeufigsten Bildschirmmasken erstellt, lassen sich die Hostanwendungen sehr schnell umstellen. Aehneln sich die Masken, so dass kein weiteres Design erforderlich ist, sind selbst viele Ein- und Ausgabefelder innerhalb einer halben Stunde umgestellt."

Nicht Umfang und Qualitaet des Programmcodes sind entscheidend fuer den Aufwand des Facelifting-Projekts, sondern allein die Zahl und der Aufbau der Bildschirmmasken. Erschwert wird die Umsetzung zum Beispiel, wenn die Masken mit Daten vollgepackt sind. Da die grafische Darstellung ohnehin mehr Platz benoetigt, muessen in solchen Faellen aus einer Maske mehrere Panels abgeleitet werden.

Zusaetzliche Arbeit machen auch dynamische Masken, deren Aufbau sich je nach Anwendungskontext oder Aufgabenspektrum des Sachbearbeiters unterscheiden. Erleichterung brachte dagegen die Phantom-Unterstuetzung von Statuszeilen und Toolbars - DVG-eigene Rexx-Zusatzfunktionen wurden so ueberfluessig.

Ausserdem betont Weis den hohen Automationsgrad der Werkzeuge: "Die Eingabefelder des Entwicklungseditors werden automatisch erkannt, zudem stehen grafische Elemente wie Icons, Push-Buttons und Pull- down-Menues zur Verfuegung. Die Einarbeitungszeit liegt fuer GUI- erfahrene Entwickler bei drei bis acht Tagen."

Durch "Point and Click" laesst sich der Maskenvorschlag direkt am Bildschirm aendern. Der Aufruf einer Funktionstaste genuegt, so der Experte, um die Maske innerhalb der Entwicklungsumgebung aufzubauen und zu pruefen, wie sie aussieht beziehungsweise reagiert. Der Funktionstest kann sowohl lokal als auch angebunden an die Host-Umgebung erfolgen.

Ein wichtiger Punkt in der Auswahl der Werkzeuge war Weis zufolge die Unterstuetzung der CUA-Standards (CUA = Common User Access), die von Phantom automatisch ueberprueft werden. Bei der DVG werden neben den CUA-Standards zur Bildschirmgestaltung auch der Style Guide des Sparkassen Informatik Zentrums (SIZ) beruecksichtigt. Darin sind die Leitlinien zur einheitlichen Gestaltung aller neuen grafischen Anwendungen in den Sparkassen festgelegt. Als vorteilhaft hat sich auch erwiesen, dass Phantom eine einheitliche Schnittstelle zu den Programmiersprachen Rexx und C bereitstellt, ueber die sich Zusatzfunktionen realisieren lassen.

Unter dem Motto "Weniger ist mehr" resuemiert Weis: "Wer an Facelifting denkt, sollte seine Ansprueche an die grafische Benutzeroberflaeche anfangs nicht zu hoch schrauben und auf zuviel Zusatzfunktionalitaet vorerst verzichten. Wichtiger ist eine stabile grafische Oberflaeche fuer die ersten Schritte und die Eingewoehnungsphase. Abhaengig vom Feedback der Anwender koennen dann gezielt weitere Zusaetze realisiert werden.

DVG in Zahlen

Die DVG ist in Karlsruhe als Datenverarbeitungsgesellschaft fuer die badischen Sparkassen taetig. Weitere Leistungen werden in den Bereichen Beratung und Programmierung erbracht. Nach einer Fusion und der Eingliederung weiterer zwei Sparkassen waren Ende 1994 insgesamt 57 Geldinstitute mit einer Bilanzsumme von 75,4 Milliarden Mark an das Rechenzentrum in Karlsruhe angeschlossen.

1994 wurden insgesamt 438,9 Millionen Buchungsposten verarbeitet und 15 Millionen Konten verwaltet. 5813 Endgeraete werden von Mitarbeitern bedient. Ende 1994 waren im Selbstbedienungsbereich 593 Geldautomaten und 1194 Kontoauszugsdrucker angeschlossen. Die bevorstehende Abloesung der bisher bei den Sparkassen eingesetzten Daten-Endgeraete, Selbstbedienungs- und Terminalzentral-Einheiten durch eine neue, auf PC-Techniken basierende Geraete-Generation (Client-Server-Architektur) macht mittelfristig eine Neuausrichtung der Anwendungen erforderlich.