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Wachsende Kritik

Facebook verunsichert Nutzer mit Datenschutz-Wirrwarr

19.05.2010
Der Ruf des Online-Netzwerks Facebook hat arg gelitten: Nach mehreren Änderungen beim Datenschutz trauen viele Nutzer dem Marktführer nicht mehr über den Weg. Nun plant das Unternehmen offenbar einen Schritt zurück.

Claudia gefällt's nicht mehr bei Facebook. Die IT-Beraterin ist verunsichert von den wechselnden Datenschutz-Bestimmungen und denkt über einen Ausstieg nach. "Du weißt einfach nicht, was die wissen und wofür es verwendet wird", sagt die 31-Jährige, "die ganze Sache ist sehr intransparent".

Vielen Nutzern geht es derzeit ähnlich. Facebook hat wegen seiner Regeln zur Privatsphäre schon seit Jahren Ärger, in jüngster Zeit ist die Kritik am Online-Giganten aber immer lauter geworden - selbst in den USA, wo Datenschutz traditionell eine geringere Rolle spielt als in Europa. Denn mehrere Änderungen aus den vergangenen Monaten sorgen dafür, dass die einst privat anmutende Plattform immer öffentlicher wird.

Der Druck wächst. Die Mitgliederzahlen brechen zwar nicht ein. Mehr als 400 Millionen Nutzer zählt Facebook, die 500-Millionen-Markedürfte nicht weit entfernt sein. Doch: Gibt man im Suchschlitz von Google "Facebook" ein, schlägt die Suchmaschine als Vervollständigung unter anderem "Facebook Account löschen" vor - das heißt, schon einige andere haben sich dafür interessiert.

Facebook steckt in einem Zwiespalt: Zum einen darf das Unternehmen seine Mitglieder nicht vergraulen. Zum anderen muss es aber die Investitionen von rund 740 Millionen Dollar rechtfertigen und bald Gewinne abwerfen. Personalisierte Werbung gilt hier als Königsweg. Ohne Nutzerdaten geht das nicht.

Das "Wall Street Journal" berichtet nun, dass von Firmenchef Mark Zuckerberg auch aus den eigenen Reihen gefordert werde, den Nutzern wieder mehr Kontrolle zu geben. Änderungen könnten schon bald erfolgen.

Einige Wettbewerber wollen von den schlechten Schlagzeilen des Marktführers profitieren: In Deutschland trommeln die VZ-Netzwerke für ihre angeblich strikteren und besseren Datenschutz-Regeln. Auch US-Rivale MySpace kündigte jüngst Verbesserungen an.

An der kalifornischen Pazifikküste spürt man den Gegenwind. Elliot Schrage, der zuständige Manager des in San Francisco ansässigen Konzerns, muss die Datenschutzrichtlinien von Facebook verteidigen und erklären, warum diese so kompliziert sind. "Niemand bei Facebook will unseren Usern das Leben schwer machen", meinte Schrage in der "New York Times", es sei aber schwer, die Regeln gleichzeitig präzise und verständlich zu machen.

Dass es an Übersichtlichkeit mangelt, rechnet die Zeitung wie folgt vor: Die Wörteranzahl bei den Facebook-Datenschutzbedingungenhabe sich in den vergangenen fünf Jahren nicht nur fast versechsfacht - mittlerweile seien sie mit 5830 Wörtern sogar länger als die Verfassung der USA (4543 Wörter).

Im April kündigte Facebook-Chef Zuckerberg außerdem an, externen Websites kurze Programmcodes anzubieten, um personalisierte Facebook-Inhalte zu integrieren. Erstes Feature ist der bekannte "Gefällt-mir"-Button ("Like").

Auch Claudia war durch die sich ständig ändernden Bestimmungen bei Facebook aufgeschreckt. Bei aller Sorge hat sie ihren Account aber noch nicht deaktiviert. Ist man erst drin, ist es schwer, wieder herauszukommen. Claudia hat durch Facebook alte Freunde wiedergefunden und sogar den Kontakt mit ihrer Familie in Südamerika aufgefrischt. "Ich bekomme viel mehr von deren Leben mit, durch Einträge oder Fotos." Ohne das Netzwerk "befürchte ich, Kontakte wieder zu verlieren", sagt Claudia. Wie es jetzt weitergeht, darüber hat sie noch nicht entschieden.

Facebook kämpft um seinen Ruf. Den Vorwurf, das Netzwerk würde private Daten an Firmen verkaufen, bezeichnete Elliot Schrage als das "wahrscheinlich größte Missverständnis über Facebook. Wir geben Eure Informationen nicht an Werbekunden weiter."

So richtig glauben will Claudia dies nicht. "Man weiß nicht genau, was gespeichert, und vor allem wann wo wie was weitergegeben wird." Außerdem könne man seine Mitgliedschaft gar nicht löschen, sondern lediglich deaktivieren. "Für mich ist das auch ein Grund, dass ich noch nicht draußen bin", meint die IT-Beraterin. "Außerdem macht es aber dummerweise zu sehr Spaß.» (dpa/tc)