Kriterien für die Auswahl fremder Software-Kapazitäten

Externe: Der DV-Chef als Zauberlehrling

05.06.1981

Vorurteile bei den DV-Anwendern, Verständnislosigkeit auf der Seite der

Externen" - die Ursache für die Manpower-Klemme im Softwarebereich untersucht DV-Personalvermittler Jochen A. Primavesi*:

Nahezu jeder DV-Anwender hat bereits Erfahrungen mit externen Mitarbeitern gesammelt. Waren diese zufriedenstellend, hat sich kaum jemand dafür interessiert, wie der Beschaffungs-, Auswahl- und Entscheidungsprozeß gelaufen ist. Brachten die externen Dienstleistungen jedoch nicht den gewünschten Effekt, werden meist vordergründige Aspekte im Hause diskutiert. Es fallen Worte wie "der falsche Mann", "zu große Anlaufzeiten", "Unruhe bei den eigenen Mitarbeitern". Manchmal kommen auch eigene Versäumnisse zur Sprache: "Das nächste Mal müssen wir unsere Mitarbeiter auf den Einsatz der Externen besser vorbereiten; die Aufgabenstellung präziser gestalten; die Einsatzgebiete strenger abgrenzen; die interne und externe Kommunikation sowie die Projektkontrolle verbessern."

Zunächst jedoch bleibt ein für beide Teile nachteiliger Eindruck bestehen: Vorurteile auf der Auftraggeber-, Unsicherheit und Verständnislosigkeit auf der Auftragnehmerseite.

Um in Zukunft ein besseres Ergebnis zu erzielen, machen sich die Verantwortlichen ganz selten Gedanken darüber, den ersten Schritt- den Beschaffungs- und Auswahlvorgang grundlegend zu ändern. Die aus den gemachten Erfahrungen übriggebliebenen Erkenntnisse gipfeln in den Vorsätzen, den Wettbewerb auf eine breitere Basis zu stellen, dem Ausleseprozeß mehr Sorgfalt zu widmen und in Zukunft Referenzen intensiver nachzugehen. Aber wie? In der BRD bieten rund 1500 externe DV-Unternehmen - die vielen freiberuflichen Einzelkämpfer nicht gerechnet - ihre Dienstleistungen an.

Die größeren DV-Dienstleistungsunternehmen - meist überregional tätig - scheinen weitgehend bekannt zu sein. Weit gefehlt. Im Rahmen einer kürzlich in der BRD durchgeführten Erhebung einer ausländischen Standesorganisation hatten die befragten Verantwortlichen (Entscheidungsträger im DV- und GL-Bereich) noch nicht einmal das Dutzend Namen der DV-Dienstleistungsunternehmen parat, von denen von Zeit zu Zeit wenig aufschlußreiche Statistiken (Anzahl Beschäftigte und Umsätze) veröffentlicht werden. Bemüht der Suchende für ihn relevante Verbände, bleiben die Angebote meist auf regional eingefahrene Gleise beschränkt.

Der Blick in ein weitverbreitetes Standardwerk der Software-Industrie vergrößert das Spektrum um rund weitere 250 Unternehmen - als Informationsbasis sicher ein erster Schritt, leider jedoch ohne aktuelle Wertung.

Insgesamt scheuen sich die meisten DV-Verantwortlichen vor einer breitangelegten Ausschreibung. Die Gründe: der damit verbundene Arbeitsanfall und die fehlenden

Instrumente den Auswahlvorgang objektiv durchzuführen. Zudem fühlen sich viele DV-Chefs in der Rolle des "Zaubehrlings", der die (auch nicht geeigneten) Geister rief und nicht mehr los wird. Was besagen soll, daß die Leiter - nicht ganz zu Unrecht - argwöhnen, durch die jeder Ausschreibung folgenden Akquisitionsbemühungen der Externen zeitlich noch mehr strapaziert zu werden.

Fazit: Eine Verbesserung der Markttransparenz würde zwar Auftraggebern und Auftragnehmern gleichermaßen zugute kommen, jedoch nur, wenn zusätzlich die mit Angebot und Nachfrage verbundenen Kommunikationsprobleme gelöst werden.

"Vor-Checking" nach vielschichtigen Kriterien

Im Rahmen der Veränderungen der Hardware-Landschaft sind bekanntermaßen die Anforderungen (und die Preise) für die Software gestiegen. Dies hängt in erster Linie mit den laufend fortschreitenden Personalkosten zusammen. Zusätzliche Einflußgrößen stellen einerseits die zunehmende Verbreitung des Software-Spektrums dar. Die Zeiten, in denen der DV-Anwender zur Abdeckung seiner Bedarfsspitzen und zwecks termingerechter Ablieferung seiner Problem-Projekte "erfahrene, belastbare Cobol-Programmierer mit einschlägigen Betriebssystemkenntnissen" suchte, sind endgültig vorbei. Die Aufgabenstellungen sind komplexer geworden und damit auch die Anforderungen an den externen Auftragnehmer und dessen Mitarbeiter. Dementsprechend vielschichtig sind die Kriterien, nach denen es gilt, den externen DV-Partner auszuwählen.

þArt der kommerziellen/technischwissenschaftlichen Aufgabenstellungen (Studien, Analysen, Neu-Konzeptionen, Realisierung, Kontrollfunktionen);

þFachanforderungen

þBranchenerfahrungen;

þErfahrungen mit speziellen Software-Paketen (von Herstellern, von Software-Häusern);

þregionale Verfügbarkeit;

þterminliche Einsatzplanung, Projektverfügbarkeitsgrad;

þAuftragsart (Festpreis/Zeitaufwand);

þHonorarhöhe, Reise- und Aufenthaltsspesen;

þWartungs- und Pflegeaufwand, Gewährleistung;

þauftraggeber- und projektspezifische Kriterien (Verfahren, Dokumentation, Kontrolle);

þEinholung von Referenzen (aus Fluktuationsgründen auch die der relevanten Mitarbeiter der Software-Häuser).

Die gestiegenen Anforderungen in Verbindung mit den aufgeführten Kriterien verdeutlichen, wieviel Zeit und Aufwand die DV-Anwender/Auftraggeber für die Suche, die Verifizierung, das administrative, organisatorische und fachliche "Vor-Checking" von relevanten externen Software-Kapazitäten aufwenden müssen. Eine Hersteller- und Softwarehaus-neutrale Einrichtung kann hier dem Auftraggeber in objektivierter Form wertvolle Dienstleistungen erbringen - die endgültige Entscheidung muß er jedoch selbst fällen.

*Jochen A. Primavesi ist Gründer und Mitgesellschafter der S.A.S. Software-Agentur GmbH München, die seit Anfang 1980 überregional arbeitet.