Organisatorische Defizite

Experton-Group-Studie „Information Lifecycle Management“

09.10.2006
Die Analysten der Experton-Group haben zwischen Dezember 2005 und Februar 2006 in Deutschland 135 Unternehmen zu ihrer ILM-Strategie (Information Lifecylce Management) und dem Status der Umsetzung befragt. Ergebnis: Zwar beschäftigen sich rund drei Viertel der Unternehmen in der einen oder anderen Form mit dem Thema ILM, ein unternehmensweit realisiertes ILM-Konzept können aber nur gut drei Prozent der Befragten vorweisen. Dabei zeigt sich vor allem eine deutliche Diskrepanz zwischen technologischer und organisatorischer Umsetzung: Ansätze für ILM manifestieren sich meist in Form einzelner technologischer „Bausteine“. Organisatorische Maßnahmen und die Etablierung von Prozessen hingegen stecken fast überall noch in den Anfängen.

Die Unternehmen haben ein zunehmendes Problem mit ihren Daten: Bei einem Wachstum der Datenflut von 40 bis 50 Prozent jährlich – also etwa einer Verdoppelung alle zwei Jahre – sind traditionelle Speicherkonzepte den heutigen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Hinzu kommen gesetzliche und regulatorische Anforderungen sowie anhaltender Kostendruck. Die IT-Anbieter adressieren seit zwei bis drei Jahren dieses Paradigma mit dem Thema ILM. Vor allem Anbieter im Storage- und IT-Infrastruktur-Umfeld haben nach und nach ihre Lösungen mit Blick auf einzelne ILM-relevante Anforderungen erweitert. Der Grundgedanke hinter ILM ist, den Geschäftswert von Informationen über den gesamtem Lebenszyklus hinweg mit der am besten geeigneten und kosteneffizientesten IT-Infrastruktur in Einklang zu bringen – und damit einen differenzierten Umgang mit Daten einzuleiten.

Rund 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland haben nach Einschätzung der Experton Group technologische Vorarbeiten und Grundlagen für künftige ILM-Initiativen geschaffen. Hierzu gehören Maßnahmen wie Storage-Konsolidierung, Network Storage, Virtualisierung oder Storage Resource Management. „Die vorliegende Untersuchung zeigt zwar, dass die ILM-Ansätze entgegen dieser Aussagen überwiegend eher rudimentär ausfallen. Dennoch wird deutlich, dass ILM mittlerweile einen festen Platz auf der IT- und Storage-Agenda der Unternehmen einnimmt“, formulieren die Analysten der Experton-Group.

Themen, die sich mit ILM-Konzepten effizient adressieren lassen, sind beispielsweise Business Continuity und Disaster Recovery beziehungsweise Datensicherheit, die Bewältigung des Datenwachstums, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und Langzeitarchivierung sowie generell die Kostenkontrolle im Bereich der Speicherinfrastrukturen. So gehen die Anwenderunternehmen derzeit einzelne „Pain Points“ an und greifen dabei auf ILM-Elemente zurück. Die wichtigsten Anwendungen für das ILM sind dabei ERP und E-Mail beziehungsweise entsprechende Archivierungslösungen.

Eine wichtige Voraussetzung für ILM ist unter anderem die Konsolidierung der Infrastrukturen. Die Server- und Speicher-Konsolidierung genießen bei den im Rahmen dieser Untersuchung Befragten bis Ende 2006 eine mittlere bis hohe Priorität. Die Konsolidierung bei der Backup- und Recovery-Architektur (Software) steht ebenfalls weiterhin im Fokus. Nach Einschätzung der Experton Group haben vor allem große Unternehmen bereits Storage-Konsolidierungsprojekte begonnen.

Auch Storage-Netzwerke wie SAN und NAS sind vielfach umgesetzt oder geplant. Bereits 44 Prozent der Befragten haben bis Ende 2005 SANs realisiert; weitere knapp zehn Prozent wollen in Zukunft SANs einsetzen. Immerhin 31 Prozent nutzen NAS. Rund vier Prozent wollen in Zukunft erste NAS-Implementierungen angehen. Die Impulse für Storage-Netzwerke kommen vor allem von größeren Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern.

Überhaupt sind große Unternehmen bei ILM deutlich weiter fortgeschritten als klassische Mittelständler mit weniger als 500 Mitarbeitern. Bei kleineren Unternehmen sind die Anforderungen oft weniger komplex und erlauben eher den Einsatz von Insellösungen. Im Branchenvergleich erwartet die Experton Group in den kommenden 24 Monaten besondere ILM-Dynamik aus den Branchen Telekommunikationsdienstleistungen, Energieversorger, Finanz- und Versicherungssektor sowie vom Gesundheitswesen.

Zwar ist ein Teil der Anwenderunternehmen in einzelnen Bereichen wie Storage-Konsolidierung, Virtualisierung sowie Backup und Recovery relativ weit fortgeschritten. Aber im organisatorischen Bereich konstatieren die Studienautoren noch erheblichen Nachholbedarf: „Die organisatorische Seite der ILM-Umsetzung steckt noch in den Kinderschuhen. Hier geht es vor allem um die Schaffung und Standardisierung von Prozessen.“ Dabei ist es nach Einschätzung der Autoren besonders um das Change Management für die ILM-Prozesse und –Policies schlecht bestellt; die Datenklassifizierung als Kern des Information Lifecycle Managements werde nur bedingt vorgenommen. Außerdem hat die ILM-Strategie kaum zu Änderungen in den Unternehmensstrukturen und Prozessen geführt.

Die Realisierung wirklich umfassender ILM-Konzepte, die eine lückenlose Automatisierung von heterogenen Rechenzentrums-Umgebungen bis hin zur Integration von Zweigstellen leisten, wird noch auf sich warten lassen. „Unternehmensweite Lösungen im Sinne eines „Enterprise ILM“ bei denen einzelne Produkte mit jenen anderer Hersteller austauschbar und interoperabel sind, werden bis auf weiteres eine Vision bleiben“, resümieren die Analysten der Experton-Group.