Experton Group: Deutschland mit durchwachsener ICT-Bilanz

10.08.2007
Während Deutschland sonst als Exportweltmeister glänzt, weist die hiesige Information-and-Communication-Technology-Branche (ICT) ein Handelsbilanzdefizit auf. Deshalb reicht es in der Bewertung der Experton Group nur für ein "befriedigend".

Im ICT-Markt hat Deutschland ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von 6,4 Milliarden Euro, melden die Analysten der Experton Group. Der hiesige Binnenmarkt habe mittlerweile ein Volumen von 136 Milliarden Euro jährlich erreicht. Beim Wachstum hinke Deutschland anderen Industrienationen insbesondere den USA in Sachen Informations- und Telekommunikationstechnik jedoch deutlich hinterher. Die Globalisierung hätten nur wenige deutsche ICT-Unternehmen als Chance wahrgenommen. Laut Luis Praxmarer, Global Research Director habe beispielsweise SAP Kapital aus diesem Trend schlagen können, während Konzerne wie die Deutsche Telekom und Siemens massiv unter Druck geraten seien.

ICT-Branche – ungenügend

Das Volumen des weltweiten ICT-Marktes taxiert die Experton Group auf ein Volumen von 2,1 Billionen Euro. Damit biete das Geschäft grundsätzlich gute Exportchancen. Insgesamt habe es Deutschland jedoch nicht geschafft, in dieser Branche zu einem Vorreiter und Net-Exporteur zu werden. "Deutschland spielt damit im europäischen und internationalen Markt nur eine untergeordnete Rolle", lautet das Fazit der Analysten. Ihre Note: "ungenügend".

ICT-Einsatz im Unternehmen – befriedigend

Luis Praxmarer, Global Research Director bei der Experton Group: "Die Globalisierung sehen viele deutsche Unternehmen als eine Bedrohung und nur wenige als Chance."
Luis Praxmarer, Global Research Director bei der Experton Group: "Die Globalisierung sehen viele deutsche Unternehmen als eine Bedrohung und nur wenige als Chance."
Foto: Experton Group LLC

Im Einsatz von ICT liegen die deutschen Anwenderunternehmen fast gleichauf mit den anderen Industrienationen. Der Umsatzanteil, der für IT-Investitionen aufgewendet wird, habe sich in den vergangenen Jahren an die internationalen Topwerte angenähert. Allerdings gebe es deutliche Unterschiede, inwieweit die neuen Techniken zum Geschäftserfolg beitragen. Die Experton Group beruft sich dabei auf eine Studie von Bart van Ark and Robert Inklaar, die die Produktivitätssteigerung der vergangenen 25 Jahre durch den Einsatz von IT gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Arbeitsstunde untersucht haben. Diese Untersuchung habe ergeben, dass in den USA die Produktiviät um zirka 50 Prozent gestiegen sei, während diese in der EU lediglich um zwei Prozent zugelegt habe. Deutschland liege hier im Mittelfeld.

Obwohl der Druck auf die IT, ihren Beitrag zum Geschäftserfolg zu leisten, immer größer wird, stehe bei der überwiegenden Zahl der IT-Leiter nach wie vor das Thema Kosteneinsparungen ganz oben auf der Hausaufgabeliste, kritisiert die Experton Group. Dabei hätten zwar viele Unternehmen bereits Erfolge erzielt, berichtet Praxmarer. Jedoch sträube sich der Großteil, als nächstes die wirklich schwierigen Themen wie Produktivität, Prozesse, Portfolio-Management sowie Beitrag als auch Nachweis zum Geschäftserfolg anzugehen. Innovation und Transformation würden von den wenigsten IT-Organisationen proaktiv vorangetrieben. Die meisten Unternehmen verwalten, gestalten aber nicht. Deshalb reicht es aus Sicht der Experton Group in diesem Fach nur für ein "befriedigend".

Privater ICT-Einsatz – gut

Zufrieden äußerten sich die Analysten dagegen über den ICT-Einsatz im privaten Bereich. Hier liege Deutschland leicht über dem EU-Durchschnitt. Allerdings gebe es durchaus Verbesserungsbedarf. Das spiegle sich beispielsweise in den PC-Ausstattung der deutschen Haushalte wider. Während hierzulande 43 Rechner auf 100 Haushalte kämen, liege die Rate in der Schweiz bei 87. Die USA kommen auf 80 PCs. Dagegen glänzten die Deutschen beim Internet-Einsatz. 68 Prozent der Bevölkerung tummelten sich World Wide Web und bei den Online-Geschäften liege Deutschland im europäischen Vergleich an der Spitze. Das ergibt aus Sicht der Analysten die Note "gut".

Öffentlicher Bereich – mangelhaft

Schlechte Noten gibt die Experton Group dagegen dem deutschen E-Government. Es sei nicht zu erkennen, dass diese wichtige Branche gefördert werde. "Über Lippenbekenntnisse, fehlende Zielvorgaben und Fördertöpfe, die im Vergleich zu Kohle- und Agrarsubventionen wie lächerliche Brotkrümeln aussehen, geht es nicht hinaus", kritisieren die Marktbeobachter. Im Bereich E-Government wie auch in der Ausbildung sei Deutschland gegenüber der Weltspitze klar abgerutscht, resümiert Praxmarer. "Stillstand bedeutet hier klar Rückschritt." Das in Lissabon gesetzte Ziel, bis 2010 die führende wissensbasierte Gesellschaft zu werden, liege weit entfernt. Deshalb erhält der öffentliche Bereich nur ein "mangelhaft".

Daraus errechnet die Experton Group als Gesamtnote für die deutsche ICT-Bilanz im Vergleich der 20 führenden Industrienationen lediglich ein "befriedigend". Die Unternehmen investierten nur zaghaft und die Entscheidungsträger im öffentlichen Bereich wie in Privatunternehmen beschränkten sich zu sehr auf das Verwalten, lautet die Generalkritik aus Sicht der Analysten. (ba)