BVB warnt vor übertriebenen Erwartungen:

Expertensysteme sind keine Alleskönner

05.12.1986

FRANKFURT (CW) - Die konventionelle DV stößt trotz beständiger Weiterentwicklung derzeit an ihre Grenzen. Einen Ausweg aus dieser Situation sollen Expertensysteme bringen. Stand und Entwicklung dieser Technik standen im Mittelpunkt eines Seminars des Bundesverbandes Vertriebsunternehmen Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik in Frankfurt.

Vor übertriebenen Erwartungen, so der Tenor der Veranstaltung, müsse entschieden gewarnt werden. Expertensysteme seien mit Sicherheit für bestimmte Aufgaben geeignet, für anderes hingegen überhaupt nicht. Deshalb, so Michael Richter von der Universität Kaiserslautern, könnten sie die traditionelle DV zwar ergänzen, aber nicht verdrängen: Expertensysteme bestünden zu 80 Prozent aus konventioneller Technik und nur zu 20 Prozent aus neuen Methoden.

In der Bundesrepublik werden Expertensysteme, die bisher hauptsächlich bei Forschungsinstituten und DV-Herstellern im Einsatz sind zunächst in Branchen wie Maschinenbau und Chemie Eingang finden. Bis sich diese neuen Systeme jedoch durchsetzen könnten, würden allerdings noch mindestens fünf Jahre vergehen, da die erforderlichen Spezialisten heute noch "Mangelware" seien.

Der weit verbreiteten Skepsis gegenüber der neuen Technik begegnen die Befürworter mit dem Argument des Wettbewerbsvorteils. Als Beispiel führte Dieter Schieferle, KI-Experte bei Digital Equipment, die Situation bei der deutschen Tochtergesellschaft des amerikanischen DV-Herstellers an: Jährlich, so Schieferle, würden rund 50 Millionen Mark dadurch gespart, daß sich die von einem Expertensystem bedarfsgerecht konfigurierten Computersysteme direkt beim Kunden zusammenbauen ließen. Abgesehen vom Zeitgewinn resultiere daraus eine Kostenreduzierung für Lagerung, Montagehalle und Transport.

Eine regelrechte Aufbruchstimmung im Bereich der Expertensysteme beschrieb Herbert Beschmann von IBM. "Wir sind viel weiter als viele glauben", konstatierte der bei Big Blue für den CIM-Bereich zuständige Marketing-Experte, nach dessen Worten die Szene von einer wachsenden Anzahl von Forschungsprojekten und Joint-ventures gekennzeichnet ist.

Als Haupteinsatzgebiete, so Michael Richter von der Universität Kaiserslautern, werden sich neben der Medizin auch Umweltschutz sowie Finanz- und Kreditwesen etablieren. Die Palette der Möglichkeiten beinhalte hier unter anderem Anlageberatung bei Kreditinstituten, Risikoanalyse bei Versicherungen, Verbraucherberatung sowie Büroorganisation.