KI-Symposium sucht nach Lösungen für die Praxis:

Expertensysteme leben von der Aktualität

30.06.1989

REGENSBURG (gfh) - Expertensysteme (XPS) haben viel von ihrem Nimbus verloren: Selbst Optimisten befürchten, daß die Anwender angesichts der langen Entwicklungszeiten kapitulieren. Einig waren sich die Teilnehmer des vierten Symposiums über wissens-

basierte Systeme, daß der XPS-Ansatz für bestimmte Anwendungen gut und richtig sei.

Vorsichtige Schätzungen gehen von nur rund 60 bundesweit in Betrieb befindlichen XPS-Installationen aus. Eine Reihe davon wurde im Rahmen der Veranstaltung vorgestellt.

So berichtete Wilfried Schliep, Leiter der zentalen KI-Gruppe der BMW AG in München, von zehn Projekten, die er derzeit mit sieben Mitarbeitern abwickelt.

Als Grund für die geringe Anzahl der im Einsatz befindlichen Systeme - nicht nur bei BMW - nannte er zum einen die geringe Personalausstattung und zum anderen die

lange Dauer von KI-Projekten. "Drei Mannjahre für ein Projekt sind untragbar", begründet daher Thomas Kummer-Hardt vom Bayerischen Sparkassen- und Giroverband, München, sein Plädoyer für kürzere Entwicklungszeiten. In diesem Zusammenhang verwies er auf den Trend zu kleineren PC-gestützten Systemen, die schon häufig eingesetzt würden und rasch zu realisieren seien.

Auch bei BMW haben, laut Schliep, die Expertensysteme über den PC Eingang in das Unternehmen gefunden. Dort werde allerdings versucht, wissensbasierte Anwendungen in den Gesamtablauf des Unternehmens zu integrieren. Daher habe man sich vor einigen Jahren für eine leistungsstarke Lisp-Maschine entschieden.

Großen Wert legte der BMW-Mitarbeiter auf die Wartung und Pflege der Wissensbasis von Expertensystemen, denn "das System lebt und stirbt mit der Aktualität". Und da die Verantwortung für die Wartung am jeweiligen Arbeitsplatz liege, sei die Akzeptanz der späteren Anwender eine Hauptvoraussetzung für den Nutzen solcher Systeme. In seinem Hause würden sie daher von Anfang an in die Projekte mit einbezogen.

Außerdem betonte er, daß bei BMW Expertensystemtechnik als eine DV-Methode unter vielen gilt, denn "nichts schadet dem Ruf der wissensbasierten Systeme mehr als die Erwartungen die der Begriff Künstliche Intelligenz geweckt hat".

Diese Kritik an Wortblasen wie "Künstliche Intelligenz" und "Expertensystem" trifft auf breite Zustimmung. Kummer-Hardt: "Auf keinen Fall dürfen die Unternehmer erwarten, daß ein wissensbasiertes System Probleme lösen kann, die mit herkömmlichen Methoden nicht auch in den Griff zu bekommen sind." Auch spare ein Expertensystem nicht den Experten ein, so Kummer-Hardt weiter, sondern setze ihn vielmehr als Anwender voraus.

Die Frage nach der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von Expertensystemen, ihrer Entwicklung und Wartung bei BMW, stellte Helmut Wollmersdorf, Geschäftsführer der AI Management Informationssysteme GmbH Wien. Schliep antwortete mit dem Hinweis, daß bei der Einführung dieser neuen Technologie Rentabilität noch keine Rolle gespielt habe. Im konkreten Einsatz sei der Nutzen zwar durchaus sichtbar, jedoch schwer zu messen. Konkret stelle sich ihm die Frage allerdings erst, wenn die von BMW für seine Abteilung eingeräumte Schonfrist von fünf Jahren abgelaufen sei.

Eckardt Günther, Leiter des Ostbayerischen Technologie-Transfer-Instituts e.V. (Otti) und Veranstalter des Symposiums verwies auf eine positive Bilanz bei der Henkel KGaA in Düsseldorf. Dort werde ein Expertensystem zur Steuerung chemischer Produktionsprozesse eingesetzt, das innerhalb eines Jahres die Schwelle von der Kosten- zur Nutzenphase überschritten habe. AI-Geschäftsführer Wolmersdorf dagegen errechnete anhand einer Kosten/Nutzen-Analyse für die Konfiguration von Telefonanlagen das Eintreten dieses Schwellenwerts nach - in der Regel - drei Jahren.

Bei der Konfiguration etwa von Telefonanlagen erbringen Expertensysteme seinen Ausführungen zufolge den größten Nutzeffekt durch Einsparungen in der Bearbeitungszeit und bei der Entdeckung von Fehlern. Diagnose- und Beratungssysteme dagegen zeigten ihre Stärke, wenn es um Zeiteinsparungen bei DV-Entwicklungen geht.

Einzig die Leistung rechtfertigt den Preis

Till Pfeiffer, Daten-Systemorganisator beim ADAC in München, geht die Kostenfrage über die Anschaffungskosten von Entwicklungsumgebungen und Tools an. Hier liege für ihn der Schlüssel zum Erfolg von wissensbasierten Systemen. Die Preise, die er für solche Werkzeuge nannte, schwanken zwischen unter 1000 bis zu über 100 000 Mark. Pfeiffer stellte dar, welche Leistungen der Anwender für welchen Preis erwarten darf. Von großer Bedeutung sei hierbei Umfang der Umgebung in der die Entwicklung von wissensbasierten Systemen stattfinden soll.

Als technische Leistungskriterien solle der potentielle Kunde auf die Art des Interferenzmechanismusses ebenso achten wie auf Darstellungsformen des Regelwissens und die Mächtigkeit der Syntax sowie auf eine dynamische Datenbasis.

Auf noch offene Probleme bei der Technologie wissensbasierter Systeme verwies Josef Krems, Professor an der Universität Regensburg. So sei heute weder die Repräsentation unsicheren Wissens noch nichtmonotones Schließen möglich. Während hier jedoch bereits Lösungen in Sicht seien, könne mit dem in der Wissenschaft diskutierten Einsatz neuronaler Netze vorläufig noch nicht gerechnet werden.