Hacker greifen Internet-Seiten des Pentagon an

Experten warnen vor Cyberterror-Hysterie

02.11.2001
MÜNCHEN (CW) - Nach den Terroranschlägen in New York wächst die Angst vor einer Cyber-Attacke gegen IT-Infrastrukturen von Energieversorgern oder Banken. Sicherheitsexperten der Geheimdienste gehen jedoch davon aus, dass die meisten Systeme gut abgeschottet sind, und warnen vor Hysterie.

Information Warfare ist im Grunde nichts Neues, erklärt Frank Lesniak von der technischen Auswertung des Bundesnachrichtendienstes (BND). Bereits seit der Antike versuchten Strategen, den Informationsfluss des Gegners zu stören oder zu manipulieren. Lediglich die Medien und Methoden hätten sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt.

Das Bedrohungspotenzial habe sich nach den Attacken in New York kaum geändert, meint der BND-Mitarbeiter. Aufgabe seiner Abteilung ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit herkömmlichen nachrichtendienstlichen Methoden sammelt der BND Informationen über Staaten und Gruppen, die möglicherweise einen Cyber-Angriff planten. Von Nutzen sind dabei laut Lesniak unter anderem Daten über die IT-Infrastruktur oder die Internet-Nutzung der Überwachungsziele. Nach den bislang vorliegenden Ergebnissen sei momentan nicht von einer breit angelegten Attacke im Internet auszugehen, beruhigt der BND-Mann.

Diese Einschätzung teilt Stephen Cummings, Chef des britischen National Infrastructure Security Coordination Centre (Niscc). Er glaube nicht, dass Großbritanniens IT von Cyber-Attacken bedroht sei. So besitze das afghanische Taliban-Regime weder die technischen Möglichkeiten noch das Wissen für einen Kriegszug im Internet. Auch mögliche Sympathisanten verhielten sich im Cyberspace bislang eher ruhig.

Aktionismus bringt nichtsVom Aktionismus, den die Vereinigten Staaten in Sachen Cyber-Terrorismus betreiben, hält Cummings gar nichts. Die Verantwortlichen in den USA versuchen mit neuen Institutionen und Überwachungsverordnungen, einem möglichen Internet-Anschlag vorzubeugen.

Staatliche Überreaktionen nutzen der Terrorbekämpfung wenig, erklärt Lesniak. Es bringe überhaupt nichts, riesige Datenberge anzuhäufen, in denen vielleicht irgendwo ein Hinweis auf terroristische Aktivitäten versteckt sei. Mit Hilfe von Verschlüsselungsmechanismen und unauffälligen Codewörtern ließen sich derartige Botschaften problemlos verschleiern. Auch eine staatliche Kontrolle von Verschlüsselungstechniken sei im Grunde sinnlos. "Die guten Jungs liefern ihre Schlüssel ab, während die bösen Jungs ihre eigenen Algorithmen entwickeln und genauso weitermachen wie zuvor."

Während sich Politiker, Polizeibehörden und IT-Experten noch über das richtige Vorgehen in Sachen Cyberwar streiten, gibt es im weltweiten Netz die ersten Scharmützel zwischen den Kriegsgegnern. So hat eine Hacker-Gruppe namens "Gforce Pakistan" Web-Seiten des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums umgeleitet. Die Hacker haben die DNS-Einträge der Sites geändert, so dass Besucher auf eine andere Internet-Seite gelangen. Dort werden alle Moslems dazu aufgerufen, gegen die USA in den Krieg zu ziehen. Jeder Freiwillige bekomme Waffen und eine Ausbildung.