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Experten: Videotelefonie keine "Killer-Anwendung"

18.05.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Videotelefonie ist nach Ansicht von Experten keine "Killer-Anwendung", die Mobilfunkbetreibern scharenweise neue Kunden zutreiben wird. Individuell zugeschnittene Datendienste hätten dagegen ein großes Potenzial, sagten auf dem World ICT Summit in Seoul versammelte Fachleute. "Meine Frau sieht mich seit Jahren jeden Tag. Warum sollte sie mich auch noch sehen wollen, wenn sie mich im Büro anruft?", fragte der Vizepräsident der Strategy and Planning Group des südkoreanischen Mobilfunkbetreibers SK Telecom, Shin Cho, am Mittwoch auf der Fachkonferenz.

Sein Unternehmen will im laufenden Jahr eine Milliarde US-Dollar in die Aufrüstung seines 3G-Netzes auf WCDMA investieren und mehr als 200.000 Neukunden gewinnen. WCDMA setzt auf den 3G-Standard CDMA 2000 auf, der in etwa mit UMTS vergleichbar ist. Die unterschiedlichen 3G-Standards resultieren aus den zu Grunde liegenden Mobilfunktechnologien. Während sich in Europa GSM durchsetzen konnte, setzten die US-Mobilfunkbetreiber auf die damit nicht kompatible CDMA-Technologie.

Nur noch ein Drittel des Umsatzes von SK Telecom im Bereich Datendienste werde noch mit SMS erwirtschaftet, sagte Cho. Der Rest komme durch Angebote wie Video on Demand oder Music on Demand zustande, die weit über das Herunterladen von Klingeltönen oder Zeichentrickfiguren hinausgingen. Das Unternehmen hat knapp 20 Millionen Mobilfunkkunden.

Bislang befinde sich WCDMA in Südkorea noch im Embryonalstadium, räumte Cho ein. Zunächst habe sichergestellt werden müssen, dass Kunden aus Seoul, die in den Vororten leben, ihre Telefonate weiterführen können, wenn sie sich aus der vom Netz abgedeckten Zone herausbewegen. In 20 Städten soll es demnächst WCDMA geben. Zielgruppe sind junge Menschen. Sie sollen mit günstigen Flatrate-Tarifen zum Umstieg auf die neue Technologie bewegt werden.

Der Direktor der UMTS Group von Nortel Networks, Gerry Collins, sieht die Zukunft in individuell zugeschnittenen Datendiensten. Dazu rechnet er den Austausch von Fotos, Videos und anderen Dateien mit Freunden und Bekannten. "Die Leute wollen miteinander kommunizieren. Hier liegt das Wachstumspotenzial", sagte Collins. Hinzu kämen auf die persönlichen Interessen zugeschnittene Video- und Musikangebote wie etwa die letzte Folge der Lieblingsserie, die man leider verpasst hat.

SK Telecom werde in der zweiten Jahreshälfte den "1mm Expert Agent" auf den Markt bringen, einen "intelligenten Cyberfreund", kündigte Cho an. "Wenn ich schon länger nicht mehr mit meiner Mutter telefoniert habe, wird er mich zum Beispiel fragen, ob ich sie nicht einmal anrufen will." Die Software könne einen auch nach dem Befinden fragen und bei schlechter Laune einen Kinobesuch vorschlagen. Die Verbindung zur Website mit dem Kinoprogramm lasse sich dann schnell herstellen.

WCDMA werde vor allem Handys ans Netz bringen, weniger Notebooks oder Westentaschencomputer (PDA), hieß es auf der Konferenz. "Die Verfügbarkeit zu jeder Zeit an jedem Ort und Mobilität machen es im Grunde zu einer Technologie für Mobiltelefone", sagte Weber. SK Telecom habe nach großen Anstrengungen die Idee aufgegeben, Datendienste für PDA auf Grundlage des Vorgängerstandards anzubieten. "Die Koreaner waren daran nicht interessiert", sagte Cho. (dpa/tc)