Experten streiten über SOA-Kosten

24.01.2006
Auf einer IT-Fachkonferenz in München prallten kontroverse Meinungen zur Wirtschaftlichkeit Service-orientierter Architekturen (SOA) aufeinander.

Das Argument, eine SOA spare IT-Kosten, bezeichnete der unabhängige Analyst Wolfgang Martin als "Ammenmärchen, genährt von einigen Anbietern". SOAs bildeten lediglich eine Infrastruktur für die Prozessorientierung in Unternehmen. Als solche müssten sie auch finanziert werden. Martin: "Das Geld liegt in den Prozessen." Den Return on Investment (RoI) einer Infrastruktur auszurechnen, halte er für ausgeschlossen.

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Ist der SOA-Nutzen messbar?

Auf der von IIR Deutschland veranstalteten Konferenz "IT-Leiter Tage 2006" in München sorgte diese Einschätzung für eine kontroverse Diskussion über den messbaren Nutzen Service-orientierter Architekturen. "Ich bin mit der Aussage überhaupt nicht einverstanden", erklärte Daniel Liebhart, Solution Manager beim Schweizer IT-Dienstleister Trivadis, gegenüber der CW. Er sehe durchaus Kostenvorteile. "Mit SOA lassen sich Systeme, die sich bewährt haben, weiter nutzen." Damit erhöhe sich auch der Investitionsschutz.

Die Strategie, nur noch neue Systeme im Hinblick darauf zu bauen, dass diese mehrmals verwendet werden könnten, halte er für einen Fehler: "Das ist eine reine Techniksicht." Projektverantwortliche sollten stattdessen prüfen, welche vorhandenen Anwendungen innerhalb einer SOA als Services erhalten bleiben können. Damit reduzierten sich auch die Entstehungskosten neuer Software.

Inwieweit sich die Wirtschaftlichkeit Service-orientierter Architekturen überhaupt berechnen lässt, beschäftigt Hersteller und Anwender schon seit längerem. Als Maßstab könnten beispielsweise die Grenzkosten für Prozessänderungen dienen, argumentierte Liebart, sprich: Welchen Aufwand verursacht es, wenn Unternehmen Abläufe modifizieren? In einer SOA sollten diese Grenzkosten tendenziell sinken. Seine These: "Das würde bedeuten, dass Systeme länger leben, weil sie änderbar sind."

Martin Eldracher, Leiter IT-Beratung beim Münchner Softwarehaus sd&m, verwies auf einen klassischen Zielkonflikt, der sich mit Hilfe von SOA lösen lasse: "Als strategische Paradigmen stehen IT-Agilität und IT-Wirtschaftlichkeit im Konflikt." Eine nachhaltige Verbesserung der IT sei nur zu erreichen, wenn beide Stoßrichtungen verfolgt würden. So schaffe ein wirtschaftlicher Betrieb erst die nötigen Freiräume für Investitionen in Agilität, wie sie mit SOA erreicht werden soll. Agilität wiederum beschleunige und verbillige IT-Vorhaben auf mittlere Sicht.

Geringere Wartungskosten?

Service-orientierte Architekturen gliedern eine Anwendungslandschaft in lose gekoppelte Domänen, die über Services interagieren, führte Eldracher aus. "Damit verspricht SOA Vorteile bei Wirtschaftlichkeit und Agilität, aber auch Time-to-Market und Qualität." Wenn Unternehmen wiederverwendbare Funktionen über Services bereitstellten, gewönnen sie Entwicklungskapazitäten. Einen messbaren Erfolgsnachweis lieferten auch geringere Wartungs- und Entwicklungskosten. Der sd&m-Mann belegte diese Aussagen anhand von anonymisierten Kundenbeispielen. In einem Fall lag das durch SOA erreichbare Einsparpotenzial gegenüber einem Legacy-System bei 2,7 Millionen Schweizer Franken in einem Zeitraum von drei Jahren.

Liebhart plädierte in diesem Zusammenhang für mehr Pragmatismus bei der SOA-Einführung. "Wir müssen wegkommen von der Unendlichkeit der Standard-Stacks", forderte er unter Verweis auf die Vielfalt und Komplexität der diversen Web-Services-Standards, die das Oasis-Konsortium verabschiedet. Diese seien in der Praxis oft gar nicht erforderlich. "Da nutzt man einen riesen Oasis-Stack und am Ende macht man nichts anderes als das, was auch mit FTP möglich gewesen wäre." Gerade unter Kostenaspekten sollten Anwender auch die diversen SOA-Produkte der Softwareanbieter kritisch prüfen, so der Trivadis-Experte: "Wenn wir mit SOA flexiblere Systeme bauen, kann es ja wohl nicht sein, dass die Hersteller mit teuren Messaging-Strukturen unsere Ersparnisse wieder auffressen." (wh)