Italiener binden ihre Open-Systems-Zukunft an Alpha-RISC

Experten haben Zweifel am Wert von Digitals Investition in Olivetti

03.07.1992

MAYNARD/IVREA (CW/IDG/vwd) - Nach fünfmonatigen Verhandlungen hat nun auch die italienische Ing. C. Olivetti & Cie. SpA einen US-Technologiepartner und Teilhabe: Die Digital Equipment Corp. wird bis 1994 mit zehn Prozent bei den Italienern einsteigen; für den hohen Preis setzen diese künftig auf DECs Alpha-Architektur als Plattform offener Systeme.

DECs Beteiligung soll sich in drei Schritten vollziehen, die Genehmigung der Kartellbehörden vorausgesetzt: Als erstes steigen die Amerikaner mit 4,03 Prozent bei der CIR-Holding ein, über die Carlo De Benedetti seine Olivetti-Mehrheit hält. Der Preis: 172 Milliarden Lire (zirka 200 Millionen Mark). Zum gleichen Preis erwirbt die VAX-Company bis 1994 noch einmal die gleiche Quote. Zusätzlich darf DEC mit Olivettis Einverständnis an der Börse tätig werden, um dort die zum Kapitalzehntel fehlenden 1,89 Prozent zu erwerben. Ein DEC-Vertreter stößt sofort zum Olivetti-Verwaltungsrat; ein zweiter soll bis 1994 folgen.

Mehr Olivetti PCs in Europa über DEC

Begleitend kündigten die Vertragspartner eine "strategische Allianz" an. Sie deckt folgende Punkte ab: Olivetti wird künftige Produkte auf der Basis von DECs RISC-Architektur Alpha in Form der Chips und der Systemplattform sowie der Netz-Software entwickeln, Die Amerikaner werden ihrerseits das europäische OEM-Geschäft mit PCs aus Ivrea ausweiten. Laut "Wall Street Journal" rechnet DEC damit, im laufenden Jahr 100 000 Olivetti-PCs in Europa verkaufen zu können. Schließlich soll Olivettis Labor im englischen Cambridge das gemeinsame Forschung und Entwicklungszentrum für Multimedia. und Kommunikationsprodukte werden.

Die ersten - und leistungsstärksten - Alpha-Maschinen, von DEC selbst für Oktober 1992 angekündigt, sollen ab dem Frühjahr 1993 auch über die Kanäle des italienischen DV-Konzerns vertrieben werden, meldet die "Süddeutsche -Zeitung". Danach wolle Olivetti nach und nach alle Midrange-Produkte auf die Alpha-Technologie umstellen, dabei aber abwärtskompatibel zu den eigenen alten Produkten bleiben.

Analysten bewerten den Gleichschritt von DEC und Olivetti zumeist als logische Konsequenz des Kampfes der RISC-Anbieter um Marktanteile in Europa. Der zehnprozentige Anteil an einem Anbieter, der über ein eng gezogenes Vertriebsnetz verfügt, wird gemein- ein als Erfolg für Digital gewertet was den Europamarkt angeht. David Wu vom New Yorker Brokerhaus S.G. Warburg Securities hofft für die Amerikaner, sie könnten über Olivetti besser in den Einzelhandel einsteigen und hätten größere Chancen bei öffentlichen Ausschreibungen in Europa.

Gleichwohl hält man den Preis, der sich am Ende auf um. gerechnet eine halbe Milliarde Mark belaufen dürfte, für sehr hoch. Analyst Shao Wang von Smith, Barney, Harris Upham & Co. fürchtet laut "Wall Street Journal" gar, Digital habe Geld zum Fenster hinausgeworfen: "DEC steckt mitten in einem schwierigen Umbruch, der nichts mit den europäischen Vertriebskanälen zu tun hat. Das Unternehmen hätte seine Zeit und 325 Millionen Dollar sinnvoller ausgeben können."