Experimente schon seit elf Jahren

Experimente schon seit elf Jahren IBM Deutschland will Telearbeit im gesamten Unternehmen einführen

02.04.1999
STUTTGART (CW) - Jeder fünfte Mitarbeiter der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH verbringt im Rahmen der alternierenden Telearbeit weniger als die Hälfte seiner Arbeitszeit im Büro. Nun soll diese flexible Arbeitsform in alle Unternehmensbereiche Eingang finden.

"In der Dienstleistungsgesellschaft ist Kommen und Gehen nach festem Stundenplan antiquiert", so Klaus Kuhnle, Geschäftsführer Personal und Arbeitsdirektor der deutschen IBM-Tochter. IBM experimentiert bereits seit elf Jahren mit alternierender Telearbeit. Jeden Tag entscheiden die Mitarbeiter neu, wo und wann sie arbeiten. Zu Konferenzen und zum Austausch mit den Kollegen kommen sie ab und zu ins Büro.

"Telearbeit ist Vertrauenssache"

Diese Arbeitsform praktizieren in der Regel die Mitarbeiter im technischen Außendienst, in der Verwaltung und der Entwicklung. Alle 4000 Telearbeitsplätze sind mit Andock-Stationen für den Laptop und das Telefon ausgerüstet. Der größte Teil der rund 20000 IBM-Arbeitsplätze in Deutschland soll künftig in dieses flexible Modell eingebunden werden. Am Konzernsitz in den USA sind 90 Prozent der Außendienstmitarbeiter und insgesamt jeder vierte Beschäftigte als Telearbeiter tätig, in Großbritannien liegt die Quote bei 40 Prozent.

Zur Vorbereitung auf die erweiterte Telearbeit wurde bei IBM Deutschland zu Jahresbeginn die Zeiterfassung per Stechuhr in allen Bereichen abgeschafft. "Telearbeit ist Vertrauenssache", so Werner Zorn, Projektleiter Telearbeit des Unternehmens. Zur Motivation erhalten die Telearbeiter genaue Zielvorgaben mit einem Zeitrahmen. Kein Vorgesetzter kontrolliert, wie lange und wo die Beschäftigten arbeiten. Allein das Ergebnis muß stimmen.

Zehn bis 15 Prozent der Mitarbeiter sträubten sich nach Beobachtung von Kuhnle gegen die Telearbeit. Daher kann sich jeder Mitarbeiter frei für die flexible Arbeitsform entscheiden. Als schwierigsten Moment bezeichnet Zorn den Augenblick, "wenn die Leute ihren eigenen Schreibtisch aufgeben müssen". Im Hinterkopf spuke bei vielen die Angst herum, eines Morgens ins Büro zu kommen und keinen Platz zu finden. Schließlich komme auf zwei Mitarbeiter nur ein Tisch. Als persönliches Möbelstück bleibe jedem nur noch ein Ablageschrank.

40 Übersetzer hat Zorn auf Telearbeit umgestellt. Die Spezialisten wollten ihre Arbeitszeit flexibel regeln, weil sie viel mit Kollegen in den USA zusammenarbeiten und wegen der Zeitverschiebung auch außerhalb der offiziellen Bürozeiten präsent sein müssen.

Ein Jahr lang blieb im Büro zunächst alles unverändert. Dann aber kam jeder zweite Tisch weg. Die Befürchtung, mit dem Platz auch ein Stück Privatsphäre aufzugeben, bestätigte sich nicht.