Mehrwertdienst auf der Basis von Computer-unterstützter Telefonie (CIT)

Expandierendes Geschäft mit gebührenfreien Rufnummern

30.11.1990

Viele US-Firmen auf der Fortune-500-Liste aber auch andere Großunternehmen setzen heutzutage Kataloge und gebührenfreie Telefonnummern ein, um den Kontakt zu ihren Kunden zu pflegen und neue zu gewinnen.

Das Telefon-Marketing hat sich zu einer schnell wachsenden Branche entwickelt, und Wats Marketing ist in den USA unbestritten der Branchenführer. 1989 bearbeitete man mit 1500 Mitarbeitern 32,5 Millionen Anrufe. Charles W. Brooks von Wats Marketing of America Inc. in Omaha beschreibt das Konzept: "Unser Wachstum ist das Ergebnis unserer Dienstleistungen. Wir verhandeln zum Beispiel direkt mit den großen landesweiten Telefongesellschaften, um blockweise gebührenfreie 800er Nummern für uns zu reservieren. Wir geben diese Nummer dann im Leasing an Anbieter ab, die sie in ihrer Werbung angeben können. Wir besitzen die Rechte an rund 3000 der 800er Nummern. Wir wählen bewußt Nummern aus, die man sich leicht merken kann. Das ist unser Vorteil, denn die meisten unserer Nummern sind täglich in Fernsehspots oder anderen Werbemedien zu sehen. Allerdings wäre unser Wachstum nicht möglich gewesen ohne genügend Telefonleitungskapazität."

Mit einer großen Kapazität kann man mehr Anrufe beantworten und damit die Kosten pro Auftrag senken und die Rentabilität des Angebots erhöhen. Wats ist bestrebt, durch ständige Verbesserung der Technologie die Kostenwirksamkeit für die Kunden zu steigern: Die Technologie hilft, die Anrufe den Zentren zuzuleiten, die sie am effizientesten bearbeiten können. Zweitens ermöglicht die Technologie es den Telefonverkäufern, besser auf den Anrufer einzugehen. Daneben nimmt die Technik Aufgaben ab, die früher noch von Hand erledigt werden mußten.

Wenn der Anrufer eine 800er Nummer (in der Bundesrepublik sind dies die 0130er Nummern), die er im Fernsehen gesehen hat, anwählt, läuft folgender Prozeß ab. AT&T leitet über eine Rufnummern-Identifizierung den Code, der die gewählte 800er Nummer identifiziert, an den automatischen Anrufverteiler weiter. Der liest die gewählte 800er Nummer und leitet sie an den Großrechner weiter. Der Rechner schickt sie dann auf den Bildschirm des nächsten freien Telefonverkäufers. Der Vorteil ist offensichtlich. Der Telefonverkäufer kann den Anrufer nun angebotsspezifisch begrüßen.

Anrufer spricht mit "intelligenter" Maschine

Charles W. Brooks: "Es ist ein wesentlicher Teil unseres Bemühens, dem Anrufer das Gefühl zu geben, mit der werbenden Firma direkt Kontakt zu haben. Nehmen wir einmal an, das Gespräch ist soweit erfolgreich verlaufen und der Anrufer will nun eine Bestellung aufgeben. In diesem Augenblick wird ein weiteres Computerprogramm aktiviert. Das "Link"-System hat ermöglicht, die automatische Nummern-Identifizierung von AT&T einzusetzen, über welche ein schneller Zugriff auf die Datenbank FastData erfolgt".

Wenn also zum Beispiel ein Anrufer die Nummer 1-800/The Card von American Express wählt, wird nicht nur sein Anruf zu einem Wats-Telefonverkäufer geleitet, sondern auch eine Telefonnummer, von der aus er anruft - normalerweise seine Privatnummer. FastData ist eine landesweite Datenbank mit Daten von 90 Millionen amerikanischen Haushalten, indiziert nach Telefonnummern - ein Joint-venture der American-Express-Tochtergesellschaft Direct Marketing Information Services und der R.H. Donelly Marketing Company.

Der Computer leitet also einen Anruf zu einem Telefonverkäufer und sucht in FastData die Telefonnummer des Anrufers. In mindestens 50 Prozent aller Fälle kann FastData sofort den Namen und die Adresse des Anrufers und den Bildschirm des Verkäufers abrufen. Für den Telefonverkäufer ist dies eine beträchtliche Entlastung. Der Computer nimmt ihm die mühsame Arbeit der manuellen Erfassung ab: Name, Adresse, Wohnort, Bundesstaat, Postleitzahl und Telefonnummer. Wats Marketing ist eine "Beta Test Firma" für den Automatic Number Identification Service von AT&T. ANI wurde auf die Erfordernisse des Telefon-Marketings zugeschnitten. Doch wozu dient ein solches Programm eigentlich? Brooks erklärt: "Erstens wollen wir die Richtigkeit der Adressen ständig verbessern, obwohl wir hier bereits eine Quote von 97 Prozent erreicht haben, und viertens ist das Programm nützlich, wenn der Anrufer einen schwerverständlichen Akzent oder einen komplizierten Namen hat". Die Lösung liegt derzeit in einem System mit Namen Audiotext oder Audio Response Unit (ARU). Bei Audiotext spricht der Anrufer mit einer "intelligenten" Maschine, die sich so "menschlich" wie möglich verhält. Die Stimme wird digital erzeugt.

Audiotext steckt noch in den Anfängen. Die Information Services Division von American Express hat zusammen mit AT&T die Gesellschaft "Call Interactive" zur Weiterentwicklung von Audiotext gegründet. Mit der Entwicklung einer Kommunikationsverbindung zwischen dem Telefonsystem und Hochgeschwindigkeitsrechnern wird man eine neue Form der Anrufzuteilung und damit eine neue Transparenz im Dienstleistungsbereich herbeiführen. Der Vergleich zwischen dem Psychogramm des Telefonverkäufers und jenem des Kunden wird es Wats erlauben, die Anrufe mittels künstlicher Intelligenz optimal zu verteilen. Aufgrund der Profile des Anrufers und des Telefonverkäufers wird der Computer den Anruf jenem Verkäufer zuteilen, der diesen Kunden am besten bedienen kann. Brave new world läßt grüßen.