Frankreich will dritte Elektronikweltmacht werden:

Eurotechnique geht in französische Hände über

28.01.1983

PARIS (hh) - Nach den Plänen der französischen Regierung soll Frankreich die dritte Macht auf dem Weltelektronikmarkt werden. Die Übernahme der amerikanischen Kapitalanteile an dem Halbleiterhersteller Eurotechnique durch Thomson-Brandt ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Parallel dazu verkündete Industrieminister Jean-Pierre Chevènement ein Acht-Punkte-Programm, das der französischen DV-lndustrie international zum Durchbruch verhelfen soll.

Der US-amerikanische Konzern National Semiconductor (NatSemi) hielt bislang 49 Prozent der Aktien des francoamerikanischen Gemeinschaftsunternehmens "Eurotechnique". Saint-Gobain war mit 51 Prozent zweiter Großaktionär. Zum symbolischen Preis von einem Franc je Aktie sind jetzt die amerikanischen Anteile an die französische Gruppe Thomson-Brandt abgetreten worden. Wie aus Frankreich berichtet wird, hätten noch Lizenzgebühren zur Verrechnung offengestanden.

Auch Saint-Gobain wird demnächst seine Eurotechnique-Anteile an Thomson-Brandt übergeben und sich mit diesem Schritt wie geplant aus dem DV-Bereich zurückziehen. Eurotechnique fertigt derzeit Speichereinheiten und den Mikroprozessor NS 16000.

Die Hauptaktivitäten in der französischen Elektronikindustrie liegen in naher Zukunft bei Thomson und dem staatlich kontrollierten Waffen- und Elektronikkonzern Matra. Ihnen kommt nach Aussage des Forschungs- und Industrieministers Jean-Pierre Chevénement auch der Löwenanteil der staatlichen Subventionen aus dem neuen Fünfjahresplan zu. Allein in diesem Jahr stellt die Regierung acht Milliarden Francs an Unterstützungsgeldern bereit. Vergangenes Jahr betrug die Höhe der Förderungsmaßnahmen noch 6,2 Milliarden Francs.

Es soll erreicht werden, daß Matra und Thomson bis 1986 den gesamten Bedarf an Mikroprozessoren und Speichern der französischen DV-Industrie durch eigene Produktion decken. Der Eigenanteil betrug im vergangenen Jahr noch 16 Prozent. Die IC-Entwicklung erhalte deshalb auch in dem vorgelegten Plan des Industrieministers Vorrang.

Andere staatlich geförderte Projekte beziehen sich auf die Bereiche CAD/CAM, computerunterstützte Ausbildung, Softwareentwicklung sowie Vorhaben auf dem Gebiet der Hardwareerstellung. So verdichten sich die Anzeichen dafür, daß Frankreich in absehbarer Zeit die Entwicklung eines französischen Großcomputers in Angriff nimmt. Damit wolle man sich von amerikanischer und japanischer Technologie lösen, berichtet VWD.

Als beteiligte Unternehmen dieses Vorhabens, daß auf etwa 400 Millionen Francs Entwicklungskosten veranschlagt wird, gelten derzeit Cii-Honeywell Bull (Cii-HB) und die zur CGE gehörende Sintra. Die Verwirklichung all dieser Pläne erfordert aber nach Meinung der CW-Schwesterpublikation "Le Monde Informatique" auch eine Reorganisation der sechs existierenden öffentlichen Forschungseinrichtungen.

Ein erster Schritt sei durch die Gründung des Groupement d'Intéret Public (GIP) vollzogen, einer Gruppierung, an der die INRIA, CNET und Cii-HB beteiligt sind. Dieser Verbund befasse sich mit dem industriellen Einsatz eines Minirechners, dem SM-90, der von der CNET um einen MC68000-Prozessor konzipiert worden sei, und für den die INRIA eine Softwarebibliothek entwickle.