Internes Papier laesst auf Rueckzug schliessen

Europe Online: Burda will nicht mehr den Zahlmeister spielen

12.04.1996

In einem der "Sueddeutschen Zeitung" zugespielten internen Strategiepapier ist jedenfalls von Problemen mit den Mitgesellschaftern bei der Finanzierung sowie von unnoetigen Reibereien die Rede.

Dass man in der Burda-Zentrale im Muenchner Arabellapark alles andere als gluecklich ueber die Entwicklung von Europe Online ist, ist seit Monaten kein Geheimnis. Entgegen den urspruenglichen Planungen kam kein eigenstaendiges geschlossenes Netz fuer Abonnenten zustande. Europe Online startete daraufhin Ende 1995 im Internet und bietet dort gegen Gebuehr Informationen an. Hinzu kamen offenbar bis heute nicht vollstaendig behobene Schwierigkeiten mit einem instabilen Netscape-Browser.

Bereits Anfang Februar hatte daher der fuer den Bereich "New Media" zustaendige Vorstand Gerd Bolls oeffentlich von "zahlreichen Unwaegbarkeiten" im Zusammenhang mit dem Online-Business gesprochen.

Dem fuer Bolls erarbeiteten und nun bekanntgewordenen Strategiepapier zufolge hat das Abenteuer Europe Online den Burda- Verlag bis dato rund 40 Millionen Mark gekostet. Mit einer Schliessung des Dienstes koenne der finanzielle Schaden begrenzt werden, heisst es weiter. Empfohlen wird in dem Papier laut "SZ" entweder der Ausstieg aus der Luxemburger Dachgesellschaft von Europe Online mit Weiterfuehrung des Dienstes in Deutschland oder die vollstaendige Uebernahme der internationalen Holding. Letzteres verlange allerdings, so das Papier, "sehr viel Mut und Risikobereitschaft" und duerfte Burda monatlich bis zu sechs Millionen Dollar kosten.

Burda haelt rund 36 Prozent der Anteile an Europe Online, das insgesamt elf weitere Anteilseigner hat, darunter den US-Telecom- Riesen AT&T, den britischen Pearson-Verlag sowie den ehemaligen deutschen Postminister Christian Schwarz-Schilling. Bis Redaktionsschluss lag der COMPUTERWOCHE keine Stellungnahme des Burda-Verlags vor. Gegenueber der "SZ" sprach Burda-Sprecher Philipp Welte von einer in jedem Fall bevorstehenden "Neuordnung der Gesellschafterstruktur". Man suche starke Partner, mit denen man den Dienst im internationalen Wettbewerb positionieren koenne. Das Papier ueber denkbare Zukunftsszenarien habe vor allem den Zweck, den Mitgesellschaftern der Luxemburger Holding mitzuteilen, dass man "nicht mehr der Zahlmeister sein will".