A.T.Kearney-Studie

Europas IT-Industrie wird irrelevant

24.09.2012
Die IT-Industrie liefert Schlüsseltechniken für viele Branchen etwa im Automobil- und Anlagenbau. Europäische IT-Hersteller spielen dabei kaum eine Rolle.

Die Management-Berater von A.T. Kearney haben den weltweiten Markt für IT- beziehungsweise High-Tech-Produkte analysiert und ziehen ein ernüchterndes Fazit für die europäische IT-Industrie: Weniger als zehn Prozent der globalen ITK-Umsätze der Top 100 Branchenvertreter stammen von europäischen Unternehmen, lediglich 15 der Top 100 ITK-Anbieter haben ihren Hauptsitz in Europa. Das Geschäft dominieren amerikanische und asiatische Firmen. Spitzenreiter sind die USA, die ihre erhebliche Innovationskraft in die Waagschale werfen, gefolgt von asiatischen Unternehmen, die mit ihren günstigen Produktionsstandorten punkten. In der Folge wandern auch die Jobs in das nicht-europäische Ausland. Europa verliert im globalen ITK-Markt an Relevanz.

Das ist eine bedenkliche Entwicklung, weil ITK-Produkte für Kernindustrien wie die Automobilindustrie oder der Maschinenbau eine enorme Bedeutung haben. Sie benötigen ITK-Lösungen, um sich Alleinstellungsmerkmale im globalen Wettbewerb zu erarbeiten und sind dazu immer häufiger auf nicht-europäische Hightech-Lieferanten angewiesen, sowohl in der Produktion, als auch in der Entwicklung. Eine agile und innovative europäische Hightech-Industrie hat daher nach Einschätzung der Berater von A.T. Kearney eine große makroökonomische Bedeutung.

Rückläufige Zahlen allenthalben

A.T. Kearney hat sich neun ITK-Segmente genauer angesehen (etwa IT-Dienstleistungen, IT-Hardware, Computer und Notebooks, Software, TK-Equipment, mobile Telefongeräte - siehe Bilderstrecke). Die Umsätze dieser Segmente beliefen sich 2011 weltweit auf 2,8 Billionen Dollar. Am meisten haben die Firmen mit IT-Dienstleistungen eingenommen (815 Milliarden Dollar), gute Umsätze verzeichneten zudem der Verkauf von Unterhaltungselektronik (378 Milliarden Dollar), der Halbleitertechnologie (317 Milliarden Dollar) und Software (297 Milliarden Dollar). "Wir gehen davon aus, dass in Europa 2011 nur 24 Prozent des globalen Umsatzes generiert wurden, und dass diese Zahl weiter sinken wird", sagte Axel Freyberg, Partner bei A.T. Kearney im Bereich Telekommunikation und Hightech. In den Absatzmärkten IT-Dienstleistungen, Software, Telekommunikationsequipment, Unterhaltungselektronik und Telefongeräte verliere Europa an Gewicht. Doch auf diese Entwicklung sind die hiesigen Anbieter nicht vorbereitetm, bemängelt A.T.Kearney, sie konzentrieren sich noch zu sehr auf ihre Heimatmärkte und vernachlässigen dadurch das internationale Geschäft in den Wachstumsmärkten.

In Asien gibt es Jobs, Abnehmer und Zulieferer

Ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt eine rückläufige Beschäftigung im ITK-Sektor. Insbesondere in Asien werden produktionsorientierte Jobs für elektronische Geräte geschaffen. Dafür gibt es diverse Gründe: Zum einen sind sowohl die Zulieferer als auch die Abnehmer mehr und mehr in Asien zu finden sind, zum anderen sind die Stundenlöhne deutlich günstiger. 2011 wurde beispielsweise ein chinesischer Arbeitnehmer mit durchschnittlich 2,11 Dollar je Stunde entlohnt, in Ost-Europa gab es etwa 8,04 Dollar und in West-Europa rund 40,25 Dollar. Falls es Europa nicht gelingt, sich wieder stärker im ICT-Markt zu positionieren, besteht die Gefahr, dass neben den produktionsorientierten Jobs auch Aufgaben in der Forschung und Entwicklung sowie im Servicebereich noch stärker nach Asien verlagert werden, warnen die Management-Berater. Denn auch in der Ausbildung holen die asiatischen Länder erheblich auf: Während in Europa nur 17 Prozent der Studenten für Ingenieurs-, Mathematik- oder IT-Kurse eingeschrieben sind, sind es in China 31 Prozent und in Korea und Taiwan jeweils 35 Prozent. Zwar können die USA nur auf eine Quote von acht Prozent verweisen, doch dort wird die Lücke durch die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften kompensiert.