Europaeischer IT-Oskar in Bruessel verliehen Bangemann kritisiert Alleingang der USA bei Information Society

08.12.1995

BRUESSEL (hi) - Wirtschaftsfuehrer und Mitglieder der Europaeischen Kommission (EC) kritisierten auf der European IT Conference (EITC) in Bruessel das Verhalten der Amerikaner. Stein des Anstosses ist der Versuch der USA, fuer die kommende Informationsgesellschaft im Alleingang die Standards festlegen zu wollen. Um den Anspruch der Europaeer auf ihren Platz in der Information-Society zu reklamieren, wurden waehrend der EITC der IT European Awards (ITEA) fuer innovative Produkte verliehen.

Im Rahmen der EITC diskutierten Manager und Politiker ueber die Herausforderungen der Informationsgesellschaft (Vgl. Seite 31). Der dort verliehene ITEA 95 ist als Auszeichnung fuer in Europa entwickelte innovative IT-Produkte konzipiert.

Martin Bangemann, verantwortlicher EU-Kommissar fuer die Bereiche IT und Kommunikation, der den ITEA salopp als "Oskar der IT- Branche" bezeichnete, ging waehrend der Award-Zeremonie hart mit den Amerikanern zu Gericht. Bangemann kritisierte wie andere Wirtschaftsexperten den Versuch der US-Regierung und amerikanischer Unternehmen, die Standards fuer die Information- Society im Alleingang festsetzen zu wollen. Seine Kritik untermauerte der EU-Kommissar mit dem Hinweis auf die einseitige Vergabe von Kommunikations-Lizenzen fuer Low Earth Orbiting Satellites (LEOS) durch die USA. Dies, so Bangemann, "ist ein Beispiel dafuer, wie die Vereinigten Staaten globale Regulierungsfragen auf regionaler Ebene behandeln, obwohl das Satellitennetz Einfluss auf alle Laender hat".

Ein Vorwurf, der von amerikanischer Seite jedoch entschieden zurueckgewiesen wird. Die Vergabe der LEOS-Lizenzen, so die US- Sichtweise, habe keinen Einfluss ausserhalb der USA. Vielmehr stehe es jedem Unternehmen frei, aehnliche Dienste von den USA aus oder sonstwo anzubieten.

Zur Loesung des Problems schlug Bangemann vor, eine globale Regulierungsbehoerde zu schaffen, die sich den Fragen der weltweiten IT-Dienstleistungen und dem Telecommunication-Sektor widmen solle. Daneben kann sich der Kommissar auch vorstellen, dass die Welthandelsorganisation WTO oder die ITU als globale Regulierer agieren.

Auf der Suche nach einemMittel gegen Monopole

Da solch ein Organ nicht von heute auf morgen zu etablieren ist, untersucht die EC laut Bangemann, welche Schritte sie aus industriepolitischer Sicht und Antitrust-Ueberlegungen heraus gegen Unternehmen einleiten koenne, die de facto ein Monopol ueber Schluesseltechnologien oder -Dienstleistungen haben. Dabei ist dem Politiker nicht nur die Vergabe der LEOS-Lizenzen ein Dorn im Auge, sondern auch der Softwaregigant Microsoft. "Windows hat Wettbewerber, doch aufgrund seiner schieren Groesse handelt Microsoft wie ein Monopolist, und das ist nicht gut fuer die Informationsgesellschaft."

Andere Konferenzteilnehmer zeigten sich zudem darueber veraergert, dass in den USA in der Praxis noch immer ein TK-Monopol bestehe. So auch der ehemalige Siemens-CEO Karlheinz Kaske, der die mit jeweils 200 000 Ecu dotierten IT-Awards verlieh. Der Ex-Manager steht vor allem den Bemuehungen der EU, 1998 alle nationalen TK- Monopole zu beenden, skeptisch gegenueber. Denn, so Kaske, "Florida ist groesser als Deutschland und hat doch nur einen Carrier."

Zu den gluecklichen Gewinnern des IT-Oskars gehoerten neben Digicash (vgl. Seite 32) die Silmag Company, Grenoble, sowie die norwegische Vingmed Sound A/S aus Horten. Silmag wurde fuer seinen neuen Schreib-Lese-Kopf fuer Festplatten praemiert. Im Gegensatz zu herkoemmlichen komplexen Koepfen besteht Silmags Produkt aus Silizium und wird mit dem gleichen Verfahren wie integrierte Schaltkreise (ICs) hergestellt. Neben einer kostenguenstigeren Herstellung erlaubt dieses Verfahren nach Angaben der Juroren einen hoeheren Automatisierungsgrad bei der Fertigung sowie bessere Performance.

Vingmed hat sich dagegen mit dem "System Five" der Ultraschall- Diagnose im medizinischen Bereich angenommen. Das System verwendet hochfrequente Schallwellen, um innere Organe des Menschen abzutasten, die anschliessend grafisch dargestellt werden. Zur Leistungssteigerung nutzt Vingmed bei seinem Verfahren kundenspezifische Mikroprozessoren und setzt auf das Parallel Processing.