Europäischer Installationsbus soll bald für Ordnung sorgen

19.06.1992

In der ersten Maiwoche fand in Wiesbaden der erste deutsche Facilities Management Congress und die Fachmesse "Building Automation 92" statt. Zuerst mußten einmal die Begriffe geklärt werden, damit sich die knapp tausend Besucher der beiden Veranstaltungen auf dem relativ jungen Gebiet der Gebäudeautomatisierung zurechtfanden. Von Erny Hildebrand*

"Facilities Management umfaßt sämtliche Aktivitäten, die mit der Planung, Verwaltung und Bewirtschaftung großer Gebäude, Anlagen und Fabriken zusammenhängen", machte sich Klaus Dieter Gronwald, Geschäftsführer der Advanced Graphics Systems GmbH in München, an eine Definition. Gleichzeitig führte er den Begriff "Computer Aided Facilities Management" (CAFM) ein, die computergestützte Gebäude- und Anlagenbewirtschaftung.

"Der Facilities-Manager könnte theoretisch seine Aufgaben mit Karteikästen und Zeichnungen erfüllen", meinte auch Markus Breithaupt von der Duisburger, Agiplan Anlagen ConsuIting GmbH, "aber einfacher und vor allem effizienter ist das Facilities Management unter Nutzung moderner Computersysteme". Die Gebäude- und Liegenschaftsverwaltung der 90er Jahre - darüber war man sich in Wiesbaden einig - wird computergestützt stattfinden. Egal ob dafür der Begriff CAFM verwendet wird oder man - wie Breithaupt - von "Computer Integrated Facilities Management" (CIF) redet. Die elektronische Hilfe tut not, denn viele Bauverwaltungen in deutschen Unternehmen haben inzwischen den Überblick bei ihren Fabriken und Bürogebäuden verloren.

In der Regel werden die Daten über Bauten, Innenausstattung oder installierte Technik in verschiedenen Abteilungen getrennt gesammelt, ein Austausch kann wegen Inkompatibilitäten bei Hard- und Software meist nicht stattfinden.

Ein besseres Management sollte die Kosten senken

"Mobile und immobile Facilities wachsen zu komplexen High-Tech-Konglomeraten zusammen, und diese Facilities-Systeme verändern durch immer kürzere Lebenszyklen ihrer Komponenten ständig ihre Zusammensetzung, Beschaffenheit und funktionelle Bandbreite", beschrieb Henning Balck vom Mannheimer Institut für Projektmethodik den derzeitigen Trend.

Heutzutage - das belegen Untersuchungen in den USA und Deutschland - sind an städtischen Bürostandorten 20 bis 30 Prozent der gesamten Nutzungsfläche durch Umbelegungen "ständig in Bewegung". Umbaumaßnahmen, Veränderungen der Verkabelung und neue Ausstattung der Räume sind die Folge. Besseres Management dieses ständigen Wandels und Erneuerns soll die Kosten senken; sie machen - so US-Untersuchungen - immerhin 5700 Dollar pro Person und Umzug aus. Für viele Firmen versteckt sich hier ein erhebliches Einsparungspotential, betreut doch der durchschnittliche "Hausverwalter" immerhin rund zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens, ohne daß ihm bisher der Nachweis besonderer Wirtschaftlichkeit abverlangt worden wäre.

Integrierte Facilities-Management-Systeme, die vom Bauplan bis zum Abriß eines Gebäudes alle architektonischen, statischen, haustechnischen, kaufmännischen und verwaltungstechnischen Informationen einheitlich zusammenfassen, gibt es nicht von der Stange zu kaufen. "Ihre Einführung ist ein Prozeß, der für einen längeren Zeitraum in Phasen und Schritten geplant und organisiert werden muß", betonte Breithaupt. Wesentliche Bestandteile eines solchen CAFM-Systems sind eine Computer-Aided-Design-Komponente und eine Datenbank.

"Datenbank- und CAD-System müssen so integrierbar sein, daß sie zu einer Einheit verschmelzen", nannte Gronwald als wichtigste Voraussetzung für den Erfolg. Die Rolle des CAD-Systems wird dabei weniger durch seine Konstruktionseigenschaften geprägt, als durch seine Fähigkeit, Objekte, Gegenstände etc. im Raum zu lokalisieren, ihre Lage, Zustand und Eigenschaften zu beschreiben und gegebenfalls um weitere, nichtgeometrische Attribute (beispielsweise Preis oder Abschreibung) zu ergänzen. Die geschickte Wahl der Attribute und ihre Verknüpfung ermöglicht weitgehende Aussagen über den Zustand eines Objektes. Das reicht von den Inventarlisten über Auslastungsstatistiken bis hin zu Heizkostenberechnungen in Abhängigkeit vom Gebäudezustand (Türen, Fenster, Dämmung, Raumnutzung etc.). Der Einsatz von objektorientierten Datenbanken bietet sich im Rahmen von CAFM-Systemen geradezu an, weil sie konventionelle Datenbankfunktionalität mit objektorientierten Modellierungskonzepten verbinden.

Neben dem Facilities Management als "Verwaltung der passiven Objekte beziehungsweise organisatorischen Prozesse in einem Gebäude" nannte Peter Raetz vom Geschäftsbereich "Intelligente Gebäude" der Münchener Digital Equipment GmbH (DEC) in Wiesbaden zwei weitere Aspekte, die für ihn das Gebäude-Management ausmachen.

Nach oben schließt sich das "Informationsmanagement" an, das die Aufbereitung und Darstellung gebäuderelevanter Informationen im Zusammenhang mit Informationen aus anderen Unternehmensbereichen umfaßt. Im Mittelpunkt steht dabei in der Regel die entscheidungsorientierte Aufbereitung von Informationen für finanzpolitische Zwecke.

Intelligente Gebäude sind Energiesparer

Der andere Aspekt des "Intelligent Building Managements", dem auf dem Wiesbadener Kongreß - der im nächsten Jahr wieder und zwar vom 22. bis 24. Juni stattfindet - ein eigener Tag gewidmet war, ist laut Raetz "das Management der dynamischen Gebäudeparameter". Dieser Begriff - auch mit "intelligentem Haus" oder "Gebäudeleittechnik" bezeichnet - umfaßt die Überwachung, Steuerung und Regelung aller in Echtzeit ablaufenden technischen Prozesse und Systeme in einem Gebäude.

Beim Neubau von Fabrik- und Bürogebäuden ist die Installation von elektronischen Gebäudekontrollsystemen inzwischen nichts besonderes mehr. Dem Londoner Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan zufolge betrug der Markt für Gebäudekontrollsysteme 1990 in Europa 546 Millionen Dollar, bis 1995 soll er auf 961 Millionen Dollar steigen.

Das höchste Wachstum prophezeien die Marktforscher dabei in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. John Worthington, Chef des britischen Beratungsunternehmens DEGW Group Ltd., nannte in Wiesbaden als potentiellen Markt für Intelligent-Building-Komponenten in der nächsten Zeit vor allem "große Neubauten und Renovierungsobjekte mit mehr als 5000 Quadratmeter Fläche".

Neben dem erhöhten Bedienungskomfort spielt vor allem die Energieeinsparung eine entscheidende Rolle für den Einsatz der neuen Technik. Ein Lastspitzenprogramm für Strom oder Gas beispielsweise greift bei Verbrauchsspitzen durch rechtzeitige Abschaltung von Verbrauchern oder Zuschaltung von Generatoren ein. Dies fährt zu einer erheblichen Reduzierung des Energebezugspreises. Ungünstige Btriebszustände lassen sich durch ein Statistikprogramm erkennen und beseitigen. Weitere Möglichkeiten sind unter anderem die Optimierung des Anlagenstartpunkts für Heizung und Klima, Sollwertoptimierungen von Kalt- und Kühlwasser, Optimierung von Mischluft- und Zulufttemperaturen bei Klimaanlagen, Integration von modernen Einzelraumregelungen mit Abschaltung bei Fensteröffnung oder Speicherstrategien für Direktnutzung der Nachtkühle. Werden solche Programme konsequent eingesetzt, lassen sich, so die Erfahrungen einiger Referenten, ohne weiteres 15 bis 30 Prozent der Gesamtenergiekosten einsparen.

Seit Beginn der 80er Jahre werden zur Automatisierung in der technischen Gebäudeausrüstung sogenannte DDC-("Direct Digital Control")Steuer- und Regelsysteme eingesetzt. Sowohl die eingehenden Informationen (Meldungen, Meßwerte, Zählwerte) als auch die ausgehenden Schalt- und Stellbefehle können - bei einigen Systemen sogar ohne jede direkte Kopplung - auf ein Kabel aufgeschaltet werden. Auf die Sockel werden Funktionsmodule aufgesteckt, die die Datenpunkte verwalten. Außerdem ist in ihnen ein mehradriger Datenbus eingelassen, der die Verbindung zwischen den Funktionsmodulen und dem Controller herstellt. Der Controller steuert den Zugriff auf den Datenbus und hat die Möglichkeit, auf jeden Informationspunkt zuzugreifen.

Jeder Hersteller hat in der Vergangenheit "eigene" Systeme der Kommunikation zwischen seinen Geräten, seine Bedien- und Beobachtungsstationen und seiner Programmierungseinrichtungen entwickelt. Innerhalb einer solchen Automatisierungsinsel ist in der Regel eine Erweiterung nur mit Geräten des selben Herstellers möglich.

Der Europäische Installationsbus (EIB), der von mehr als 65 führenden europäischen Herstellern - darunter ABB, AEG, Legrand, Philips und Siemens - entwickelt wurde, soll dem Durcheinander nun ein Ende bereiten. Der EIB ist auf die Belange des Elektrohandwerks zugeschnitten und verspricht die vielbeschworene Flexibilität und Wirtschaftlichkeit. Das Warenzeichen EIB kennzeichnet die kompatiblen Systemkomponenten. Unter dem Stichwort "Gebäudesystemtechnik" bieten die EIB-Entwickler ein auf die Elektroinstallation abgestimmtes Steuerbussystem zum Erfassen, Steuern, Regeln, Überwachen und Melden aller betriebstechnischen Funktionen und Prozesse sowie zu deren Systemverknüpfung.

Um die Gebäudesystemtechnik als einheitliches System auf dem europäischen Binnenmarkt zu etablieren, haben die EIB-Entwickler eine "European Installation Bus Association" (EIBA) gegründet. Deren Ziele sind die Festlegung von technischen Richtlinien für das System und die Produkte sowie die Aufstellung von Qualitätsvorschriften und Prüfanweisungen. EIBA-Geschäftsführer Hanns-Karl Tronnier beschwor in Wiesbaden bereits "ein neues Zeitalter der Elektroinstallationstechnik". Die ersten einsetzbaren Komponenten des Systems (Datenschiene Spannungsversorgung, Bus-Drossel, Verbinder und verschiedene Anwendungsgeräte wie Ein- und Ausgänge für Beleuchtung, Jalousiensteuerung und Infrarot-Decoder) sind mittlerweile auf dem Markt.

Mehrere Pilotprojekte für den Installationsbus

Mit Hilfe der Projektierungssoftware ETS ("EIB Tool Software"), die auf jedem PC unter Windows läuft, kann sich der, Elektroinstallateur einen Installationsplan und eine Stückliste ausdrucken lassen. Mehrere Pilotprojekte, bei denen der Installationsbus zunächst nur für die Beleuchtungs- und Jalousie-Steuerung eingesetzt wird, sind in der Projektierungsphase. Später sollen sie um zusätzliche Anwendungen - wie beispielsweise Heizungssteuerung und Lastmanagement - erweitert werden.

Für die erste betriebsmäßige Nutzung des neuen Systems haben sich die EIB-Strategen einen besonders symbolträchtigen Ort ausgesucht: das neue Verwaltungsgebäude des Zentralverbandes des Elektrohandwerks (ZVEH) in Frankfurt am

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