Netzkonfiguration beinhaltet ISO-Norm 7746

Europäische Postbanken planen 1992 ein eigenes Postgironetz

15.03.1991

KOPENHAGEN (IDG) - 13 europäische Postbanken wollen ab l992 unter der Federführung des Dänischen Postgiroamtes ihren Zahlungsverkehr über ein eigenes Datennetz abwickeln. Geplant ist ein europaweiter Service, der den autorisierten, direkten Kapitalverkehr zwischen den einzelnen Kontoinhabern und den konventionellen Schecktransfer umfassen soll.

Eine Reihe nationaler Postgiroämter ist derzeit an das internationale Bankennetz "Swiftnet" angeschlossen. Diese Kooperationen werden nach Angaben eines Sprechers des Dänischen Postgiroamtes bis auf weiteres unverändert fortgesetzt. Da aber nicht alle europäischen Postbanken dieses Netz nutzen, wurde die Schaffung eines eigenen, einheitlichen Datennetzes notwendig.

Das "Telegiro-Netzwerk" wird auf bereits existierenden elektronischen Zahlungssystemen der Postgiroämter aus Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und der Bundesrepublik basieren. Das neue Netz kann dadurch, so der Sprecher weiter, weitgehend kostengünstig in Betrieb gehen, Details sind aber noch nicht bekannt. Die Netzkonzeption ist darauf ausgelegt, daß von einem PC aus die Datenströme entsprechend den jeweiligen nationalen Protokollen abgerufen und bearbeitet werden können. Darüber hinaus sind noch geringe Investitionen für Standardsoftware erforderlich.

Die Kommunikation zwischen den Hosts der einzelnen Giroämter und dem Telegiro erfolgt auf der Grundlage der IBM-Standards 3780 und LU6.2. Die ISO-Norm, 7746, die gegenwärtig bereits im Swift-net zum Tragen kommt, wird die Grundlage für Zahlungsdatenaustausch bilden und so zu eine weiteren Minimierung der Kosten beitragen. Dänemark, Norwegen und die Niederlande wollen sich als erste Länder an Netz anbinden und mit der Testphase Anfang 1992 beginnen. Die übrigen Staaten werden zum Start des Projektes in April 1992 an das Netz angeschlossen.

Bei einigen von der COMPUTERWOCHE interviewten Netzwerk-Spezialisten findet die beschriebene Neuorientierung des Forums zwar insgesamt ein positives Echo, ihre Antworten legen aber auch den Schluß nahe, daß die Erfolge einer Zusammenarbeit gegenwärtig noch schwer abgeschätzt werden können und hiesige Anwender aufgrund der bisherigen OSI-Nebulosität vorerst in ihren eigenen Konzepten aufgehen. So hält es der Netzwerk-Spezialist eines großen Unternehmens, der nicht genannt werden möchte, zwar grundsätzlich für sinnvoll, sich mit ISO/OSI-Vorgaben anzufreunden, argumentiert mit Blick auf die Praxis jedoch: "Wir sind darauf angewiesen, fertige Produkte einzusetzen." Nicht ästhetische Gründe, sondern Funktionalitäten spielten bei den Beschaffungen die Hauptrolle. Eine Mitgliedschaft des Anwenders im OSI Network Management Forum sei vor allen Dingen vor dem Hintergrund zu sehen, daß sich auf diese Weise Anforderungen an das Netzwerk-Management in heterogenen Rechnerumwelten einbringen ließen. Als tragende Säulen des eigenen zum Teil noch in der Planung befindlichen Konzepts werden Netview, Netmaster und EMA von DEC genannt.

Auch bei Klöckner-Humboldt-Deutz mit Netmaster als bisherigem Haupt-Tool befürwortet man die Idee, Anwender im Bereich Netzwerk-Management stärker zu Wort kommen zu lassen, schon alleine deshalb, weil - so Paul Nikolic, zuständig für Betriebssysteme und Netzwerksystemsoftware in dem Kölner Unternehmen, die "Netze schneller wachsen, als der Fortschritt stattfindet" und heute Sterntopologien keine überragende Bedeutung mehr zukäme. Die Erfolgsaussichten des Gremiums würden aber möglicherweise dadurch geschmälert, daß sich TCP/IP sowie die auf dieser Basis ausreichend verfügbaren und auch erschwinglichen Produkte als OSI-Alternative schon zu stark durchgesetzt hätten. Wer gegenwärtig flächendeckende Netze oder auch nur LANs betreiben wolle, komme am Einsatz des für den Arpanet-Standard definierten SNMP nicht vorbei.

Dirk Dettmann, Leiter des Nürtinger Systemhauses von Stollmann, erhofft sich von der Anwenderbeteiligung eine stärkere Ausrichtung auf das gesamte System-Management einschließlich der Verwaltung von Anwendungen, denn "es nützt einem Benutzer auf lange Sicht nichts, wenn er sich für das Gesamt-Management seiner Infrastruktur mit vielen Tools abgeben muß". Die ISO selbst hätte in diesem Punkt schon eine ganze Menge Vorarbeit, geleistet; neue Drafts berücksichtigten nicht mehr nur die Netzüberwachung, sondern das Management von verteilten Systemen. Eine Teamarbeit könne außerdem bewirken, daß das Forum den bestehenden Industriestandards mehr Rechnung trägt und neue Migrationspfade aufzeigt. Dettmann, dessen Firma selbst Mitglied in dem OSI-Forum ist, hofft: "Wenn hier Unternehmen wie Boeing mitmachen, die Netzwerke mit Hunderttausenden von Teilnehmern betreiben, dann kommen ganz harte Forderungen auf den Tisch."

Aus der Sicht von Walter Gora, Unternehmensberater bei Diebold, stellt sich allerdings die Frage, ob das Gros der Anwender genug Know-how mitbringt, um schnell in der OSI-Begriffswelt zurecht zu kommen. Die Gefahr, sich in dem OSI Network Management Forum nicht durchsetzen zu können, wäre bei einer User-Beteiligung gleich von Anfang an sicher weniger groß gewesen. Der Experte für OSI-Netzlösungen gibt sich überhaupt skeptisch in Hinblick auf die Arbeit des Gremiums, da sich in der Fachwelt und auch bei den beteiligten Herstellern nach einer anfänglichen Euphorie schon bald Ernüchterung breit gemacht habe. Probleme erwüchsen insbesondere daraus, daß sich die Anbieter von ihren Konkurrenten nicht in die Karten schauen ließen und es daher an der Bereitstellung komplexer Funktionen, wie sie beispielsweise ein echtes Performance-Management erfordere, hapere. Gora: "Man wollte die ISO überrunden, man wollte heterogene Systeme wirklich administrierbar machen und ist gescheitert."