E-Commerce: Klagerecht fürs Heimatland

Europäische Kommission stärkt die Rechte der Verbraucher

06.10.2000
MÜNCHEN (CW) - Das Europäische Parlament hat eine Vorlage der EU-Kommission gebilligt, um die Rechte der Verbraucher beim länderübergreifenden Online-Handel zu stärken. Kritiker befürchten allerdings, dass damit die Entwicklung des E-Commerce gebremst wird.

Nach der neuen Regelung können Kunden bei Rechtsstreitigkeiten mit ausländischen Anbietern im eigenen Land Klage einreichen. Damit soll sichergestellt werden, dass sich unzufriedene Käufer wehren können - etwa wenn Ware nicht oder in mangelhaftem Zustand geliefert wird. Wie Testkäufe der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) gezeigt haben, werden Bestellungen über nationale Grenzen hinweg häufig nicht ausgeführt. Wer bei Reklamationen den Kaufpreis zurückfordert, müsse zum Teil monatelang warten. Wegen des weit entfernten Gerichtsstands und der fremden Sprache sei es nicht nur kompliziert, sondern auch unwirtschaftlich, den Anbieter über die Landesgrenzen hinweg zu verklagen - zumindest bei einem Streitwert unter 5000 Mark. Das soll sich mit der EU-Vorlage ändern.

Allerdings ist die Regelung der Eurokraten umstritten. Kritiker - vor allem aus der Wirtschaft - befürchten, dass das neue Gesetz den E-Commerce innerhalb der EU behindern könnte. So sei anzunehmen, dass viele Online-Shops ihre Waren aus Angst vor teuren Prozessen künftig nur noch im eigenen Land anbieten.

Streitigkeiten am Besten außergerichtlich beilegenDer Rechtsausschuss hatte aus diesem Grund eine Variante vorgeschlagen, die den Gerichtsstand jeweils in das Land verlegt, in dem der Anbieter seinen Hauptsitz hat. So könnte sich der Händler vor Verfahren im Ausland schützen. Dieser Vorschlag wurde mit dem jetzigen Votum überstimmt.

Die Parlamentarier halten das Argument, die neue Regelung beeinträchtige den länderübergreifenden Internet-Handel, für übertrieben. Um den E-Commerce wettbewerbsfähig zu machen, müsse man stärker auf die Bedenken der Verbraucher eingehen, meint etwa Diana Wallis, Mitglied des Europaparlaments. Ziel sei es sowieso, möglichst viele Beschwerden der Verbraucher außergerichtlich beizulegen. Die EU-Kommission prüfe derzeit entsprechende Möglichkeiten - etwa ein Online-Schiedsgericht.

Einigen Verbraucherschützern reicht sogar die Gesetzesvorlage nicht weit genug. Sie kritisieren, dass es bei der Regelung nur um den Gerichtsstand, nicht aber um das anzuwendende Recht gehe. AgV-Geschäftsführerin Anne-Lore Köhne hält diese Einschätzung für falsch. Sie beruft sich auf den in engem Kontakt mit dem Europaparlament stehenden europäischen Verbraucherverband BEUC (Bureau Européen des Unions de Consommateurs). Dessen Rechtsexperten zufolge gilt für die juristische Durchsetzung nicht EU-, sondern römisches Recht. Und nach diesem darf der Verbraucher nicht schlechter gestellt werden als in seinem Heimatland. Die Vorlage muss noch vom EU-Ministerrat abgesegnet werden - dann kann sie in sechs Monaten in Kraft treten.