Fasme-Projekt soll den Bürgern die Behördengänge erleichtern

Europa will alles auf eine (Java-)Karte setzen

28.01.2000
von Eva-Katharina Kunst* Ob Kredit- oder Krankenkassenkarte, Personal- oder Bibliotheksausweis: Der Bürger der Europäischen Union soll künftig nur noch eine Karte in seiner Brieftasche umhertragen. Einen Schritt in diese Richtung bedeutet die Entwicklung einer intelligenten Javacard im Rahmen des europäischen Verbundprojekts Fasme (Facilitating Administrative Services for Mobile Europeans).

Anfang dieses Jahres fiel der Startschuss für das Vorhaben; die EU unterstützt es mit drei Millionen Euro (knapp sechs Millionen Mark). Bis zum Juni 2001 wollen die Projektpartner den Prototypen einer Javacard entwickelt haben, mit der sich Behörden- und Verwaltungsaufgaben vereinfachen lassen.

Die Prototypen werden zunächst in den Städten Köln, Grosseto/Toscana und Newcastle/England eingesetzt. Mit Hilfe der Chipkarte soll es den Bürgern der drei Partnerstädte möglich sein, ihren Wohnsitz an- und abzumelden, das Sozialversicherungssystem zu wechseln und Führerschein sowie Autozulassung umzumelden, ohne am Schalter einer Behörde anzustehen. Statt dessen schieben sie ihre Chipkarte in einen Automaten.

Das eigentliche Fasme-Projekt beschränkt sich auf die genannten Verwaltungsaufgaben. Die Karte soll jedoch später auch andere Prozesse wenn nicht automatisieren, so doch zeitlich straffen.

"Die Flexibilität von Javacards ist ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Smartcards", erläutert Lutz Richter, Professor am Department of Computer Science der Universität Zürich, die sich - wie auch die Universitäten Köln und Rostock - am Fasme-Projekt beteiligt. Während bei konventionellen Smartcards funktionale Änderungen aufwändig seien, zeichneten sich Javacards durch ihre Erweiterbarkeit aus.

Das funktionale Äquivalent liegt zunächst bei den involvierten Behörden und Stellen. Sie können die auf der Javacard gespeicherten Daten per Kartenleser lokal auslesen und den länderüblichen Anforderungen entsprechend aufbereiten.

Die Authentizität des Kartenbesitzers soll über Biosensoren (Erkennung von Fingerabdrücken) auf der Karte selbst garantiert werden. Kryptochips dienen der Verschlüsselung persönlicher Daten. Aus Akzeptanzgründen muss der datenschutzrechtlich korrekte Zugriff der Behörden auf die Daten unbedingt gewährleistet sein: So dürfen beispielsweise die bei der Führerschein-Ummeldung betroffenen Behörden nicht auf die sozialversicherungsrelevanten Daten zugreifen können.

"Die Authentifizierung muss in beide Richtungen gehen", ergänzt Dietrich Seibt, Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftsinformatik an der Universität Köln. Nicht nur der Benutzer der Karte müsse sich ausweisen, dasselbe gelte für sämtliche betroffenen Ämter.

Mit den komplexen juristischen und sozialen Fragestellungen, die das Fasme-Projekt flankieren, ist die Universität Amsterdam betraut. Sie soll ferner klären, inwieweit länderspezifische Richtlinien oder EU-Recht zu berücksichtigen sind.

Neben den Universitäten bringen auch der IT-Anbieter ICL und die Beratungsgruppe Zuendel & Partner ihre Kompetenz in das Projekt ein. Die Siemens-Tochter Infineon sponsert das Vorhaben mit einer Entwicklungsumgebung für die Erkennung von Fingerabdrücken.

Die Motivation der Städte für eine Teilnahme am Projekt ist unterschiedlich. Sie reicht von der "Bürgerfreundlichkeit durch Vereinfachung" bis zum "wissenschaftlichen Informationsgewinn". In Newcastle weisen politische Vorgaben den Weg: Bis zum Jahr 2002 sollen hier 25 Prozent aller Verwaltungsaufgaben auf elektronischem Weg bearbeitet werden, im Jahr 2005 bereits 50 Prozent.

Mick Riley vom Newcastle City Council prognostiziert einen baldigen Wirtschaftlichkeitsgewinn von 25 Prozent. Im Idealfall könne sich der EU-Bürger mit der Karte nicht nur ummelden, sondern erhalte als Zugabe zugleich Infos und Tipps für nachgeordnete Dienstleistungsbereiche wie Müllabfuhr oder Energiewirtschaft. Die Verwaltungen wiederum müssten sich nicht länger mit Übersetzungen und Rückfragen im Herkunftsland oder mit inkompatiblen Dokumenten plagen.

Doch das ist vorerst noch Zukunftsmusik: Zunächst müssen die Ist-Situation und die Bedürfnisse der verschiedenen Verwaltungen geklärt werden. Das soll im Februar auf dem ersten von insgesamt vier geplanten Workshops geschehen.

Noch ist nicht abzusehen, wie sich die Projektergebnisse tatsächlich in die Praxis überführen lassen. Werden sich die EU-Bürger dann in die Schlange vor dem Kartenlesegerät einreihen, anstatt vor der Behördentür zu warten? Die langfristigen Prognosen der Projektteilnehmer fielen übereinstimmend aus: Irgendwann wird der Check-in für alle Verwaltungsvorgänge über den hauseigenen Rechner mit Internet-Anschluss laufen. Der Gang zum nächsten Amt dürfte dann die Ausnahme werden.

Smarte Karten

Als Smartcards werden Karten mit integriertem Prozessor bezeichnet. Voll im Trend liegt dabei ihre neueste Variante, die Javacard. Hier werden in Java codierte Programme direkt auf der Karte ausgeführt - unabhängig vom Kartenhersteller. Damit stellt die Javacard eine portable Applikationsplattform in einem verteilten Anwendungsverbund dar. Besonders interessant wird sie dadurch, dass mehrere Applikationen parallel darauf ablaufen können. Zudem lassen sich Applikationen dynamisch auf die Javacard nachladen.

*Eva-Katharina Kunst ist freie Jounalistin in Kempen.