EU-Kommission plant Mehrwertabgabe auf digitale Produkte

Europa und die USA streiten weiter um Internet-Steuern

10.03.2000
MÜNCHEN (CW) - Europäer und Amerikaner haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie der Handel mit digitaler Ware im Internet zu besteuern ist. Eine längst geplante EU-Richtlinie zum Thema verzögert sich immer weiter.

Die Europäische Kommission wollte ursprünglich Ende Februar dieses Jahres eine Richtlinie zum Thema Internet-Steuer vorlegen. Nach kontroversen Debatten heißt es nun, frühestens im April oder Mai sei mit einem fertigen Entwurf zu rechnen. Dabei geht es nicht mehr darum, ob im Internet künftig kassiert werden soll, sondern in erster Linie darum, wie. Einig sind sich die Europäer, dass elektronisch verkaufte und versendete Waren wie Software oder Musik im Rahmen einer Mehrwertsteuer mit Abgaben belegt werden sollen. Damit ist die von der Web-Wirtschaft heftig kritisierte Steuer nach dem jeweils benötigten Datenvolumen vom Tisch.

Grundsätzlich sollen alle im elektronischen Handel vertriebenen Waren gemäß einem Vorschlag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Dienstleistungen eingestuft werden. EU-interne Umsätze würden dann den geltenden Vorschriften für den Binnenmarkt unterliegen. Wie aber Anbieter aus Drittländern besteuert werden sollen, ist völlig offen. Die EU-Kommission favorisiert scheinbar die Verpflichtung solcher Unternehmen, sich in einem EU-Land ihrer Wahl registrieren zu lassen und den dort geltenden Mehrwertsteuersatz zu zahlen. Alle anderen Mitgliedsländer gingen leer aus. Bei einer Spanne der Mehrwertsteuersätze von null bis 25 Prozent böte das reichlich Stoff für Ärger. Umgehend äußerten Deutschland, Frankreich und die skandinavischen Länder die Befürchtung, dass das gesamte Steueraufkommen aus dem Internet-Handel nur wenigen Niedrigsteuerländern wie Luxemburg oder Irland zugute kommen werde.

Für Zündstoff sorgt auch der EU-Vorschlag, bei Geschäftskunden das Bestimmungslandprinzip (der Käufer zahlt die Mehrwertsteuer) anzuwenden und bei Privatkunden das Ursprungslandprinzip (der Verkäufer zahlt die Mehrwertsteuer). Dies würde das ohnehin gravierende technische Problem nur vergrößern, so die Kritiker. Denn nach wie vor ist vollkommen unklar, wie der digitale Warenstrom erfasst und kontrolliert werden kann.

Auch die weltweiten Dimensionen einer Internet-Steuer sorgen für graue Haare bei den Verantwortlichen. Angesichts der bevorstehenden EU-Richtlinie fordern amerikanische Lobbyisten, eine Doppelbesteuerung müsse auf jeden Fall vermieden werden. Andererseits debattieren die US-Politiker selbst darüber, ob der Internet-Handel überhaupt besteuert werden sollte. Eine kürzlich anberaumte Anhörung bei Präsident Bill Clinton verlief ergebnislos. Während die einen Bundesstaaten für Steuerfreiheit plädierten, hatten andere bereits zum Teil pauschale Umsatzsteuern für Web-Firmen eingeführt - was die Europäer wiederum zu der Intervention veranlasste, auch hiesige Firmen dürften in den USA nicht mehrfach abkassiert werden.