E-Payment

Europa sucht den Anschluss

30.04.2021
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Im Online-Zahlungsverkehr tut sich eine Menge. Den Europäern ist die Vormachtstellung von US-Kreditkartenfirmen und E-Commerce-Giganten ein Dorn im Auge. Doch deren Vorsprung ist groß.
  • Was steckt hinter der European Payment Initiative (EPI)?
  • Was planen die Kreditkartenkonzerne mit Click-to-Pay?
  • Was verspricht sich die Europäische Zentralbank vom E-Euro (Krypto-Euro)?
In Sachen Online Payment hinkt Europa hinterher - das soll sich künftig ändern.
In Sachen Online Payment hinkt Europa hinterher - das soll sich künftig ändern.
Foto: LDprod - shutterstock.com

Spätestens im Juli 2020 ist die Welt des elektronischen Zahlungsverkehrs mit der Gründung der European Payment Initiative (EPI) in Bewegung geraten. 31 Banken und Kreditinstitute - darunter Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank und die Sparkassen - sowie die beiden größten europäischen Zahlungsdienstleister (Acquirer) Worldline und Nexi hatten die Initiative angestoßen, um eine paneuropäische Lösung für den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu schaffen. Sie möchten einen eigenen Standard für Konsumenten und den Handel setzen, der es mit den US-Schwergewichten Mastercard und Visa, aber auch mit den Angeboten von Internetgiganten wie Apple, Google und PayPal aufnehmen kann.

Ralf Gladis, Geschäftsführer des Payment Service Providers Computop in München, nennt die politische Dimension des elektronischen Zahlungsverkehrs als Motiv für die europäischen Anstrengungen. Die großen US-Kreditkartenunternehmen hätten heute überall ihre Hände im Spiel. Ziel sei daher ein gesamtheitlicher europäischer Zahlungsverkehr, bei dem diese Rivalen außen vor blieben. Viele Menschen wüssten gar nicht, dass beispielsweise bei einer ganz normalen Girocard- (EC-Karten-)Transaktion ins Ausland eigentlich immer Mastercard involviert sei.

Ralf Gladis, CEO und Gründer von Computop, beobachtet die Entwicklungen in der European Payment Initiative (EPI) mit Interesse und Wohlwollen.
Ralf Gladis, CEO und Gründer von Computop, beobachtet die Entwicklungen in der European Payment Initiative (EPI) mit Interesse und Wohlwollen.
Foto: Computop

Die Hoffnungsträgerin der Europäer ist eine Deutsche: Martina Weimert, CEO der EPI Interim Company, war jahrelang in Paris für das Beratungsunternehmen Oliver Wyman tätig. Seit Ende vergangenen Jahres verantwortet sie das EPI-Projekt und verlässt sich dabei auf die Unterstützung von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB). Ihr Auftrag lautet, ein einheitliches europäisches Zahlungsverfahren einzuführen und dafür die geeignete Infrastruktur aufzubauen.

EPI-Karte als Alternative zur EC-Karte

Konkret soll schon von kommendem Jahr an die "EPI-Karte" freigegeben werden, in einer physischen und einer digitalen Version. Sie soll mittelfristig eine Reihe etablierter und beliebter Kartensysteme ergänzen, darunter auch die Girocard (EC-Karte), Paydirekt und die Carte Bancaire in Frankreich. Für die Übergangsphase lässt man sich Zeit, da viele Bankkunden erst nach Ablauf ihrer Girocard mit der neuen EPI-Karte versorgt werden können.

In einem Podcast mit finanz-szene.de beschreibt Weimert, worum es der EPI geht: Man wolle ein Regelnetzwerk (Scheme) und eine Zahlungslösung etablieren, die elektronische Zahlungstransaktionen von Anfang bis Ende abdecke. "Der Kunde kann im Geschäft oder Online-Shop mit EPI bezahlen und auch die gesamte Transaktion dahinter wird vollständig mit EPI abgedeckt bis das Geld dann auf dem Händlerkonto ist."

Laut Weimert gibt es vier Use Cases: den Peer-to-Peer-Zahlungsverkehr zwischen Personen, Kartenzahlungen im Geschäft, E- und M-Commerce sowie schließlich das klassische Geldabheben am Automaten. Dafür soll es die EPI-Karte geben und zusätzlich eine Digital Wallet, die auch Instant Payments erlaubt. Die Wallet soll ähnlich wie zum Beispiel Apple Pay offen sein, dort können auch andere Zahlungslösungen hinterlegt werden. "Zwei Zahlungsprodukte unter einer Marke und einem Regelnetzwerk - das wollen wir aufbauen", sagt Weimert in dem Podcast.

Vor allem die Aussicht auf Instant Payment dürfte für Banken, Händler und Konsumenten interessant sein. Dahinter verbergen sich Echtzeitüberweisungen in maximal 20 Sekunden, die den Online-Shops schnelle Liquidität garantieren und den Banken zusätzliche Gebühren einbringen. Wichtig dürften auch schnelle Peer-to-Peer-Zahlungen zwischen Personen werden, ein Markt, der zunehmend von Fintechs erobert wird.

Nicht nur Euro-Länder unterstützen EPI

EPI soll zunächst für EU-Staaten, später aber auch für andere Länder verfügbar sein und somit in einen weltweiten Wettbewerb mit Visa und Mastercard treten. Vor diesem Hintergrund ist es den Machern wichtig, dass gerade erst die größte polnische Bankengruppe PKO Bank Polski dazugestoßen ist, das erste Finanzunternehmen mit einer anderen Währung als dem Euro.

Der Zeitrahmen für all das ist bis 2028 großzügig angesetzt, und ob am Ende die europäischen Banken wirklich an einem Strang ziehen werden, gilt keineswegs als gewiss. Schon einmal hatte es mit dem "Monnet Project" eine vergleichbare Initiative gegeben, die ein SEPA-kompatibles europäisches Kartensystem einführen sollte. 2012 wurde der Stecker gezogen, weil sich Banken und Institutionen in Europa nicht auf ein einheitliches Vorgehen einigen konnten.

Wie Weimert sagt, sind die Vorbedingungen diesmal anders. "Das ist in gewisser Weise die letzte Chance für Europa", der Markt habe sich sehr dynamisch weiterentwickelt. Nicht nur die großen Kreditkartenfirmen, auch Internet-Giganten wie Paypal, Apple, Google, Alibaba und Tencent sowie zahlreiche Fintechs machten enormen Druck. Zudem gebe es in Europa jetzt eine gemeinsame Vision und es stünden neue Technologien zur Verfügung. "Wir haben heute Banken dabei, die damals nicht mitgemacht haben, zum Beispiel die Sparkassen oder einige holländische Banken", nennt Weimert einen weiteren Vorteil. "Es gibt einen großen, allgemeinen Willen, voranzukommen, auch die Handelsorganisationen und Konsumentenvereinigungen sind involviert."

Mit EPI könnten Transaktionskosten sinken

Was sich die Geldhäuser und Zahlungsdienstleister von einer paneuropäischen Payment-Lösung versprechen, haben Giesecke + Devrient und Netcetera in einem gemeinsamen Live-Webinar mit 100 Payment-Experten abgefragt. Die meisten hoffen demnach darauf, mit einer leistungsfähigen europäischen Payment-Initiative Abhängigkeiten von US-Konzernen zu reduzieren. Viele glauben zudem, dass die Transaktionskosten für Banken genauso wie für Konsumenten und Händler sinken werden, zumal diese mit einer geringeren Karten- und Zahlungsmittelvielfalt rechnen können. Derzeit sind in Europa 13 verschiedene nationale Kartensysteme im Einsatz.

Anstatt sich mit vielen Passwörtern, Apps und Authentifizierungsmethoden herumzuschlagen, hätten die Nutzer eine einheitliche Zahlungslösung an der Hand, die alle Karten- und Digitalangebote abdecken könnte. Dies würde Reisen und Anmeldeverfahren vereinfachen und vermutlich auch die Sicherheit erhöhen.

Einfacher Check-out mit Click-to-Pay

Allerdings haben auch die großen Kreditkartenunternehmen erkannt, dass die Kunden Komfort möchten und keine Lust auf Kartenchaos haben. Eine ihrer Antworten auf das Problem heißt Click-to-Pay, das in den USA bereits läuft und von etlichen großen Websites unterstützt wird. Auch für Europa ist es geplant. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Wallet von Mastercard, Visa, American Express und Discover, in die Kunden ihre vorhandenen Karten einfach über ihre Bank oder die Websites der Kartenmarken integrieren können.

Kunden müssen sich auf den Websites nicht mehr anmelden oder ihre Kreditkartendaten hinterlegen, um einen Kauf zu tätigen. Stattdessen gibt es einen Standard-Checkout-Button in Form eines Pfeils, durch dessen Klick ähnlich wie mit PayPal bezahlt werden kann. Den Komfortaspekt beschreibt Computop-Sprecher Gladis in einem Gastbeitrag für unsere Kollegen von ChannelPartner: Kunden können für den Bezahlvorgang eine von mehreren hinterlegten Karten auswählen. Alle Daten sind bereits vorhanden und werden zusammen mit einem transaktionsspezifischen Kryptogramm übertragen. Selbst ein Kartenwechsel, der ein neues Ablaufdatum oder eine neue Sicherheitsnummer (CVV) mit sich bringt, wird im Hintergrund verarbeitet, so dass der Übergang reibungslos funktioniert.

Um die echten Kreditkartennummern (Primary Account Number = PAN) aus dem Zahlungsverkehr herauszuhalten, geben die Kreditkartengiganten Ersatznummern heraus, die sogenannten Token. Nicht nur die PAN wird dabei ersetzt, auch andere Kartendaten sind im Token integriert. Das Verfahren bildet die Grundlage für das Click-to-Pay-Wallet. Die Token werden im Auftrag der Kreditkartenfirmen durch Token Service Provider vergeben. Im Ergebnis können Konsumenten dann sehr einfach auch in erstmals besuchten Webshops bezahlen, sofern diese Click-to-Pay unterstützen. Sie müssen ihre Daten nicht mehr neu eingeben.

Kommt der Krypto-Euro?

Nicht nur mit der EPI-Karte und der Click-to-Pay-Wallet, auch mit dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) geförderten Krypto-Euro steht das Euro-Zahlungssystem vor tiefgreifenden Veränderungen. Parallel zum Bargeld soll nach dem Wunsch der EZB in ein paar Jahren der E-Euro ausgegeben werden. Präsidentin Christine Lagarde hat das gerade erst bestätigt, ohne allerdings einen Zeitpunkt zu nennen. Vermutlich kommt es Mitte 2021 zu einer endgültigen Entscheidung der Verantwortlichen.

Anders als Kryptowährungen wie der Bitcoin würde der E-Euro von der EZB ausgegeben und von ihr vollständig kontrolliert. Will die Notenbank Sicherheit und Stabilität sicherstellen, kann sie sich die Kontrolle über eine solche Digitalwährung nicht nehmen lassen. Der digitale Euro wird, wenn er denn kommt, bei den Konsumenten wohl ebenfalls in einer Digital Wallet aufbewahrt - ob es dann die EPI-, die Click-to-Pay-, die Google-, Apple- oder irgendeine andere Wallet sein wird, ist bislang unklar.

Wie tagesschau.de berichtet, sollen Zahlungstransaktionen online und - vermutlich mittels Nahfunktechnologie - auch offline möglich sein. Die digitale Währung würde auf einem separaten Kundenkonto verbucht, getrennt vom klassischen Girokonto. Das neue Konto soll von den Geschäftsbanken verwaltet werden, de facto aber bei der EZB liegen, die für Sicherheit und den Schutz der Privatsphäre sorgt.

Maximal 3000 Euro als E-Euro verfügbar?

Das Guthaben auf einem E-Euro-Konto soll voraussichtlich auf maximal 3000 Euro beschränkt werden - ein Betrag, der den meisten Menschen zum Shoppen ausreicht. Hintergrund ist, dass die Kreditwirtschaft schwer geschädigt würde, wenn Konsumenten ihr Erspartes komplett in eine virtuelle Gemeinschaftswährung umschichten würden. Verschwände das Geld im großen Stil von den Girokonten, würden die Banken den Großteil ihres Fremdkapitals verlieren und wirtschaftlichen Schaden nehmen.

Staatlich kontrollierte Kryprowährungen sind in anderen Ländern bereits verfügbar. Die chinesische Regierung etwa hat zum Neujahrsfest am 12. Februar den digitalen Yuan eingeführt und 50.000 zufällig ausgewählten Bürgern je 200 Yuan (25 Euro) in die entsprechende Handy-App eingebucht. E-Commerce-Giganten wie JD.com akzeptieren die Währung, landesweit soll es bereits 10.000 Institutionen und Händler geben, bei denen man mit dem virtuellen Geld bezahlen kann.

Wie der "Weser Kurier" berichtet, hat China im 14. Fünfjahresplan beschlossen, "Krypto-Handels-Pilotzonen" einzuführen. Mit dem digitalen Yuan wolle die Regierung die teilweise entglittene Kontrolle über den Zahlverkehr zurückgewinnen, da Bargeld die Korruption begünstige. Im Reich der Mitte fiel die Wahl wohl auch deshalb gegen ein Blockchain-basiertes System und für eine sichere Datenspeicherung auf Zentralbank-Servern. Kritiker argwöhnen allerdings, dass die digitale Währung in China der staatlichen Überwachung Vorschub leisten soll.

Schweden träumt von der e-Krona

Ganz anders stellt sich die Situation in Schweden dar, wo der Übergang zu einer bargeldlosen Gesellschaft auch ohne Krypto-Krone in vollem Gang ist. Dort hält die Zentralbank dennoch zäh - und bereits mit einigen Fristverlängerungen - an den Plänen ihrer "e-Krona" fest und denkt bereits über die Verlängerung eines laufenden Pilotprojekts bis 2026 nach. Man arbeite mit einer ungeprüften Technik, hieß es zur Begründung. Wie das Handelsblatt berichtet, setzt die E-Krone auf der Blockchain-Technologie auf, doch es gebe Schwierigkeiten, weil die Reichsbank die Kontrolle behalten und den Bürgern die Stabilität der e-Krona garantieren wolle.

Auch die Schweiz arbeitet an einem Krypto-Franken, Estland beschäftigt sich mit dem Estcoin und Russland, Großbritannien, Kanada und auch Venezuela prüfen ähnliche Projekte. Warum das so ist, weiß Ralf Gladis von Computop: Zum einen seien viele Regierungen von Privatinitiativen wie Facebooks Libra (inzwischen Diem) aufgeschreckt worden. "Denen unseren Zahlungsverkehr anzuvertrauen, wäre eine Riesenkatastrophe", warnt der Payment-Spezialist.

Wichtiger noch sei aber die Vorbereitung auf eine Zukunft, in der neue Geschäftsmodelle im Internet of Things (IoT), Smart Contracts und Datenmonetarisierung wichtiger würden. Computer handelten dann Verträge aus, in der Machine-to-Machine-Kommunikation und auf Online-Marktplätzen könnten flankierend digitale Zahlungen erfolgen. Gladis ist sich sicher: Im Zahlungsverkehr hat die digitale Zukunft längst begonnen.