Aufsehenerregendes Urteil

EuGH verwirft deutsche Kündigungsfristen

20.01.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Verstoß gegen Diskriminierungsverbot

Das als Berufungsgericht angerufene Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat sodann den Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit einer solchen Kündigungsregelung mit dem Unionsrecht und zu den Folgen einer etwaigen Unvereinbarkeit befragt.

Der EuGH kam nun in seinem gerade am 19.01.2010 veröffentlichten Urteil zu dem Ergebnis, so Henn, dass die deutsche Kündigungsregelung in den Anwendungsbereich des Unionsrechts - Richtlinie 2000/78 - fällt, der allgemein jede Form von Diskriminierung wegen Alters verbietet.

Der Gerichtshof stellte fest, dass die Kündigungsregelungen in Deutschland eine Ungleichbehandlung enthalte, die auf dem "Kriterium des Alters" beruhe. Diese Regelung sehe eine weniger günstige Behandlung für Arbeitnehmer vor, die ihre Beschäftigung bei dem Arbeitgeber vor Vollendung des 25. Lebensjahrs aufgenommen haben. Sie behandelt damit Personen, die die gleiche Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen, unterschiedlich, je nachdem, in welchem Alter sie in den Betrieb eingetreten sind.

Der Gerichtshof gelangte daher zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht, insbesondere das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78, einer nationalen Regelung wie der deutschen entgegensteht, nach der vor Vollendung des 25. Lebensjahrs liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht berücksichtigt werden.

In dem Urteil, so Henn, wiesen die Luxemburger Richter nun auch die deutschen Gerichte an, die für unrechtmäßig befundene Klausel ab sofort nicht mehr anzuwenden. Dies bedeute, dass sich unabhängig davon, ob und wann die Bundesregierung nun das Arbeitsrecht entsprechend anpasst. sich jeder nun in einem Rechtsstreit auf das EuGH-Urteil berufen kann.