EU will alternative Netze schon Anfang 1996 Bruesseler Direktive setzt Bonn und Paris Pistole auf die Brust

28.07.1995

BRUESSEL (CW) - Die Europaeische Kommission macht in Sachen Liberalisierung der TK-Maerkte Druck. Mit dem Ziel, diese Oeffnung zu forcieren, legte Karel van Miert, EU-Kommissar fuer Wettbewerb, jetzt zwei Entwuerfe vor. Darin werden die nationalen Regierungen aufgefordert, schon 1996 alternative Netzbetreiber fuer liberalisierte Dienste zuzulassen und saemtliche Lizenzmodalitaeten fuer Sprachnetzbetreiber bis Mitte 1997 zu regeln.

Die Bruesseler Eurokraten haben in ihrem Bemuehen, die Monopole in der europaeischen TK-Welt aufzubrechen, ein neues Register gezogen. Per Richtlinie will die EU ihre Mitgliedsstaaten dazu zwingen, "alternative" Netze, wie es im Sprachjargon Bruessels heisst, schon ab Anfang 1996 zu genehmigen.

Europaeische Kommission will Zeitplan einhalten

Die Kommission rechtfertigt diese Massnahme mit Artikel 90, Absatz 3 des Maastrichter Vertrages, der Bruessel erlaubt, gegen wettbewerbsbehindernde oeffentliche Monopole einzuschreiten. Die Direktive koennte bereits zur Jahreswende in Kraft treten, weil der EU-Ministerrat dazu kein gruenes Licht erteilen muss.

Nutzniesser der neuen Regelung waeren Anbieter bereits liberalisierter Dienstleistungen aus den Bereichen Mobilfunk, Kabelfernsehen oder Value-Added-Network-Services. Sie waeren nicht laenger gezwungen, ihre Dienste ausschliesslich ueber das Netz der Telekom AG anzubieten, sondern koennten auf Betreiber alternativer Netzwerke wie zum Beispiel die Deutsche Bahn AG, Viag Interkom, RWE Talliance oder Vebacom ausweichen.

EU-Wettbewerbskommissar van Miert bezeichnete die Freigabe alternativer Netze als fundamentale Voraussetzung fuer die angestrebte Liberalisierung in Europa, die im TK-Sektor bis zum 1. Januar 1998 komplett abgeschlossen sein soll. Dann wird auch das Sprachmonopol fallen, das durch die fuer 1996 geplante Richtlinie noch nicht tangiert ist.

Von der Zulassung neuer Netzbetreiber verspricht sich die EU nicht nur ein Freiwerden blockierter Investitionen, sondern vor allem mehr Wettbewerb, sinkende Tarife sowie technologischen Fortschritt.

Wie ernst es der Euro-Behoerde ist, die Deregulierung fristgerecht ueber die Buehne zu bringen, beweist auch die zweite Verordnung, die Bruessel durchsetzen moechte. Diese sieht vor, dass alle 15 EU- Mitgliedsstaaten bis Mitte 1997 die Bedingungen fuer die Lizenzvergabe an Bewerber im Telefondienst festlegen. Zum gleichen Zeitpunkt, so fordert die Kommission, muessen die EU-Laender Plaene ueber die Zusammenschaltung der Netze vorlegen.

Van Miert bestaetigte bei der Praesentation seiner Vorschlaege, dass die Zustimmung der Politiker in Bonn und Paris zu den beiden Direktiven Voraussetzung fuer eine Genehmigung des Joint-ventures Atlas sei. Bislang hat Bruessel dem geplanten Joint-venture zwischen der Telekom AG und France Telecom seine Zustimmung mit der Begruendung verweigert, der deutsche und franzoesische Markt seien gegen Wettbewerber abgeschottet.